Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt
»Dafür bist du ja Arzt und kein Handwerker. Laß nur, ich bringe das schon in Ordnung.«
»Kannst du denn das?«
»Ich glaube schon. Die Ständerlampe, die zwischen den Sesseln fehlt, kaufen wir uns.«
»Kind, bedenke...«
»Sie kostet Geld«, vollendete sie lachend den stockenden Satz. »Aber so viel haben wir schon noch.«
»Wir – Nore?«
»Natürlich, was denn sonst? Oder gedenkst du etwa streng getrennte Kassen zwischen uns einzuführen? Das wäre ja...«
In dem Moment steckte Anka den Wuschelkopf durch den Türspalt und sagte mit einem Lächeln, das Lenore irgendwie abstieß:
»Störe ich das zärtliche Tête-à-tête sehr empfindlich? Aber es geht nicht anders. Das Essen steht auf dem Tisch, und Mama kann fuchsteufelswild werden…«
»Anka!«
»Herrjeh, ja. Zanke nicht, sondern komm!«
Wenig später betraten sie den Raum, der als Wohn- und Eßzimmer zugleich diente. Die Einrichtung war gut, aber trotzdem vermißte Lenore darin das gewisse Etwas, das man Traulichkeit nennt.
Und dann das Essen. Gewiß, es war als Mittagsmahl bestimmt gewesen und mußte gewärmt werden, nichtsdestoweniger hätte es nicht lauwarm und vertrocknet zu sein brauchen; das konnte Lenore gar wohl beurteilen, die vom Kochen etwas verstand.
Natürlich enthielt sie sich jeder Äußerung. Sie machte schweigend ihre Beobachtungen, die gewiß nicht dazu beitrugen, den ersten Eindruck, den sie von den neuen Anverwandten bekam, zu korrigieren.
Zum Beispiel fand sie es empörend, daß die Mutter der Tochter die besten Bissen vorlegte. Wohl war Anka schmal und blaß – bleichsüchtig, wie die Ärzte es früher zu bezeichnen pflegten. Da war es schon verständlich, daß die Mutter die heranwachsende Tochter mit Sorgfalt pflegte. Aber darüber durfte sie nicht den Sohn vergessen, und das war hier der Fall.
Kurz und gut: Lenore war im Bilde.
Und daß dieses Bild nicht falsch war, sollte die Zukunft lehren.
*
Eine Zukunft, in der das Herz der blutjungen Frau durch alle Höhen und Tiefen des Lebens geschleift werden sollte. War der Gatte mit ihr allein in seiner Liebe und Zärtlichkeit, glaubte sie wenigstens am Rande des siebenten Himmels zu weilen; doch war er fort, sorgten seine Angehörigen schon dafür, daß Lenore mit beiden Beinen in der realen Welt stand, wo Gehässigkeit und Heuchelei sie umgaben.
Wie sollte sich nun das bisher so wohlbehütete, weltfremde Menschenkind darin behaupten? Ja, wenn sie hätte mit dem Gatten rückhaltlos über alles sprechen können, dann wäre manches leichter zu ertragen gewesen. Aber so vernünftige Ansichten der junge Arzt im allgemeinen auch hatte, eine so gute Menschenkenntnis er sonst besaß, wenn es jedoch um Mutter und Schwester ging, war er einfach mit Blindheit geschlagen. Sie waren für ihn unantastbar.
Also schwieg Lenore und machte alles mit sich allein ab, um jede Streiterei mit dem Gatten zu vermeiden. Denn sie wußte ganz genau, daß sie dabei immer nur den kürzeren ziehen würde. Wenn sie sich mit diesen »gutherzigen Menschen« nicht vertrug, dann war es bestimmt ihre Schuld.
Denn die beiden waren schlau genug, sich in Gegenwart Ralfs der jungen Frau gegenüber einer Freundlichkeit zu befleißigen, die Lenore verbittert bei sich mit katzenfreundlich bezeichnete. Doch sobald der Mann den Rücken kehrte, zeigten sie ungeniert ihr wahres Gesicht.
Das heißt, in der ersten Zeit umgaben sie Lenore mit einer süßlichen Liebenswürdigkeit, und zwar aus Berechnung. Nahmen sie doch an, daß diese »einfältige Person« eben einfältig genug sein würde, ihnen Geld und andere Dinge zu geben, auf die sie ein Auge geworfen hatten: Frau Rosalia auf Wäsche, die ja reichlich vorhanden war, Anka auf Kleider und Schmuck.
Nun, Lenore war alles andere als einfältig. Sie war im Gegenteil so klug, daß sie sofort begriff, was man da von ihr mit honigsüßer Miene erpressen wollte.
