Wie Satan starb . Artur Landsberger

Wie Satan starb    - Artur Landsberger


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zu ihm um, sah das spöttische Gesicht, verzog den Mund und sagte:

      »Wozu?«

      »Nun zum Staatsminister. Bei deinen Verbindungen! – Oder ist es etwa noch nicht so weit?«

      »I was!« wehrte der Landrat ab und machte ein so verdutztes Gesicht, daß der Medizinalrat lachen mußte und sich abwandte.

      »So laß ihn doch, Onkel!« sagte Ilse leise, und der Medizinalrat erwiderte:

      »Ich kann mir nicht helfen, liebe Ilse, aber dieser Landrat liegt mir nun mal nicht.«

      Ein Diener brachte eine Magnumflasche Champagner. Johann folgte mit Tablett und Gläsern.

      »Es ist seit fünf Jahren die erste Flasche, die in meinem Hause getrunken wird,« sagte Frau Julie und ging auf Johann zu. Dann reichte sie jedem ein Glas.

      »So habe ich dich seit Jahren nicht mehr gesehen,« sagte Ilse freudig.

      »So wohl wie heut war mir auch nicht mehr ums Herz, seitdem unser guter Vater von uns ging,« erwiderte Frau Julie.

      »Also denn«, sagte der Landrat, klemmte das Monokel fest und hob sein Glas – »ergreifen wir die Jelejenheit . . .«

      »Was denn? was denn?« unterbrach ihn der Medizinalrat.

      Der Landrat sah auf:

      »Na, ich denke doch, es soll jefeiert werden.«

      Hilde wies auf Frau Julie, die sich eben von dem Justizrat auf einen Stuhl helfen ließ.

      Der Landrat sah’s, war ganz verdutzt, sperrte den Mund auf und sagte:

      »Nanu?«

      Dann ließ er den Arm sinken und schüttelte den Kopf. Im selben Augenblick stand Frau Julie, überstrahlt von Glück, auch schon auf dem Stuhl und begann:

      »Kinder! geliebte Kinder! Also ihr wißt ja gar nicht, wie es in mir aussieht! Als junge Braut mag mir so ums Herz gewesen sein. Seitdem nie wieder. Und dabei hatte ich, solange euer Vater lebte, doch nur frohe Tage. – Aber heute, wo ich meinen Jungen wieder habe, da ist mir, als fühle ich, wie sich eures Vaters Arm um meine Schultern legt, wie er mich mit seinen guten blauen Augen anschaut, und, wie so oft früher, zu mir sagt: ›Na, Liebling, ist das Leben nicht schön?‹ – Nie ist mein Ja aus vollerem Herzen gekommen als heut. Das Leben ist schön! Erst seine schwersten Prüfungen lassen uns seinen Sinn erkennen – Kinder! wir haben ihn wieder, unsern Peter, unsern guten, dummen Jungen, den strahlenden Bengel!«

      »Erlaub mal,« fiel ihr der Landrat ins Wort, »daß ich dich unterbreche. Aber n’ Königlich Preußischer Regierungsassessor is doch schließlich kein dummer Junge und strahlender Bengel!«

      »Doch! doch! rief Frau Julie lebhaft. »So wie ich es meine, ist mein Peter ein strahlender Bengel und soll es bleiben! So ein echter deutscher Kindskopf! Ganz wie ihn sein Vater sich wünschte! Sonnig! offen und keines falschen Tones fähig! Gottlob, wir haben ihn wieder, unsern Peter. Laßt ihn leben, den Jungen! Hoch!«

      »Hoch!« riefen alle, und wiederholten es erst einmal, dann ein zweitesmal.

      Baron Zobel und der Medizinalrat, die peinlich auf Frau Julie acht gegeben hatten, halfen ihr jetzt vom Stuhl herunter.

      »Ich glaube, Mama,« sagte Ilse, »wir bringen dich jetzt zu Bett, damit du erst einmal richtig zur Ruhe kommst.«

      »Was für ein Gedanke!« widersprach Frau Julie. »Ich werde doch die schönsten Stunden meines Lebens nicht verschlafen. In mir ist seit fünf Jahren zum ersten Male alles wieder ganz ruhig. Die ganze Nacht über werde ich mit offenen Augen daliegen und an mein Glück denken. Nun, wo ich meinen Jungen wieder habe, ist mir um meinen Schlaf nicht mehr bange.«

      »Wer wird zu ihm fahren?« fragte der Baron Zobel.

      »Du meinst, wer mich begleiten wird,« erwiderte Frau Julie.

      »Aber Mama!« widersprach Ilse, »du wirst doch bei den jetzigen Verhältnissen und um die Jahreszeit nicht in die Schweiz fahren?«

      Auch Hilde und der Justizrat rieten ab.

