Der Minnesänger. Hendrik Conscience

Der Minnesänger - Hendrik Conscience


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und Zunder bei sich und wußte, daß ein helles Ferner in dunkler Nacht das räuberische Gethier abschreckt und und in angemessener Entfernung hält.

      Er raffte trockne Blätter und Reisig zusammen und bemühte sich lange vergebens, sie anzuzünden. Das Heulen der Wölfe kam inzwischen immer näher, doch halt, da flammte sein Feuer auf! und damit war, wie er glaubte, die nächste Gefahr beseitigt, da die wilden Thiere dreist und verwegen werden, je nachdem die Dunkelheit der Nacht sich steigert; er hatte jetzt doch ausreichende Zeit seine Vorsichtsmaßregeln zu treffen.

      Sogleich begann er, vermittelst seines Hirschfängers dürre Zweige abzuschlagen und eine große Menge Holz und Reiser zu sammeln; in einiger Entfernung von dein ersten Feuer errichtete er davon drei Haufen, die er gleichfalls in Brand setzte. So befand er sich samt seinem Pferde inmitten einer Befestigung, deren flammende Brustwehr alles räuberische Gethier abwehren mußte.

      Als er diese beschwerliche Arbeit vollendet hatte, war die Nacht bereits weit vorgeschritten Wilfried setzte sich an das mittlere Feuer, den Hirschfänger quer über die Kniee gelegt und bereit, sich gegen jedweden Angriff zu vertheidigen. Da er aber nach Verlauf einer geraumen Zeit die Überzeugung gewann, daß er einstweilen nichts zu befürchten hatte, vergaß er die wilden Thiere und versank wieder in tiefes Nachdenken über sein trauriges Loos und über die Zukunft welcher er entgegenging.

      Was sollte er beginnen? In fremden Landen sollte er umherirren, fünf lange Jahre hindurch, ohne von seinen Eltern ein Lebenszeichen in erhalten, ihrer Hilfe, ihres Beistandes gänzlich beraubt. Wie und wovon sollte er leben? In seiner Eile beim Aufbruch zur Jagd hatte er vergessen, Geld einzustecken. Betteln konnte er doch nicht, und in die Dienste eines Ritters treten eben so wenig, denn dann war er nicht sein eigener Herr und er mußte ja beständig reisen und oft seinen Wohnort wechseln, damit er unerkannt blieb und sein Geheimniß nicht verrathen würde.

      Endlich nach dem er lange hin und her überlegt, trat ein trübes Lächeln auf seine Lippen.

      Minnesänger und Dichter werden überall in Burgen und Schlössern gern und freudig empfangen,« murmelte er vor sich hin, »Ritter und Edelfrauen schätzen es sich zur Ehre, Schützer der schönen Künste zu sein und beschenken nicht selten mit reicher Gabe den Künstler, der ihnen das Herz gerührt und erfreut hat . . . Man rühmte bisher von mir, daß ich ein guter Sänger sei, ich weiß viel schöne Sprüche und bin in der Dichtkunst nicht unerfahren. Das ist eine Eingebung des Himmels! Ich will Minnesänger werden, Ritter und Edelfrauen durch Gesang und Saitenspiel erfreuen und mich so wenigstens vor Noth geschützt in der Welt umhertreiben.«

      Beinah die ganze Nacht brachte er damit hin, über sein Verhalten während der nächsten Zeit zu grübeln und wiederholt noch füllten sich seine Augen mit Tränen, wenn er des Kummers seiner Eltern gedachte.

      Endlich drang der erste Schein der Morgendämmerung in den Wald, die Raubthiere stellten ihr Heulen ein und verkrochen sich in ihre Schlupfwinkel. Jetzt erst wagte Wilfried die Augen zu schließen, von geistiger und körperlicher Ermattung überwältigt sank er in einen tiefen, doch unruhigen Schlaf, der von ängstlichen Träumen durchwoben war.

      Als er am Morgen erwachte betrachtete er schaudernd seine Hände um zu sehn, oh sie wirklich mit Blut befleckt seien; es hatte ihn geträumt, daß er in einem Anfall wahnsinniger Raserei seinem Vater den Schädel gespaltet und seinen Leichnam durch das Fenster in den Schloßgraben geworfen hätte.

      Lange versuchte er vergebens, das schreckliche Traumbild aus seinem Geiste zu bannen; endlich kehrte dass volle Bewußtsein der Wirklichkeit zurück; er schob seinem Pferde den Zaum in den Mund und führte es in nordöstlicher Richtung durch den Wald.

      Es war ihm bang und schwer ums Herz, er seufzte oft und warf einen flehenden Blick zum Himmel, als wollte er ihm die Noth seiner gequälten Seele klagen.

      Nachdem er mehr als eine Stunde sich durch die Wildnis; mühsam weiter bewegt hatte, gewahrte er einen gebahnten Weg; er sprang in den Sattel, drückte dem Pferde die Sporen in die Weichen und trieb zugleich durch ermunternde Worte an, seinen Lauf so viel als möglich zu beschleunigen.

