Der Schutzgeist des Kaisers von Birma. Ugo Mioni

Der Schutzgeist des Kaisers von Birma - Ugo Mioni


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der tödlichen Erkrankung des weißen Elefanten in große Bestürzung versetzt hatte. Diese war durchaus nicht von weichlichem Mitleid mit dem Tiere selbst hervorgerufen.

      Ich dachte dabei hauptsächlich an den Mann, an dem ich einen Freund und eine Stütze in diesem fremden Lande zu finden gehofft hatte und für den der Tod dieses Tieres den materiellen und moralischen Ruin bedeutete.

      Grübelnd folgte ich meinem Führer nach dem Tempel, dessen Fassade einem großen Platze zugekehrt und reich mit Schnitzerei und Gold verziert war. Die Hauptpforte war geschlossen und eine Kompagnie Soldaten lagerte vor ihr auf der Erde, die Flinten zwischen den Knien. Eine große Menschenmasse hatte sich auf dem Platze angesammelt, hielt sich aber in scheuer Entfernung von den Wärtern des heiligen Ortes.

      »Der Tempel ist verschlossen. Das heilige Tier wird auf das sorgfältigste gehütet,« erklärte mir der Träger.

      »Wo wohnt der Wongy?« erkundigte ich mich statt aller Antwort.

      Er deutete auf ein elegantes Gebäude in unmittelbarer Nähe des Tempels.

      Ich wandte mich nach dieser Richtung. Vor der Pforte verabschiedete ich den Träger und klopfte.

      Der heraustretende Diener stieß einen Schrei des Erstaunens aus. »Großer Buddha! Ein Engländer!«

      Die Birmanen halten alle Europäer für Engländer.

      »Ist dein Herr zu Hause?« fragte ich.

      Er bejahte.

      »Melde mich ihm. Ich habe notwendig mit ihm zu sprechen.«

      Meine Worte schienen den Diener zu verwundern.

      »Unmöglich! Der Wongy ist heute für niemand zu sprechen,« entgegnete er.

      »Mit mir wird er gewiß eine Ausnahme machen. Willst du mich melden?«

      »Ich weiß nicht, ob ich es wagen darf —« meinte der Sklave schwankend.

      »Gut denn, ich gehe! Aber du trägst die Verantwortlichkeit für deine Hartnäckigkeit. Der Zorn deines Herrn wird dich treffen.«

      Meine Worte erschreckten den braunen Diener.

      »So tritt ein, Herr. Ich will den Zeremonienmeister des Wongy rufen. Dem magst du deine Wünsche vortragen.«

      Ich folgte seiner einladenden Handbewegung und trat in eine geräumige, aber niedrige Halle, die von acht Säulenreihen getragen wurde und aus der eine Türe in einen selten schönen Garten führte.

      Der Diener schloß die Hauptpforte und sagte: »Erwarte mich hier, ich will den Zeremonienmeister holen.«

      Damit stieg er in den ersten und einzigen Stock des Hauses hinauf. Wohl eine Viertelstunde mußte ich in der Halle warten, doch vertrieb ich mir die Zeit mit einer eingehenden Betrachtung derselben.

      In ihrer Ausstattung trat der Geschmack der Indier in seiner ganzen Eigenart hervor. Die Decke imitierte den blauen Himmel mit seinen funkelnden Sternen. Die Wände waren aus lackiertem Holze und wirklich vollendeter Holzschnitzerei versehen. Diese Schnitzereien stellten die heiligen Tiere des Landes vor und waren Bildhauerarbeiten aus der kaiserlichen Schule. Reich vergoldete Türen mit Angeln aus getriebenem Silber führten in die Wohnräume des Erdgeschosses. Den Fußboden überspannte ein prachtvoller Teppich aus Baumwollstoff mit bunten Arabesken.

      Noch war ich in Betrachtung verloren, als rasche Schritte die Treppe herabkamen. Ein junger Mann, reich in blaue Seide gekleidet, und ein ebensolches Tuch nach Art eines Turbans lose um das Haupt geschlungen, trat mir mit einer so tiefen Verbeugung gegenüber, daß seine Stirne fast den Boden berührte. Er trug das Kinn glatt rasiert und seine Gesichtszüge wären sympathisch zu nennen gewesen, hätten nicht die Augen so unruhig hin— und hergeflackert.

      »Ich bin der Zeremonienmeister des Wongy. Du wünschest mit demselben zu sprechen?«

      »Allerdings. Ich bringe ihm einen Brief von einem seiner Freunde, der zugleich auch der meinige ist.«

      »Der Wongy kann heute niemand empfangen. Gib mir das Schreiben, ich werde es ihm übergeben und dich dann wissen lassen, wann er sich herablassen will, dir sein Angesicht zu zeigen,« entgegnete der Zeremonienmeister in der blumenreichen Sprache des Orients.

