Die blinde Rosa. Hendrik Conscience

Die blinde Rosa - Hendrik Conscience


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That gesagt, daß ich, als ich sechs Jahre alt war, beinahe im großen Torfmoor umgekommen wäre. Aber der lange Jan war es, der mich heraus geholt bat – und der ist in der französischen Zeit unter Napoleon mit dem anderen Kanonenfutter fortgezogen. Wer weiß wo sein Leichnam jetzt in ungeweihter Erde ruhet! Gott möge seiner armen Seele gnädig sein!

      – Ah! Ah! rief der Fremde jauchzend. nun erkennt Ihr mich! ich bin der lange Jan oder besser Jan Slaets von dem hohen Dries.

      Und da er keine augenblickliche Antwort bekam, sprach er verwundert:

      – Erinnert Ihr Euch denn des Scharfschützen aus der Muschengilde nicht mehr? . . . der vier Stunden in der Runde als der beste Jäger gerühmt war? der im sicherem Schusse nicht seines Gleichen fand, und von allen anderen jungen Burschen beneidet ward, weil die Mädchen ihn so gern sahen? Das bin ich, Jan Slaets von dem hohen Dries.

      – Es ist möglich, antwortete der Pachter misstrauisch, aber ich erkenne Euch doch nicht, Mynheer, ohne daß Ihr das übel nehmen müßt. Es ist keine Muschengilde in unserer Gemeinde, und wo ehemals der Schießplatz war, da steht jetzt ein Landhaus, was seit vorigem Jahre unbewohnt ist, denn Mevrouw ist gestorben.

      Durch die Kälte des Pachters entmuthigt, machte der Reisende keinen Versuch mehr, sich von ihm wieder erkennen zu lassen.

      – Im Dorfe wohnen noch viele meiner Freunde, die mich nicht vergessen haben können, sagte er ruhiger, während er aufstand und sich zum Gehen anschickte; Ihr, Peer Joostens, wart noch zu bitter jung, als das geschah. Aber Ziegelbrenners Pauwel wird mir, ich bin davon überzeugt, um den Hals allen, sobald er mich sieht. Wohnt er noch immer im Moor?

      – Die Ziegelbrennerei ist längst abgebrannt; die Thongruben sind zugeworfen. Dort grünt nun das schönste Heu der ganzen Gemeinde. Es ist die Weide des reichen Tist.

      – Und wo ist Pauwel geblieben?

      – Die ganze Familie ist nach dem Unfalle von hier fortgezogen: ich weiß es nicht . . . todt, ohne Zweifel! Aber, ich höre wohl, Mynheer, Ihr sprecht von Großvaters Zeiten, und es soll Euch wohl schwer fallen, eine genaue Antwort aus alle Eure Fragen zu erhalten, wenn Ihr nicht zu unserem Todtengräber gehen wollt. Der kann Alles am Daumen herzählen, was sich seit hundert Jahren und länger zugetragen hat!

      – Ich glaube es wohl, Pachter; Peer Jan muß jetzt mehr als neunzig Jahre alt sein.

      – Peer Jan? So heißt unser Todtengräber nicht. Lauw Stevens ist sein Name.

      Ein freudiges Lächeln flog über das Gesicht des Reisenden.

      – Gott sei Dankt rief er aus, daß er wenigstens einen meiner Kameraden verschont hat!

      – Ist Lauw denn Euer Freund gewesen, Mynheer!

      – Mein Freund« antwortete der Reisende kopfschüttelnd, das will ich nicht sagen, da wir alle Zeit mit einander kämpften und im Streite lagen: es waren Liebeshändel. Ich weiß noch, daß ich ihn einst im Streit von der Brücke beim Kalvermoor in den Bach geworfen habe, daß er beinahe ertrank; – aber das ist länger denn dreißig Jahre her. Lauw wird sich freuen mich wieder zu sehen. Nun, Pachter Joostens, gebt mir Eure Hand; ich werde künftig oft ein las Bier hier trinken.

      Er bezahlte, nahm seine Reisetasche unter den Arm und schritt zur Thüre hinaus. Hinter der Herberge schlug er einen Weg ein, der zwischen jungem Nadelholze fortlief.