Diese Anstrengung hätten die beiden nicht nötig gehabt, wenn sie der jungen Frau zum mindesten sympathisch gewesen wären. Dann hätte Lenore das getan, was sie ursprünglich vorgehabt, nämlich mit vollen Händen gegeben von dem, was sie selbst besaß. Hätte wahrscheinlich der Schwiegermutter die monatlichen Abzahlungen bis auf ein Taschengeld für sich erlassen – auch gegen das ausdrückliche Verbot des Gatten. Aber da sie nun diese Frau kennenlernte in ihrer ganzen Schäbigkeit, ballte sie die Hand eher zur Faust, als daß sie diese mildtätig auftat.
Denn Lenore war zwar ein warmherziger, hilfsbereiter Mensch, aber deshalb noch lange nicht so sanftmütig, daß sie nach einem Backenstreich auch noch geduldig die andere Wange hinhielt. Da hielt sie sich eher an eine andere Stelle der Bibel: Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Zumal sich bei der ständigen Abwehrstellung, zu der sie ja geradezu herausgefordert wurde, der Trotz zu regen begann, von dem sie nicht wenig besaß. Und wenn der Mensch trotzig ist, dann ist er eben unzugänglich – in jeder Beziehung.
Also knöpfte Lenore nicht nur ihr Portemonnaie fest zu, sondern sie verschloß auch Schübe und Schränke, nachdem sich Anka dieses und jenes einfach anzueignen versucht hatte. Im anderen Fall hätte Lenore gern mit der Schwägerin geteilt, was sie im Überfluß besaß – freiwillig, aber nicht gezwungen.
Was sie dann allerdings büßen mußte. Denn als Frau Rosalia zu ihrer grenzenlosen Enttäuschung merkte, wie »geizig« die Schwiegertochter war, ließ sie die honigsüße Maske fallen und zeigte das, was sich darunter verbarg.
Zuerst ging sie dabei vorsichtig vor, weil sie nicht ganz sicher war, ob Lenore bei Ralf nicht petzte. Das tat lieber sie, und zwar nach Art des Maulwurfs, der zwar wühlt, aber dabei unsichtbar bleibt.
Leider war Ralf gegen die Einflüsterungen seiner Mutter nicht gefeit, die allerdings auch sehr geschickt angebracht wurden. Er war eben von der Ehrbarkeit der Seinen so überzeugt, daß er ihnen Intrigen einfach nicht zutraute.
Dann schon eher seiner Frau, obwohl sie über seine Angehörigen nie Klage führte. Aber sie benahm sich auch ihm gegenüber so, daß sich nach und nach eine Entfremdung einstellte, die den Mann verstimmte. Und als er gar an einem Tag, da er unerwartet nach Hause kam, die Tür verschlossen fand, stellte er, nachdem Lenore ihn auf sein energisches Klopfen eingelassen hatte, sie unwillig zur Rede:
»Lenore, was soll das? Hast du denn gar keine Ahnung, wie sehr du die Mama damit kränkst, wenn du dich nicht nur von ihr absonderst, sondern gar die Tür verschließt? Das hat meine Mutter doch wahrlich nicht um dich verdient, die dich hier so lieb aufgenommen hat, die deinen Trotz und deine Launen so nachsichtig erträgt. Schäm dich, Lenore!«
Darauf erwiderte sie nichts, sah ihn nur mit Augen an, in denen der Trotz. funkelte.
Ihre Haltung drückte so viel Aufsässigkeit aus, daß der sonst so ruhige, besonnene Mann die Beherrschung verlor, sie bei den Schultern packte und schüttelte.
»Du – laß mich los!« sprach sie so dumpf und schwer, daß er betroffen von ihr abließ.
Hastig fuhr er sich über Kopf und Stirn, in seinen Augen brannte der Schmerz.
Das hätte Lenore wohl stutzig gemacht, wenn sie nicht so verbittert gewesen wäre. Und Verbitterung nimmt dem Menschen genauso die Logik und den klaren Verstand wie Verblendung.
Wenn Lenore jetzt gesprochen, sich alles vom Herzen geredet hätte, was ihr junges Leben kaum erträglich machte, vielleicht hätte sie dann dem Gatten die Binde von den Augen gerissen, und er hätte Mutter und Schwester so erkannt, wie sie waren. Aber sie preßte den Mund zusammen und schwieg verbissen.
Da wandte er sich brüsk ab und ging hinaus. Ein tiefer Riß war da – nach sechswöchiger Ehe.
*
Da Lenore gewohnt war, sich im Haushalt zu betätigen, so erschien es ihr selbstverständlich, es gleich von Anfang an auch hier zu tun, was wiederum die Schwiegermutter