Zwanzig Jahre nachher. Александр Дюма

Zwanzig Jahre nachher - Александр Дюма


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Ihr vielleicht zufällig aus der Bastille?«

      »Nein, Madame,« antwortete Athos lächelnd, »aber vielleicht bin ich auf dem Wege, der dahin führt.«

      »Ah, dann sagt mir geschwinde, wer Ihr seid, und geht,« erwiderte die Herzogin mit dem lustigen Tone, der bei ihr einen so großen Zauber ausübte; »denn ich bin in dieser Beziehung bereits hinreichend kompromittiert und kann mich nicht noch mehr compromittiren.

      »Wer ich bin, Madame? Man hat Euch meinen Namen gesagte der Graf de la Fère. Diesen Namen habt Ihr nie gekannt; ich führte einst einen andern, den Ihr vielleicht gewußt, aber sicherlich vergessen habt.«

      »Nennt ihn immerhin, mein Herr.«

      »Früher,« versetzte der Graf de la Fère, »nannte ich mich Athos.«

      Frau von Chevreuse machte große verwunderte Augen. Offenbar hatte sich dieser Name in ihrem Gedächtnisse nicht ganz vermischt, obgleich er mit vielen alten Erinnerungen vermengt war.

      »Athos?« sagte sie, »wartet doch ein wenig…«

      Und sie legte ihre zwei Hände an ihre Stirne, als wollte sie die tausend flüchtigen Gedanken, welche dieselbe enthielt, nöthigen, einen Augenblick stehen zu bleiben, um sie klar in dem buntscheckigen, glänzenden Haufen schauen zu lassen.

      »Soll ich Euch helfen, Madame?« sagte Athos lächelnd.

      »Ja doch,« erwiderte die Herzogin, des Suchens bereits müde; »Ihr thut mir einen Gefallen damit.«

      »Dieser Athos stand in Verbindung mit drei jungen Musketieren, und diese drei Musketiere hießen d’Artagnan, Porthos und …«

      Athos hielt inne.

      »Und Aramis,« sprach die Herzogin lebhaft.

      »Und Aramis, so ist es,« versetzte Athos.

      »Ihr habt also diesen Namen nicht gänzlich vergessen?«

      »Nein,« sprach sie, »nein! Armer Aramis! er war ein reizender Cavalier, zierlich, verschwiegen, und machte artige Verse. Ich glaube es hat eine schlimme Wendung mit ihm genommen.«

      »Aeußerst schlimm: er ist Abbé geworden.«

      »Ah, welch ein Unglück!« rief Frau von Chevreuse, nachlässig mit ihrem Fächer spielend. »In der That, mein Herr, ich danke Euch.«

      »Wofür, Madame.«

      »Daß Ihr diese Erinnerung in mir zurückgerufen habt, denn sie gehört zu den angenehmsten Erinnerungen meiner Jugend.«

      »Dann erlaubt Ihr mir also, eine zweite in Euch zurückzurufen?«

      »Welche mit dieser in Verbindung steht?«

      »Ja oder nein.«

      »Meiner Treue,« versetzte Frau von Chevreuse, »sprecht immerhin. Bei einem Manne, wie Ihr seid, wage ich Alles.«

      Athos verbeugte sich.

      »Aramis,« fuhr er fort, »stand in Verbindung mit einer Näherin in Tours.«

      »Mit einer Nähterin in Tours?« fragte Frau von Chevreuse.

      »Ja, einer Verwandtin von ihm, welche Maria Michon hieß.«

      »Ah, ich kenne sie!« rief Frau von Chevreuse; »es ist diejenige, an welche er von der Belagerung von La Rochelle schrieb, um sie von einem Complott in Kenntniß zu setzen, das man gegen den armen Buckingham angesponnen hatte.

      »Ganz richtig; wollt Ihr mir erlauben, von ihr zu sprechen?«

      Frau von Chevreuse schaute Athos an und sagte nach kurzem Stillschweigen:

      »Ja, vorausgesetzt, daß Ihr mir nicht zu viel Schlimmes von ihr sagt.«

      »Ich wäre ein Undankbarer,« erwiderte Athos, »und ich betrachte den Undank nicht als einen Mangel oder als ein Verbrechen, sondern als ein Laster, was noch schlimmer ist.«

      »Ihr, undankbar gegen Marie Michon!« rief Frau von Chevreuse, und suchte in den Augen von Athos zu lesen. »Wie könnte dies sein? Ihr habt sie nie persönlich gekannt.«

      »Ei, Madame, wer weiß!« versetzte Athos. »Ein Volkssprichwort sagte nur die Berge kommen nicht zusammen, und die Volkssprichwörter sind zuweilen unglaublich wahr.«