      Wie wenig erfreulich die Eröffnungen des Pachters auch waren, so hatten sie doch Trost und Freude in das Herz des Reisenden gegossen. Ein süßer Hauch von früheren Jahren ging um ihm auf, und unter der Fluth von Erinnerungen, die bei jedem Schritte in seinem Geiste auftauchten, fühlte er sich wie neu geboren. Das junge Nadelholz indessen, was ihn auf allen Seiten umgab, war ihm fremd; hier hatte einst ein hoher Tannenwald gestanden, dessen Bäume so viele Vogelnester trugen; an dessen Rande die Erdbeere so mild reifte! Aber es war mit dem Walde gegangen wie mit der Bevölkerung des Dorfes: die alten Bäume waren abgestorben oder umgehauen worden, und ihre Söhne hatten den Platz eingenommen, um einen neuen Lebenslauf zu durchlaufen. Sie waren Fremdlinge für den Reisenden und ihm mithin ganz gleichgültig. Aber der Gesang der Vögel, der von allen Seiten aus den Laube hervordrang, war noch derselbe; auch das klagende Sausen des Windes, der die Nadeln der Bäume bewegte auch das Zirpen der Heuschrecken; auch die Haideluft mit ihren lieblichen Düften: – Die Gegenstände waren verändert, die ewigen Wirkungen der Natur waren in Allem dieselben geblieben! Derartige Gedanken erzeugten sich im Geiste des Reisenden; und obschon heiter und fröhlich wandelte er doch seinen Weg fort ohne vom Boden aufzublicken bis er das Nadelgehölz hinter sich sah.

      Hier breitete sich eine Reihe von Feldern und Weiden vor ihm aus, zwischen denen sich ein Bach in angenehmen Windungen dahin schlängelte; dahinter, vielleicht in einer Entfernung von einer Viertelstunde, erhob sich der spitze Kirchthurm mit dem vergoldeten Hahne, der wie ein Tagesstern im Sonnenlichte erglänzte; noch etwas ferner drehte die schöne Windmühle ihre rothen Flügel.

      Wie durch einen unbegreiflichen Eindruck überrascht, blieb der Reisende plötzlich stehen. Seine Augen wurden feucht, er ließ die Reisetasche zu Boden fallen und breitete die Hände aus, während der Ausdruck der Liebe und der innigsten Seelenfreude sein Angesicht überstrahlte.

      In diesem Augenblicke läutete die Beiglocke das Angelus.

      Der Reisende kniete nieder, bog das Haupt tief auf die Brust und blieb so eine Weile bewegungslos, doch sichtbar bebend, in seiner Rührung verharrend. Ein Gebet strömte ihm von Herz und Lippen; dies war unverkennbar als er sein Auge voll leidenschaftlicher Dankbarkeit zum Himmel aufschlug und die gefalteten Hände zu Gott empor hob. Dann, seine Reisetasche wieder aufnehmend, schritt er ungeduldig weiter, und während er seinen Blick aus den Thurm gerichtet hielt, sprach er:

      – Du, zum wenigsten, bist nicht verändert, kleine, niedrige Kirche, wo ich getauft wurde, wo Alles bei meiner ersten Communion so voll Freude that, wo Alles so wunderbar, schön und heilig war . . . Ah! ich werde es noch wieder sehen das heilige Marienbild mit seinem goldenen Kleide und seiner silbernen Krone, den heiligen Antonius mit seinem hübschen Ferkel und den schwarzen Teufel mit seiner rothen Zunge, wovon ich so oft schon räumte! . . . Und die Orgel, aus der der Küster Sus so schön spielen konnte, während wir mit lauter Stimme sangen!

      Ave Maria,

      Gratia plena!

      Die letzten Worte sang der Reisende laut; aber diese Erinnerung mußte ihn tief berühren, denn aus seinem Auge rollte eine glänzende Thräne. Schweigend schritt er in Selbstvergessenheit fort bis er an eine kleine Brücke gelangte, die über den Bach auf eine moorastige Weide führte.

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