Die indischen Eskimos. Emil Robert Kraft

Die indischen Eskimos - Emil Robert Kraft


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geräumigen Tropfsteinhöhle.

      Neblig und sehr heiß war es hier allerdings auch noch, denn hier entsprang die kochende Quelle einer Felsenspalte, aber es war doch noch auszuhalten, denn oben an den Wänden und an der Decke befanden sich mehrere Oeffnungen, die für frische Luft und Licht sorgten.

      Zunächst entdeckte Richard, daß sie nicht die einzigen Menschen waren, die hier Zuflucht vor dem Unwetter gefunden hatten. Eine ganze Familie von Malangos, bestehend aus zwei Männern, vier Frauen und fünf Kindern, befand sich noch in der Höhle.

      Sie waren auf Wanderung gewesen und hatten, da ihre Furcht vor dem drohenden Orkane größer war, als die vor Geistern, hier Schutz gesucht.

      Richard war sehr enttäuscht; er fand, daß die Malangos einer ihm nicht unbekannten Menschenrasse angehörten, und erkannte in ihnen echte Indier, welche noch von keiner Kultur berührt worden waren. Ihre Waffen bestanden aus Axt, Messer, Pfeil und Bogen, und zwar vertrat die Stelle des Stahles ein sehr harter, grüner Stein, den sie zu bearbeiten verstanden. Soliman redete ihre Sprache; durch seine Vermittlung konnte sich Richard mit ihnen unterhalten. Ihr Leben fristeten sie ausschließlich von der Jagd; als Zukost aber dienten Beeren und Früchte, die ihnen ja in den Mund wuchsen. Unseßhaft zogen sie in der Wildnis umher und kannten nicht einmal eine Hütte, sondern höchstens ein Rindendach zum Schutze gegen den Regen.

      Sie hatten eine Antilope erlegt, von der sie jetzt eine Keule kochten, indem sie dieselbe einfach in das siedende Wasser legten. Es bereitete ihnen anscheinend eine große Freude, den fremden Gästen davon anbieten zu können.

      Nach dem Abendbrote, zu welchem Richard auch die mitgebrachten Konserven hatte wärmen lassen, verteilte er Tabak, den die Malangos als wilde Pflanze kannten und jetzt aus Steinpfeifen rauchten, und nachdem er dann noch die Höhle untersucht hatte, legte sich ein jeder auf den ihm passendsten Platz, und bald waren sie alle in tiefen Schlaf gesunken.

      Draußen aber wütete noch immer ein furchtbarer, von Regengüssen begleiteter Orkan.

      Eis und Schnee

      Richard erwachte. Bis auf das Hemd entkleidet lag er weit ab von der kochenden Quelle; dennoch aber war er über und über mit Schweiß bedeckt. Er hatte sehr gut geschlafen und fühlte sich, als hätte er ein Dampfbad genommen, wie neugeboren.

      Ein Blick auf seine Taschenuhr sagte ihm, daß es schon neun Uhr sei. Da hatte er es einmal gründlich verschlafen! Diese feuchte Hitze übte eben auch die ermüdende Wirkung eines Dampfbades aus.

      Was machten denn aber seine Malayen und die Eingeborenen? Seltsam, wie sich diese verhielten! Sie schliefen nicht mehr, sie lagen alle langausgestreckt auf dem Bauche, hatten das Gesicht auf die Erde gepreßt und wimmerten und stöhnten. Auch die Kinder befanden sich anscheinend in einer sehr verzweifelten Gemütsstimmung. Nur das jüngste, etwa zwei Jahre alte machte eine Ausnahme. Es schrie aus Leibeskräften und hatte dadurch auch Richard geweckt.

      Dieser stand jetzt auf und rüttelte Soliman an der Schulter.

      „Was giebt es denn? Soliman, bist Du krank?“ fragte er besorgt.

      „O, Sahib,“ stöhnte der Gefragte, „das Ende der Kulpa ist gekommen, Vritra hat Indra besiegt.“

      In dem Munde Solimans, der ein Mohammedaner war, mußten die Worte ,Kulpa‘, ,Vritra‘, ,Indra‘, die der buddhistischen Götterlehre angehören, einigermaßen befremden; aber dort in Indien ist der mohammedanische Glaube schon stark mit dem Buddhismus vermischt. Dieser teilt die Entwicklungsgeschichte der Welt in mehrere Perioden. Eine derselben, die einen Zeitraum von vielen Hunderttausenden von Jahren umfaßt, ist die Kulpa, an deren Anfang Indra, der gute und höchste Gott, die Erde schuf, die Vritra, das böse Element und besonders das Symbol der Dürre, haßt, weshalb beide Götter beständig miteinander im Kampfe liegen, bis schließlich am Ende der Kulpa Vritra siegt und die Erde wieder vernichtet wird.

      „Die Malangos haben recht,“ murmelte ein anderer Malaye, „wir haben die heilige Grotte entweiht, die Götter rächen sich, wir dürfen sie lebendig nicht wieder verlassen.“

      Mehr war aus ihnen nicht herauszubringen, das Entsetzen, Stöhnen und Wimmern war allgemein. Was war da passiert?

      Hastig kleidete sich Richard an, um hinauszugehen, denn wenn es auch draußen noch so warm sein mochte, er mußte sich doch, wenn er den heißen Raum verließ, vor einer Erkältung hüten.

      „Gehe nicht hinaus, Sahib,“ warnte Soliman, „draußen lauert Vritra, um Dich zu töten.“

      Eine nähere Erklärung gab er nicht, und deshalb gerade ging Richard nun erst recht. Sturm und Regen mußten ja aufgehört haben, man hätte sonst wohl hier drinnen etwas davon vernommen. Außerdem drangen auch durch die oberen Löcher der Höhle freundliche Sonnenstrahlen herein. Wie schade, daß man nicht hinaussehen konnte und die Spalten sich zu hoch in der unersteigbaren Wand befanden!

      Richard drang also durch den heißen Nebel, der den etwa zehn Meter langen Gang erfüllte, hindurch und erreichte das Freie. Hier konnte er zuerst allerdings noch nichts sehen, aber als er noch etwas seitwärts ging und der Nebel sich lichtete, da kam es ihm plötzlich so sonderbar kalt vor, trieb ein Windstoß den Nebel davon, und – –

      Richard erstarrte vor Schreck einen Moment wie zur Salzsäule, und wenn er sich dann auch die Augen rieb und an der Nase zupfte, um sich zu überzeugen, daß er nicht schlafe, das Wunder, das er jetzt erblickte, blieb bestehen.

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