      Frau Julie lächelte:

      »Und wenn es an das Ende der Welt ginge! Ihr würdet mich nicht zurückhalten.«

      »Dann fahre ich mit dir!« erklärten gleichzeitig Ilse, Hilde und der Medizinalrat.

      »Das braucht am Ende doch nicht so überstürzt zu werden,« meinte Baron Zobel; und der Justizrat stimmte ihm bei und sagte:

      »Ich finde auch, darüber kann man doch in ein paar Tagen in aller Ruhe sprechen.«

      »Wie denn?« fragte Frau Julie und glaubte, sie habe ihren Bruder falsch verstanden. »In ein paar Tagen? Du sagtest doch, Peter sei morgen Nacht schon in Genf,« wandte sie sich fragend an den Medizinalrat.

      »Gewiß,« sagte Zobel. »Das stimmt schon.«

      »Nun also!« erwiderte Frau Julie.

      »Das bedingt doch aber nicht, daß ihr nun auch alle gleich am selben Tage dort sein müßt.«

      »Bei einer fünfjährigen Trennung,« stimmte der Justizrat seinem Neffen, dem Baron Zobel, bei, »spielen ein paar Wochen mehr am Ende auch keine Rolle.«

      »Kinder! ich will euch mal was sagen,« erklärte Frau Julie bestimmt. »Ich begreife durchaus euren Standpunkt, der auf den ersten Blick vielleicht sogar die Logik für sich hat. Aber, wo Gefühle sprechen, setzt bekanntlich die Logik aus. Ich fahre!! Und zwar so, daß ich möglichst noch vor Peter in Genf bin.«

      »Das ist unmöglich,« erwiderte der Medizinalrat. »Du könntest ihm schon rein zeitlich nur bis Luzern entgegenfahren. Aber auch das erreichst du kaum, da du zur Reise einen Paß benötigst.«

      »Den ich mir innerhalb einer Stunde verschaffen kann,« erwiderte Frau Julie. »Also nochmals, Kinder: ich reise! und von euch braucht mich niemand zu begleiten. Ich nehme mir meine Jungfer und meinen Diener mit. Ihr braucht meinetwegen also keinen Augenblick in Sorge zu sein.«

      Hilde und Ilse suchten zu widersprechen. Aber Frau Julie ließ keinen Einwand gelten, und als sie schließlich sagte:

      »Im übrigen ist es auch nur das Natürliche, daß Peter nach so langer Trennung zuerst einmal mit seiner Mutter allein ist,« erwiderte der Landrat:

      »Jewiß! An sich schon. Luzern ist ja schließlich nicht Costarika. Man bleibt sich in erreichbarer Nähe. Und gegen das Tempo wäre auch nichts einzuwenden. Denn, daß wir den Jungen in die Finger bekommen ehe etwa fremde Einflüsse auf ihn einwirken, das scheint mir bei seiner Sensibilität . . .«

      »Wie bitte?« unterbrach ihn frotzelnd der Medizinalrat. »Darf ein derart tollwütiger Vaterlandsparteiler . .«

      »Erlaub’ mal!« setzte sich der Landrat zur Wehr.

      »Verzeih, lieber Neffe! wenn ich nicht fürchten müßte, dein patriotisches Gefühl zu verletzen, so hätte ich natürlich gesagt: darf ein so fanatischer Sprachreiniger wie du Worte wie Sensibilität gebrauchen?«

      Der Landrat stutzte und verbesserte schnell:

      »Ae . . . ich . . . e . . . meine natürlich . . . na, wie sagt man gleich?«

      »Empfindsamkeit,« sprang ihm seine Frau bei.

      »Richtig!« erwiderte der Landrat. »Ganz recht! das wollte ich natürlich sagen: Empfindsamkeit. Also bei seiner Empfindsamkeit – obgleich das Wort wohl doch nicht ganz das trifft, was ich eigentlich sagen wollte . . .«

      »Ah!« rief lachend der Medizinalrat.

      »Also jedenfalls bei seiner Veranlagung, die sich in den Jahren gewiß noch stärker ausjeprägt hat, halte ich es für durchaus notwendig, daß ihn gleich bei seiner Ankunft einer von uns in die Finger bekommt.«

      »Nun also,« sagte Frau Julie.

      »Nur, ob du da die Geeignete bist – nimm’s mir nicht übel, Mama, – bei aller Hochachtung, aber das glaube ich nicht.«

      »Wie? ich, seine Mutter, wäre nicht die Geeignete? – Ja, Anton, ist es denn möglich, daß du das im Ernste sagst?« fragte Frau Julie entsetzt.

      »Du


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