      »Oh! fahrt fort, mein Herr, fahrt fort,« sagte Frau von Chevreuse lebhaft. »Ihr könnt nicht glauben, wie sehr mich diese Unterhaltung belustigt.«

      »Ihr ermuthigt mich, und ich fahre fort. Diese Base von Aramis, diese Marie Michon, diese junge Nähterin hatte trotz ihres niedrigen Standes die höchsten Bekanntschaften. Sie nannte die vornehmsten Damen des Hofes ihre Freundinnen, und die Königin, so stolz sie auch in ihrer doppelten Eigenschaft als Oesterreicherin und Spanierin war, nannte sie ihre Freundin.«

      »Oh!« sprach Frau von Chevreuse mit einem leichten Seufzer und einer kleinen Bewegung der Augenbrauen, die nur ihr eigenthümlich war, »die Dinge haben sich seit jener Zeit gewaltig verändert.«

      »Und die Königin hatte Recht,« fuhr Athos fort, »denn sie war ihr sehr ergeben, ergeben bis zu einem Grade, daß sie ihr als Vermittlerin mit ihrem Bruder, dem Könige von Spanien, diente.«

      »Was ihr jetzt als ein großes Verbrechen angerechnet ward,« versetzte die Herzogin.

      »So,« fuhr Athos fort, »so, daß der Cardinal, der wahre Cardinal, der andere, an einem schönen Morgen beschloß, die arme Marie Michon verhaften und nach dem Schlosse Loges führen zulassen. Glücklicher Weise ließ sich die Sache nicht so geheim ausführen, daß der Plan nicht ruchbar geworden wäre. Man hatte für den Fall vorhergesehen: wenn Marie Michon von irgend einer Gefahr bedroht wäre, sollte ihr die Königin ein in grünen Sammet gebundenes Gebetbuch zuschicken.«

      »So ist es, mein Herr, Ihr seid gut unterrichtet.«

      »Eines Morgens kam das Buch, überbracht von dem Prinzen von Marsillac. Es war keine Zeit zu verlieren. Glücklicher Weise wußten Marie Michon und eine Dienerin, die sie hatte, Namens Ketty, sich auf eine bewunderungswürdige Weise in Männerkleidern zu bewegen. Der Prinz verschaffte ihnen solche, Marie Michon eine Cavalierstracht und Ketty einen Lackeienanzug, und übergab ihnen zwei Pferde. Die Flüchtigen verließen rasch Tours und erreichten Spanien, zitternd bei dem geringsten Geräusche, Fußpfaden im Walde folgend, weil sie es nicht wagten, aus der Landstraße zu reisen, und Gastfreundschaft ansprechend, wenn sie keine Herberge fanden.«

      »In der That, es ist durchaus so,« rief Frau von Chevreuse in die Hände klatschend; »es wäre wirklich seltsam …« sie hielt inne.

      »Wenn ich den zwei Flüchtlingen bis an das Ende ihrer Reise folgte?« sprach Athos. »Nein, Madame, ich werde Ihre Augenblicke nicht so sehr mißbrauchen, und wir begleiten sie nur bis in ein kleines Dorf im Limousin zwischen Tulle und Angoulême, in ein kleines Dorf, das man Roche-l’Abeille nennt.«

      Frau von Chevreuse stieß einen Schrei des Erstaunens aus und betrachtete Athos mir einem Ausdrucke von Verwunderung, der den ehemaligen Musketier lächeln machte.

      »Geduld, Madame,« fuhr Athos fort; »denn was ich Euch noch zu sagen habe, ist viel seltsamer, als das bereits Gesagte.«

      »Mein Herr,« sprach Frau von Chevreuse, »ich halte Euch für einen Zauberer und bin auf Alles gefaßt. Aber gleichviel, fahrt nur fort.«

      »Diesmal war die Tagreise lang und ermüdend gewesen. Es herrschte bereits eine lästige Kälte, es war am 11. Oktober. Dieses Dorf bot weder ein Schloß noch eine Herberge. Die Bauernhöfe sahen armselig und schmutzig aus. Marie Michon war eine sehr aristokratische Person und wie die Königin, ihre Schwester, an gute Gerüche und seine Wäsche gewöhnt. Sie beschloß also, sich Gastfreundschaft im Pfarrhause zu erbitten.«

      Athos machte eine Pause.

      »Oh, fahrt fort,« sprach die Herzogin, »ich sagte Euch bereits, ich wäre auf Alles gefaßt.«

      »Die zwei Reisenden klopften an die Thüre. Es war spät, der Priester hatte sich bereits zu Bette gelegt, er rief ihnen zu, sie mögen eintreten. Sie traten ein, denn die Thüre war nicht geschlossen; das Vertrauen in den Dörfern ist groß. Es brannte eine Lampe in dem Zimmer, in welchem sich


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