Die Gattin des Gefallenen. Mór Jókai

Die Gattin des Gefallenen - Mór Jókai


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      I

      Das zwei und vierzigste Bataillon und die polnischen Rothkäppler waren allein auf dem Schlachtfelde zurückgeblieben.

      Die Uebrigen sind entflohen.

      Nur ein Nationalgarde-Hauptmann blieb von seiner fliehenden Compagnie zurück, er riß sein Porte-épée ab, ergriff eine weggeworfene Flinte und stellte sich in die Reihe der Kämpfenden als Gemeiner.

      Und es ertönte das stürmische Lied, das Lied des polnischen Soldaten:

      Jáczi táczi vojaczi,

      Klapczi Krakoviaczi,

       Cservena csapiczka,

       Moja kohaniczka!

      (Diese Soldaten da,

      Krakauer Jünglinge,

      Diese Rothkäppler sind

      Meine Geliebten!)

      Und mitten darunter tönte Kanonendonner und Pferdegestampf und des Feindes Hurrahgeschrei.

      Und weiter, weiter zog singend das polnische Häuflein, – und wurde es eingeholt von seinen Verfolgern, wendete es sich um, gab Feuer und stellte sich, das Bajonett fällend, zum Kampfe.

      Dann zog es wieder weiter, ruhig sein stürmisches Schlachtlied singend; die Kanone donnerte, die Rosse stampften, die Kugel pfiff.

      Wenn das kleine Häuflein nicht widersteht, wird das ganze Heer vernichtet.

      Es allein hielt den nachsetzenden Feind auf, dem zehnmal so Viele keine Stunde lang widerstehen konnten.

      Sie kämpften bis spät Abends, Wunden erhielten sie genug, aber sie hatten noch keinen Todten.

      Jetzt stürmt die feindliche Reiterei mit wüthendem Angriff auf sie ein; die Schlacht gleicht dem Tosen der felsenstürmenden Woge, die an einander geschlagenen Schwerter und Bajonette klingen und klirren, die Kämpfenden jagen um sich Staubwolken auf, nur die Spitzen der Fahnen sind sichtbar.

      Die Staubwolken legen sich; das Häuflein zieht unangefochten weiter, die nachsetzende Reiterei wendet der Ruf der zum Rückzug blasenden Trompete, das Schlachtfeld bleibt leer.

      In der blauenden Ferne sieht man noch das Dahinziehen eines fliehenden Heeres, wie einen dunklen Wolkenschatten, der dahintreibt auf den Feldern, gejagt von verfolgenden Winden.

      Im niedergetretenen Grase bleibt ein hingesunkener Mann allein zurück,– sein sterbendes Antlitz ist zum Himmel gewendet, im gebrochenen Sterne seines Auges spiegelt sich der traurige Glanz der Dämmerung.

      Den himmelblauen Dolman entlang fließt das rothe, warme Blut; über das männlich schöne Antlitz zieht des Todes frostige Blässe.

      Noch einmal will er sich vom Boden erheben, – er vermag’s nicht, er sinkt zurück, das Schwert entsinkt seiner matten Hand.

      O Hermine! – seufzt er den Namen seines letzten Gedankens und neigt das Antlitz ins Gras, und mit der ausgestreckten Hand sein Schwert suchend und mit den sterbenden Lippen »Hermine« flüsternd, – stirbt er.

      Es ist der Garde-Capitän.

      Und in der Ferne, in der grauenden Nacht tönt, immer mehr verhallend, das stürmische Schlachtlied:

      Jáczi táczi vojaczi,

      Klapczi Krakoviaczi,

      Cservena csapiczka,

      Moja kohaniczka! . . . . . . . .

      II

      Seit der verlorenen Schlacht bei Budamér war ein Monat verflossen.

      Der magyarische Feldherr lag in Schemnitz, – sammt seinem ganzen Heere umringt.

      Auf vier Seiten versuchte er durchzubrechen, auf allen vier Seiten war ihm der Weg versperrt. – nirgends ein Ausweg.

      Als er das vierte Mal die Schlacht versuchte, wäre er bald dort geblieben. Sein theuerster Freund wurde an seiner Seite erschossen, unter ihm erschoß man sein Pferd; ein Husar sprengte dann zu ihm hin, erfaßte ihn an der Hand, riß ihn empor und zog ihn mit Gewalt vom Schlachtfelde.

      Als er in seinem Quartier angekommen war, machten ihn seine Offiziere darauf aufmerksam, daß sein Csako durchlöchert sei.