      »Das Schreiben muß ich ihm persönlich übergeben.«

      »Das geht nicht. Nach der Sitte darf er es nur aus meinen Händen empfangen.«

      »Es ist ein Handschreiben eines hohen europäischen Würdenträgers – meinst du, daß ich es in die Hände eines Sklaven legen werde?« antwortete ich mit allem Hochmut, der mir zu Gebote stand und der dem Reisenden im Oriente unumgänglich nötig ist.

      »Ich bin der Zeremonienmeister des Hüters des weißen Elefanten,« gab der junge Mann empfindlich zurück.

      »Aber trotzdem sein Sklave. Oder willst du dies vielleicht leugnen?« fragte ich verächtlich.

      »Folge mir! Ich werde dich dem Wongy melden,« sagte er endlich, jede weitere Rede abschneidend.

      Er führte mich die Treppe hinauf in ein großes Gemach, dessen echt orientalische Pracht fast beengend wirkte. Der Fußboden war mit wertvollen Teppichen überspannt, die Wände reich mit Gold, Perlmutter und Elfenbein ausgelegt. Niedrige Stühle von bizarr geschweifter Form reihten sich um einen großen Tisch. Eine farbige Glastüre führte auf einen Balkon, von dem aus man eine entzückende Aussicht auf den Garten und den heiligen Tempel genoß.

      Ein kostbarer seidener Vorhang schied das Zimmer in zwei Teile, von denen der eine für die Männer, der andere für die Frauen bestimmt war, die hier, geschützt durch die Portiere, ungestört sitzen und die Gäste ihres Gatten—, Vaters oder Bruders beobachten konnten.

      »Erwarte mich hier, ich gehe zu Mangvé-Mengyi. Ich will hoffen, daß er sich gnädig erweist und dir gestattet, dich ihm zu zeigen,« sagte mein Führer und verschwand.

      Ich ließ mich auf einem der Sessel nieder und betrachtete die Kupferstiche, die an den Wänden hingen. Es waren nur Genrebilder und Landschaften. Sie besassen keinesfalls besonderen künstlerischen Wert.

      Wohl eine Stunde mochte ich in dem Salon verbracht haben, als endlich der Zeremonienmeister eine Seitenportiere zurückschlug und dem Wongy voran in den Saal trat.

      Der Hüter des Senmeng war ein nicht mehr junger Mann von robustem Körperbau und mittlerer Statur mit starker Neigung zu Fettleibigkeit. Er war in ein weites Gewand von scharlachrotem Samt gehüllt, und trug auf dem Haupte einen seidenen Turban von gleicher Farbe. Das Kinn hatte er glatt rasiert, Haare und Schnurrbart waren bereits ergraut; seine Gesichtszüge waren angenehm, aber der Stempel tiefer Traurigkeit war daraufgedrückt.

      »Der Wongy!« sagte der Zeremonienmeister mit einer vorstellenden Handbewegung. Ich sprang auf und verneigte mich.

      »Du hast mich zu sprechen gewünscht. Was ist dein Begehr?« begann Mangvé-Mengyi.

      »Ich habe dir Grüße zu bestellen von deinem Freunde, dem Major Faire. Er sendet dir dieses Schreiben.« Ich zog den Brief hervor und übergab ihn dem Birmanen. Dieser nahm ihn, las die Aufschrift und legte ihn beiseite.

      »Ein Brief meines englischen Freundes ist mir von hohem Werte. Aber augenblicklich fehlt mir die Zeit, ihn zu lesen, ich werde es später tun. Natürlich wirst du während der Dauer deines Aufenthaltes hier bei mir wohnen. Betrachte mein Haus als das deinige und laß es dir bei mir gefallen. Morgen hoffe ich mehr mit dir sprechen zu können.«

      »Ich danke dir herzlichst für die angebotene Gastfreundschaft, aber ich kann sie nicht annehmen,« erklärte ich.

      »Willst du mich beleidigen?« rief der Wongy erzürnt.

      »Das liegt mir ferne. Aber du selbst sagst, daß du augenblicklich sehr beschäftigt bist. Da möchte ich dir nicht auch noch beschwerlich fallen. Überdies – du scheinst mir betrübt. Muß ich da nicht fürchten, mit meiner Anwesenheit unliebsam deine Ruhe zu stören?«

      »Du störst mich nicht im geringsten, sondern machst mir im Gegenteil eine große Freude, wenn du meine Einladung annimmst,« wies Mangvé-Mengyi meine Bedenken zurück.

      »Ich danke dir nochmals, aber ich muß sie


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