      Die Sonne neigte sieh bereite abwärts auf ihrer Himmelsbahn, als er aus dem Walde kam und eine unermeßliche Ebene längs der Ufer eines klaren Stromes sich ausdehnen sah. In der Ferne bemerkte er einen viereckigen Thurm, der sich aus einer großen Häusermenge erhob.

      Dort mußte eine große Stadt sein, in der er finden konnte, was ihm für seinen Beruf als Minnesänger nothwendig war.

      Der Erste, der ihm begegnete, antwortete auf des jungen Ritters Frage nach dem Namen der Stadt, daß sie Harlebeca heiße und daß der Leye-Strom an ihr vorüberfließe.

      Nicht ohne Furcht, und mit großer Vorsicht näherte sich Wilfried dieser Residenz der mächtigen Grafen von Flandern. Konnte er nicht, falls der Fürst jetzt dort Hof hielt, Edelleute treffen, die ihn zu Iserstein oder auf Turnieren gesehn? That er nicht bester, zu warten bis der Abendschein ihn weniger kenntlich gemacht, ehe er die Thore der Stadt durchschritt?

      Unter dem Einfluß dieses Gedankens trat er in eine am Wege liegende Herberge; er ließ sich eine karge Mahlzeit und einen Becher Wein bringen und sprach dann dem Wirth seine Absicht aus, sein Pferd zu verkaufen.

      Der Mann, dessen Bewunderung das edle Thier trotz seines erschöpften Zustandes schon erregt hatte, bot eine geringe Summe dafür, die Wilfried nichtsdestoweniger bereitwillig annahm.

      Abends ging er dann in die Stadt und veräußerte bei einem lombardischen Schacherjuden seinen Hirschfänger, seine goldenen Sporen, sein Panzerhemd und was er sonst noch von ritterlichen Abzeichen an sich trug, und kaufte statt dessen nicht allein die bescheidene Kleidung die dem Minnesänger gebührte, sondern auch eine Leier oder bogenförmige Harfe, um seine Lieder mit Saitenspiel begleiten zu können.

      Dann kehrte er wieder in seine Herberge zurück und genoß eines minder unruhigen Schlafes, bis er durch das Krähen der Hähne, das Bellen der Hunde und das Geräusch an die Arbeit gehender Leute geweckt wurde.

      Noch einmal ging er in den Stall, streichelte sein treues Pferd zum Abschied und machte sich dann mit schwerem beklommenen Herzen auf den Weg.

      In die Stadt ging er nicht wieder, sondern liest sich in einem Kahn über den Fluß setzen und begann am jenseitigen Ufer mit einem tiefen Seufzer und einem flehenden Blick zum Himmel seine Reise durch die Welt als Minnesänger.

      Fand er nun Einlaß in eine Burg und Gelegenheit, mit seiner kräftigen und Zugleich lieblichen Stimme seine Lieder zu singen, so behielt man ihn oft wochenlang dort und behandelte ihn mit Freigebigkeit und Güte.

      Aber nicht immer wurde ihm durch Ritter und Edelfrauen ein gastlicher Empfang; oft wies man ihn barsch zurück, sei es, weil die Herrschaft abwesend, sei es daß man zu Lust und Fröhlichkeit nicht aufgelegt war. Dies kränkte ihn so sehr, dass er, so lange sein kleiner Geldvorrath reichte, am liebsten des Nachts in einer Dorfherberge ein Unterkommen suchte.

      Nur zu bald kam aber der Augenblick, wo er sein letztes Kupferstücken verschwinden sah. Wie sehr er sich auch gedemüthigt fühlte mußte er von nun ab um des täglichen Brodes willen von Burg zu Burg sich anbieten, gleichviel ob man ihn freundlich aufnahm und ehrte, oder ob man ihm zerstreut zuhörte und mit leeren Händen die Thür wies, wenn das man ihn überhaupt eingelassen hatte; er mußte mit Allem vorlieb nehmen.

      Diese tiefe Erniedrigung, dazu die beständige Furcht, daß der Fluch dennoch sich erfüllen könnte und der Gedanke an seine Eltern und ihren Schmerz, Alles das beugte ihn nieder und raubte ihm jeden Muth.

      Viele Monate war er bereits so umhergeirrt, ohne anderen Zweck als sich möglichst weit von der Heimath zu entfernen, wenig bewohnte Gegenden zu durchziehn und unerkannt zu bleiben.

      Einst, nachdem er eine Zeitlang nur schlechte Tage gehabt und auf den Burgen kaum genug erhalten hatte, seinen Hunger zu stillen, begab er sich in eine kleine Stadt, in der Hoffnung, dort glücklicher zu sein.

      In der That feierte matt hier eben die Hochzeit des Markgrafen von Arlen mit dem Edelfräulein von Wilz und verhieß eine reiche Gabe jedem Sänger, der Beweise besonderer Begabung und Kunst ablegen würde.

      Furchtsam und zögernd bot Wilfried seine Dienste an, und als an ihn die Reihe kam sang er solch herrliches


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