      Er nahm ihn vom Haupte, besah ihn, – zwischen Kokarde und Sturmband hatte die Kugel den Csako durchbohrt.

      Warum nicht eine Spanne tiefer! sagte kummervoll der Feldherr, und nach den mühevollen Tagen und Nächten sank er auf sein Lager hin, um wachend zu träumen.

      Um Mitternacht weckte ihn ein wachthabender Offizier, meldend, daß eine Dame ihn augenblicklich zu sprechen wünsche.

      Der Feldherr stand auf, er brauchte sich nicht erst anzukleiden, denn er schlief immer in den Kleidern, dann winkte er, daß man eintreten könne.

      Die gemeldete Dame trat ins Zimmer.

      Sie trug ein schwarzes Kleid. Trauerflor am schwarzen Hute; ihr Antlitz war kummervoll, blaß.

      Ihre schöne, edle Haltung, ihre ernsten, regelmäßigen Züge, ihre von großen dunkeln Brauen beschatteten Augen waren dem Feldherrn so bekannt.

      Ja, der durchdringende Blick dieser dunkeln Augen, der Alabaster dieser Stirne, diese Lippen, dieses Antlitz selbst sind lauter bekannte Erscheinungen längstverflossener Zeiten; neu an ihr ist nur der Kummer und auf der Stirn zwischen den beiden Augenbrauen eine lange, seltsam eingegrabene Falte, die dem ganzen Gesichte ein drohendes, Unheil verkündendes Aussehen giebt.

      Der Feldherr ging auf sie zu. Die Dame konnte lange nicht sprechen.

      Du besuchst mich, Hermine, in dieser verfluchten Stunde?

      Ich will mit Ihnen sprechen, – sagte die Dame kalt, sich ruhig in den Armsessel niederlassend, den ihr der Feldherr angeboten.

      Dieser blieb ihr gegenüber stehen, mit gekreuzten Armen starr der aufschauenden Dame ins Auge blickend.

      Das Antlitz Beider war so bleich.

      Arthur, – begann nun die Dame mit voller, aber kalt klingender Stimme, – wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Damals waren wir noch Kinder und spielten mit Blumen . . . . mit Blumen damals, jetzt mit Leben und Tod. Sie sind sehr alt geworden, ich noch älter. Sehen Sie, ich bin Wittwe.

      Das wird meine Gattin auch bald sein, unterbrach sie der Feldherr bitter.

      Mein Gatte fiel in der Schlacht, – fuhr die Dame fort, – auf freiem, ehrlichem Schlachtfelde, aber ich habe ihn nicht beweint; – denn ich weiß wofür er gefallen. – Seine Leiche habe ich mit schwerem Gelde erkauft; als man ihn, mit einem Mantel bedeckt, in mein Haus brachte, zitterte ich, ob er wohl verstümmelt sei? vielleicht sein Haupt abgehauen, sein Antlitz verunstaltet? Nichts von alledem. Man hatte ihn ganz gelassen. Jeder Zug seines Antlitzes war ein vom Tode besiegeltes Zeugniß, daß er muthig, als Held gefallen ist. Er hatte nur eine einzige Wunde, auch die vorn – auf der Brust. – Nur meinen Ring fand ich nicht an seinem Finger, meinen Trauring, den er damals ansteckte, als er mit mir vor den Altar trat, und seitdem nie ablegte. Es sind kaum einige Tage, seit ich diesen Ring am Finger eines Menschen erblickte. Ein junger Offizier von den Kroaten quartierte sich bei uns ein, an dessen Finger erblickte ich meinen Trauring.

      Er mag ihn von einem Soldaten gekauft haben.

      Nein. Er sagte, daß er ihn einem Manne abgenommen habe, den er umgebracht.

      Sagtest du ihm nicht, daß jener Mann dein Gatte war?

      Kein Wort. Der Offizier ist ein schöner, junger Mensch, sein blasses Antlitz täuscht den, der ihn anschaut, mit einer scheinbaren Sanftmuth, seine matten, blauen Augen verrathen das Feuer nicht, das in ihm brennt.

      Du hast dich verliebt in ihn? . . .

      Er in mich. Er überhäufte mich mit Schmeicheleien, gestand mir seine Liebe, er ist vernarrt in mich.

      Und du wirft ihn heirathen? . . . .

      Ich werde ihn tödten . . . .

      Das Handwerk verstehst du nicht, armes Weib.

      Wahr.


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