Eine gefährliche Unschuld. Louis Ulbach

Eine gefährliche Unschuld - Louis Ulbach


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Wesen sein Herz nur von Einer Leidenschaft durchglüht. Und doch wäre jedes dieser liebenswürdigen Kinder mit Vergnügen bereit gewesen, die siegesgewisse Freundin ein wenig in Angst zu versetzen.

      Unser Freund Germanet hatte mittlerweile pflichtgemäß und gewissenhaft die Runde bei der Hausfrau und einigen hervorragenden Clienten gemacht und dirigirte nun seine Zenobia nach der hinteren Sitzreihe, in die Region der erhaben thronenden Göttinnen, wohin sich aber die Liebe auf der Fährte der Schönheit niemals verirrt. Dann glitt der würdige Notar, nach allen Seiten verbindlich lächelnd, weiter bis zu Herrn von Corval, dessen beide Hände er in die seinigen nahm, um das an der Thür abgebrochene Gespräch fortzusetzen.

      Nun, lieber Oberst, der große Tag naht also heran. Den Contract habe ich aufgesetzt, er könnte nicht besser abgefaßt werden. Und ein Stil! Nun, Sie werden ja selbst sehen. All die garstigen Erbschafts-Waldungen, um die wir processiren sollten, haben sich unter meiner Feder in ein reizendes Wäldchen verwandelt, das Sie nicht mehr schlagen zu lassen brauchen, in dem Sie aber alle Ihre Turteltauben fliegen lassen können. Welch schönes Myrtenreis flicht sich jetzt durch Ihren Lorbeerkranz, Herr Graf!

      Ich fühle mich sehr glücklich, Herr Germanet, und erinnere mich gerne daran, daß ich Ihnen, dem besten und redlichsten aller Menschen, zunächst dies Glück verdanke.

      O, Sie schmeicheln mir, Herr Oberst!

      Durchaus nicht. Wissen Sie, was ich gerade dachte, als Sie vorhin kamen? Ich erinnerte mich, wie oft ich schon geglaubt habe, die wahre Liebe zu empfinden, und das kommt mir jetzt gerade vor, als hätte ich ein kleines Ritornell für eine Symphonie gehalten. Seit diesem Abend erst durchdringt mich die namenlose Wonne, deren Süßigkeit einmal im Leben über den Menschen kommt, wenn er sie nicht ungläubig verkennt oder gar sträflicherweise entfliehen läßt.

      Sie werden ja vollständig zum Poeten, theurer Graf. Man sollte Ihnen wahrhaftig statt Ihres Dollmans eine Leier über die Schulter hängen.

      Ueber diesen kleinen literarischen Scherz, der ihn einige Anstrengung gekostet hatte, brach Herr Germanet selbst in ein behagliches Lachen aus.

      Der Oberst hatte nicht darauf gehört.

      Ach, lieber Freund, fuhr er mit einer Vertraulichkeit fort, über die der Notar ganz roth vor Stolz wurde, was für eine herrliche Sache ist doch die Ehe! Früher glaubte ich auch, ein Offizier solle nur mit seinem Degen verheirathet sein, und in unsern tollen Garnisonsnächten erklärten wir den Ehestand lachend für eine Art Vertrag von 1815, den man hält, bis die Gelegenheit kommt, ihn zu drehen. Aber nun, seitdem diese neue süße Hoffnung mein Herz bewegt, bin ich völlig zum Ehefanatiker geworden, und wahrhaftig, es sollte sich jetzt Niemand in meiner Gegenwart ungestraft über einen Stand lustig machen, der, man mag sagen, was man will, doch der beglückendste und vernünftigste, von allen ist.

      Germanet nickte zustimmend mit dem Kopfe, konnte sich aber dennoch nicht enthalten, unwillkürlich einen Blick seitwärts nach der Aehrenkrone zu senden, in welchem ein heimlicher Protest gegen die soeben vernommenen Paradoxen zu lesen war.

      Und ist nicht Clara wirklich die Schönste und Reizendste von Allen? fuhr Arthur fort, indem er sich näher zu Germanet? Ohr beugte. Sehen Sie nun Germanet, mit welch stolzer Grazie sie ihre Freundinnen begrüßt, Das Commando, glaube ich, wird sie bald aus dem Grunde verstehen!

      Ja wahrhaftig, das glaube ich auch, lieber Oberst, Sie sieht gerade so aus, als ob sie schon die dicken Epauletten auf ihren Schultern fühlte!

      Ueber diese harmlose Neckerei, die auch dem Obersten angenehm klang, laut lachend, empfahl sich Germanet, um an einem Spieltisch Platz zu nehmen.

      In der entgegengesetzten Ecke am Flügel stand indessen Clara von Albingen an ihre beste Freundin gelehnt und flüsterte dieser, die schon in der Pension oft als geduldige Elise die Herzensergüsse der Königin Esther hatte über sich ergehen lassen, all ihre neuen, wunderbaren Geheimnisse zu.

