König Lear der Steppe. Иван Тургенев
Kopf zitterte vor Diensteifer, seine, riesigen Hände klapperten an den Seiten und seine ganze Haltung schien auszurufen: »Befiehl und ich folge blindlings!« Meine Mutter urtheilte richtig über seine Fähigkeiten, was übrigens sie nicht hinderte, an seiner Verbindung mit Eulampia zu arbeiten.
»Wirst Du nur mit ihr fertig werden, mein Lieber?« fragte sie ihn einst.
Gitkoff lächelte selbstzufrieden.
»Erlauben Sie, Natalia Nikolaewna! Eine ganze Compagnie habe ich in Ordnung gehalten, wie nach Nöten mußten die Kerls bei mir tanzen. Was bedeutet dem gegenüber ein Mädchen! Rein gar nichts!«
»Das war eine Compagnie, mein Lieber, hier handelt es sich um ein adeliges Mädchen!« bemerkte die Mutter unzufrieden.
»Erlauben Sie, Natalia Nikolaewna!« rief er wieder. »Das zu verstehen bin ich vollends im Stande. Mit einem Wort: sie ist ein Fräuleins ein zartes Wesen . . .«
»Uebrigens,« entschied die Mutter, »wird sich Eulampia nicht leicht etwas anthun lassen.«
X
Einst, es war Mitte Juni und bereits gegen Abend, meldete der Diener die Ankunft von Martin Petrowitsch. Meine Mutter war erstaunt; wir hatten ihn zwar eine Woche lang nicht gesehen, aber er besuchte uns nie so spät. »Es ist etwas vorgefallen!« rief sie halblaut. Das Gesicht von Martin Petrowitsch, als er sich in das Zimmer hereinwälzte und sofort auf den Stuhl bei der Thür niederließ, hatte einen ungewohnten Ausdruck, es war so nachdenkend und selbst bleich, daß die Mutter unwillkürlich und laut ihren Ausruf wiederholte.
Martin Petrowitsch glotzte sie mit seinen kleinen Augen an, schwieg, holte tief Athem, schwieg wieder und erklärte endlich, daß er gekommen sei in einer Angelegenheit . . . welche derartig sei . . . daß in Folge dessen . . . Nachdem er diese Worte unverbunden ausgestoßen, erhob er sich plötzlich und ging zur Thür hinaus.
Die Mutter klingelte und befahl dem hereintretenden Diener, sofort Martin Petrowitsch einzuholen und ihn durchaus wieder zu ihr zu führen, doch dieser hatte sich bereits auf seinen Wagen gesetzt und war davon gefahren.
Am nächsten Morgen war meine Mutter, die durch das seltsame Benehmen und den ungewöhnlichen Gesichtsausdruck des Martin Petrowitsch befremdet, ja erschreckt worden, eben im Begriffe, Jemanden zu ihm zu schicken, als er plötzlich selbst erschien.
Dieses Mal war er, wie es schien, ruhiger.
»Erzähle, mein Lieber,« erzähle, rief meine Mutter, als sie ihn sah, »was ist mit Dir geschehen? Ich habe wirklich gestern Zweifel gehabt, ob nicht unser alter Riese seinen Verstand verloren habe?«
»Meinen Verstand, gnädige Frau, habe ich nicht verloren,« antwortete Martin Petrowitsch. »Das kann Anderen, aber mir nicht widerfahren! Ich muß mich aber mit Ihnen berathen.«
»Worüber?«
»Nur zweifle ich, daß es Ihnen angenehm sein werde . . .«
»Sprich nur, sprich, mein Lieber, aber einfacher. Rege mich nicht auf. Wozu sprichst Du in dieser Weise? Rede einfacher. Oder hat Dich vielleicht Deine Melancholie wieder heimgesucht?«
Charloff wurde finster.
»Nein, nicht die Melancholie – die kommt zu mir nur um Neumond; aber erlauben Sie, gnädige Frau, Sie um ihre Meinung hinsichtlich des Todes zu befragen?«
Meine Mutter fuhr auf.
