Lu die Kokotte. Artur Landsberger
so möchte ich mein Mündel der sicheren Obhut eines von Ihnen anvertrauen.«
Die drei sahen sich verdutzt an.
»Na ja, das fehlte noch!« rief der Oberlehrer. »Das Gesicht meiner Frau möchte ich sehen, wenn ich mit der Luise nach Hause käme!«
Auch der Geheimrat Walther lehnte mit Rücksicht auf seine erwachsenen Töchter, für die seine Nichte kein Umgang sei, ab.
Der Professor entschuldigte sich mit Vorlesungen, Sitzungen und Würden.
Schließlich stand der Geheimrat auf und erklärte, daß es aus diesem Dilemma nur einen Ausweg gäbe, und das wäre der: Herr Kommerzienrat Mohr, der in diesem Falle ja schon so viele Beweise seiner Menschenfreundlichkeit gegeben habe, kürzt in aller Interesse die Wartefrist, die er sich anfangs gesetzt hat, ab und heiratet Luise Kersten auf der Stelle!
Dem Oberlehrer und Professor schien dieser Vorschlag sehr plausibel; Mohr aber war auf diese Wendung nicht vorbereitet.
»Da stecken Sie das arme Geschöpf schon lieber in die Fürsorge!« rief Aletto. »Da ist sie jedenfalls besser aufgehoben als bei diesem Herrn.«
»Waas?« schrien alle durcheinander und waren entsetzt.
Der Kommerzienrat war in großer Erregung aufgesprungen. Alles kam jetzt darauf an, Zeit zu gewinnen.
»Ich bin bereit!« rief er. »Sobald sie zu mir kommt, werde ich mit ihr sprechen.«
»Nanu?« fragte der Geheimrat. »Meine Nichte besucht Sie?«
Wütend über seine Entgleisung brüllte Mohr:
»Was fällt Ihnen ein! Ich lasse mich nicht verhören!«
Aber da stand auch schon der Professor:
»Meine Herren!« rief er, »ich bitte um Ruhe! Ich habe eine Erklärung abzugeben. Ich muß Sie entschieden bitten, in meinem Hause alles zu vermeiden, was auch nur den Schein des Anstößigen an sich trägt. Schon die Feststellung, daß ein Mädchen aus ehemals gutem Hause einen unverheirateten Mann in seiner Wohnung aufsucht, geht zu weit. Eine solche Konversation dulde ich in meinem Hause nicht!«
Aber der Oberlehrer bekam Appetit. Teufel, das fing ja an, pikant zu werden! Wer konnte wissen, was man da noch alles zu hören bekam? Und er fühlte förmlich, wie sein verwandtschaftliches Gefühl erwachte. Am Ende war es ja seine Nichte; und so unerquicklich es war . . . dazu war man ja Mann!
»Ich verstehe durchaus deine Scheu, lieber Onkel«, begann er; »aber mir scheint doch, wir müssen uns überwinden und, so hart es uns ankommt, den Fall erörtern.«
Mohr sah: jetzt kam die Entscheidung, die zur Katastrophe führte, wenn er nicht auf dem Posten war. Er überlegte: diese Leute verlangten, daß er Luise auf der Stelle zum Traualtar führte. Und in der Tat: die Gründe, die dagegen sprachen, hatte er selbst beseitigt, um Luise vor Alettos Nachstellungen zu schützen. Wie schlecht hatte er operiert! Wie gerissen dieser verschlagene Aletto, der ihm, fast ohne ein Wort zu reden, fußbreit den Boden abgerungen hatte. Soviel stand fest: Aletto wußte um alles! Zwar würde er die Schmach Luises diesen Leuten nicht preisgeben! Davor war er wohl sicher! – Aber wenn er es doch tat? – Einen Augenblick sann er nach; eben wollte der Professor dem Oberlehrer erwidern, da stand er auf und erklärte ruhig und bestimmt.
»Ich leugne nicht, Fräulein Luise besucht mich hin und wieder. Aber trotz ihrer leidenschaftlichen Veranlagung sind unsere Beziehungen dank meiner Reserve über das unter Brautleuten übliche Maß von Zärtlichkeit nie hinausgegangen.«
Weiter kam er nicht; Aletto ging ihm an den Hals; schlug ihm die Fäuste ins Gesicht.
»Schuft! – Glauben Sie’s ihm nicht! Sie liebt ihn nicht – sie liebt mich! – Er hat sie gezwungen – jedesmal mit Gewalt! – Und jetzt macht er sie gemein; so gemein macht er sie!«
Noch ehe die anderen dazwischentraten, hatte sich Mohr von ihm befreit; Aletto war zur Tür gewankt, hatte nach seinem Hut gegriffen und war die Treppe hinuntergestürzt. Er hatte das bestimmte Gefühl, als müsse Luise in diesem Augenblicke zusammenbrechen.
Er stürzte an Häusern und Menschen vorüber; sah nichts; hörte nur immer ihren Schrei; warf sich in Angst und Sorge um sie in den nächsten Wagen und fuhr zu ihr.
Der Kommerzienrat tat, als wäre nichts geschehen.
»Ich halte es als Gentleman unter meiner Würde, mich gegen die Verleumdungen dieses konfusen Menschen zu verteidigen, der in seiner Verliebtheit nicht weiß, was er spricht.«
Der Professor stimmte dem zu und gab eine Ehrenerklärung ab, in der es hieß:
»Wir verurteilen auf das Entschiedenste das unqualifizierbare Benehmen des Herrn Aletto und haben zu Herrn Kommerzienrat Mohr das volle Vertrauen, daß er seine Pflichten als Vormund auf das gewissenhafteste erfüllt. – Im Interesse unserer Familie, sowie um der Wiederholung von Auftritten vorzubeugen, dessen Zeuge wir soeben sein mußten, bitten wir ihn jedoch, alle die Familie Kersten betreffenden Angelegenheiten künftighin ohne unser Zutun selbständig zu erledigen.«
Der Kommerzienrat dankte; bat um eine schriftliche Ausfertigung dieser Erklärung, die er auch erhielt, und der auf seinen Wunsch der Zusatz beigefügt wurde, daß es nach Ansicht der Familie im Interesse des Mündels läge, wenn dieses möglichst bald aus dem häuslichen Milieu heraus in die Obhut einer vom Vormunde zu bestimmenden Familie käme.
Dann standen sie alle auf und verabschiedeten sich.
»Ich will nur eilen, daß ich nach Hause komme!« sagte der Oberlehrer, als er aus der Haustür trat. »Nein, daß meine Frau auch nie dabei sein kann, wenn es mal was zu erleben gibt – mir ist ganz heiß geworden.« Und er nahm den Hut ab und wischte sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn. Dann gab er dem Geheimrat Walther die Hand, was dem sehr eklig war, und sprang auf die nächste Elektrische.
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