      Clara war eine achtzehnjährige Schönheit mit blendendem Teint und prachtvollen Augen, deren unschuldiger Blick die vollkommenste Herzensreinheit offenbarte. Ihre schweren, aschblonden Haare lagen als Flechtenkrone über ihrer Stirn und mußten aufgelös’t wie ein Mantel herabfallen. Das rosa Seidenkleid spannte sich wie eine zweite Haut um den reizenden Oberkörper und zeichnete seine Umrisse aufs Genaueste ab. Heute öffneten sich die frischen Lippen fast beständig zu einem stolzen Lächeln oder zu immer neuen Aeußerungen ihres Glückes, die in ihrer naiven Rücksichtslosigkeit fast ein wenig verletzend wirken konnten.

      Es war kein stärkerer Contrast zu Clara’s Erscheinung denkbar, als die von ihrem Arm so zutraulich umfaßte Freundin; fast schien es, als ob eine boshafte Fee ihr dieselbe gerade aus diesem Grunde zur Seite gestellt habe.

      Lucie von Beaulieu war die schüchternste, verlegenste und schweigsamste von Clara’s Freundinnen. Ihre schwarzen, sorgsam geglätteten Haarscheitel reichten fast bis zum Ansatz der Augenbrauen. Die Züchtigkeit selbst schien ihr die langen undurchdringlichen Wimpern verliehen zu haben, die sie über ein Paar Augen senkte, aus deren schwarzer Tiefe es wie der Dämmerschein mittelalterlicher Kirchen hervorsah. Die schmale Stirn, der feine Mund, das Oval des Gesichts erinnerten an Raphael’s Madonnen; es lag überhaupt ein solcher Hauch von Idealität über ihren reizenden Zügen, daß man leicht hätte denken können, sie horche den Einflüsterungen eines nur ihr wahrnehmbaren Engels. Ein ganz weißes Kleid vollendete den Seraphs-Eindruck, und ein um den Hals geschlungener Gaze-Schleier floß über die schneeigen Schultern wie duftige Wölkchen um eine himmlische Erscheinung.

      Clara erzählte ihrer Lucie von der Werbung des Obersten, seinen Besuchen, den stets neuen Beweisen einer Liebe, die von Tag zu Tag ungeduldiger wurde, über den der Formalität wegen nöthigen Aufschub, und flüsterte in ihrem Siegesrausch eine Menge toller, zärtlicher und in aller Reinheit verwegener Worte in das Ohr ihrer unschuldigen Freundin. Lucie lächelte schwach bei diesen Herzensergießungen, aber jedesmal, wenn das Wort Liebe in dem unschuldig-gefährlichen Gespräch vorkam, drückten sich die beiden Mädchen in ahnungsvollem Einverständniß, halb von Furcht, halb von unwillkürlicher Begeisterung ergriffen, fester die Hände.

      O meine gute Lucie, sagte Clara, du mußt mich oft besuchen, und wenn ich meine Opernloge habe, nehme ich dich mit und »chaperonnire« dich. Haben Sie verstanden, mein Fräulein: ich bin dann eine Dame mit einem wirklichen Federhut und einem wirklichen Kaschmirschawl.

      Und einem wirklichen Gemahl! murmelte Lucie ganz leise, indem sie ein klein wenig Spott in ihrem Lächeln unterdrückte.

      Nun höre, erwiderte Clara, die Reihe kommt auch an dich, kleine Heilige, ja, es schien mir sogar heute Abend, als hätte deine Mutter der meinigen einen jungen Mann vorgestellt, der nicht zu deinen Vettern gehört.

      Eine plötzliche Röthe bedeckte Luciens Stirn, die sanften Augen verhüllten sich unter ihren Schleiern, und sie senkte das Haupt.

      Ah, ich! sagte sie, ich heirathe keinen Adeligen, keinen Obersten.

      Also heirathest du doch! . . . Und sagtest mir kein Wort davon. Nun erzähle aber geschwind. Und vor allen Dingen, wo ist er, der glückliche Sterbliche?

      Lucie hob ein wenig die Augen und brauchte nicht lange zu suchen, um ganz in ihrer Nähe, einige Schritte von dem Obersten entfernt, einen jungen Mann zu erblicken, der sie mit dem Ausdruck der unverkennbarsten Leidenschaft beobachtete.

      Da steht er! flüsterte sie so leise, daß Clara die Worte mehr von ihren Lippen las, als sie hörte. Aber der Blick ihrer Augen ergänzte die Worte hinlänglich.

      Er ist ganz nett, sagte Clara von Albingen mit einem Wohlwollen, das zu herablassend war, um nicht etwas geringschätzig zu klingen.

      Er hat keinen Schnurrbart, wie Herr von Corval, hob Lucie hervor.

      Clara warf die Lippen ein wenig auf, denn ein Vergleich mit dem martialischen Gesicht des Obersten kam ihr überhaupt undenkbar vor, und sie sagte, um dessen Ueberlegenheit indirect zu betonen:

      Er ist ein bischen blaß, dein Anbeter, liebes Kind.

      Weil er sehr viel arbeitet.

      Was arbeitet er denn?

      Er ist Advocat.

      Hat er Talent?

      In dieser


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