»Worüber?« frug sie erstaunt.
»Ueber den Tod. Kann der Tod sich irgend Jemandes auf dieser Welt erbarmen?«
»Was hast Du da ausgedacht, Väterchen? Wer von uns ist unsterblich? Magst Du selbst als Riese auf die Welt gekommen sein, aber auch für Dich gibt’s ein Ende,«
»Ein Ende, ja ein Ende!« wiederholte Charloff und hielt ein. »Ich habe ein Traumgesicht gehabt . . . « sagte er nach einer Pause.
»Was sagst Du?« unterbrach ihn die Mutter.
»Ein Traumgesicht,« wiederholte er, »ich bin ja ein Traumseher.«
»Du?«
»Ich! wußten Sie es nicht?« Charloff holte Athem. »Ja so war es . . . Etwa vor einer Woche, gnädige Frau – es war grade der Vorfastentag zum Petri-Fasten, – da hatte ich mich nach dem Mittag essen, ein wenig auszuruhen, hingelegt und bin dabei eingeschlafen. Da erscheint mir ein schwarzes Fohlen; es läuft in mein Zimmer hinein auf mich zu; läuft wie spielend umher und weist mir die Zähne. Pech schwarz war dieses Fohlen!«
»Und weiter?« rief die Mutter.
»Und wie mit einmal wendet sich dasselbige Fohlen um, schlägt aus und trifft mich grade an die empfindlichste Stelle des Arms, am linken Ellbogen! . . . Ich wache auf, meine Hand bewegt sich nicht, der Fuß ebenfalls nicht. Es ist der Schlag, glaube ich; aber nein, ich habe mich ausgereckt und bin wieder in Bewegung gekommen, nur ein Knistern lief mir durch die Glieder, das fühle ich auch jetzt noch. Oeffne ich die Hand, da knistert es sogleich.«
»Martin Petrowitsch, die Hand ist Dir eingegeschlafen.«
»Nein, gnädige Frau, Sie urtheilen falsch. Es war eine Vorbedeutung . . . mich nämlich vor dem Tode zu warnen.«
»Unsinn!« warf meine Mutter ein.
»Eure Warnung! Bereite Dich vor, Sterblicher! Und daher, gnädige Frau, habe ich Ihnen, ohne weiter zu zögern, Folgendes mitzutheilen »Nicht wollend,«« schrie plötzlich Charloff, »daß dieser selbige Tod mich, den Knecht Gottes, unvorbereitet ereile, habe ich in meinem Sinne Folgendes beschlossen: Schon jetzt bei meinem Leben, mein Eigenthum zwischen meine beiden Töchter Anna und Eulampia zu theilen, wie es mir der Herrgott in’s Herz legen wird.« Martin Petrowitsch hielt inne, ächzte und fügte hinzu: »Ohne weiter zu zögern.«
»Nun, das ist eine gute That!« bemerkte die Mutter, »nur beeilst Du Dich damit umsonst.«
»Und da ich diese Angelegenheit,« fuhr noch lauter Charloff fort, »mit nöthiger Ordnung und Gesetzlichkeit zu Ende führen will, so bitte ich höflichst, Ihren Sohn Dmitri Semenowitsch – Sie selbst zu belästigen, gnädige Frau, wage ich nicht – bitte also diesen Sohn Dmitri Semenowitsch, meinem Verwandten Bitschkoff aber lege ich es geradezu zur Pflicht auf, bei der Vollziehung des formellen Actes, sowie bei der Uebergabe der Güter an meine beiden Töchter zugegen zu sein, welcher Act übermorgen, um zwölf Uhr, in dem mir gehörigen Gut Eskowo, auch Kosülkino genannt, bei Anwesenheit der zuständigen Behörden, wie sonstiger Zeugen, die bereits eingeladen sind, zu geschehen hat.«
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