Gesammelte Werke von Stefan Zweig. Стефан Цвейг

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Denn ich hab dich erlöset!

      DER ÄLTESTE:

       Segen über dein Wort und Erfüllung!

      DIE ANDERN:

       Erhöre ihn, Gott… tue nach seinen Worten… erhöre uns… erlöse Jerusalem… erlöse Jerusalem…

      JEREMIAS:

       Und siehe, sie ist aufgestanden, die Verstörte, da sie hörte den wonnigen Ruf, und es löset der Herr die Fesseln ihres Halses und das Joch ihrem Nacken. Er hebt auf die Geknickte von den Knien, er wischt ihr die Tränen von den Wangen, die Witwe und Waise erkürt er zur Braut. Und es lächelt die Gekränkte, es blüht die Verdorrte, es wird fruchtbar die Verschlossene und verlangt ihrer Söhne, daß sie möchten sie schauen in ihrem Glücke und frohlocken ihrer Erneuung. Aber schon haben Israels Kinder vernommen den Ruf des Herrn, und so weit sie verstoßen von den Enden der Erde und den Eilanden des Meeres, kommen sie heimgezogen gen Zion. Von Morgen und Mittag, von Abend und Mitternacht, selige Pilger kommen sie gezogen, über Gileads Gebirge eilen ihre Schritte, über Basan und Karmel ihre Ungeduld, daß sie schauen die Stadt unserer Liebe, die Stadt unseres Leidens, Zions heilige Burg. Und es glänzet Jerusalem, es jubelt Zions Tochter, da sie schauet ihre Kinder, zahllos gekommen aus den Kerkern der Verbannung, es blühet die Verdorrte, es glänzt die Verdunkelte, es jauchzt die Verstummte, auferstanden ist die Versargte, sie ist auferstanden! Und die Hügel winken ihr zu wie einst, und es schatten sie die Berge, und wie der Tau auf den Feldern, so glänzet der Friede über ihr, Friede des Herrn, Friede Israels, der Friede, Friede Jerusalems!

      DIE ANDERN:

       Oh, lasse es geschehen, wie er kündet, Herr… tue also, wie er gesagt… Friede über Israel… lasse auferstehen Jerusalem… laß uns auferstehen… laß uns auferstehen…

      JEREMIAS:

      Und des Tags, da wir wieder um Zion uns scharen,

       Die wir so lange die klagenden Knechte

       Im düsteren Zinshaus der Fremde waren,

       Da werden wir gläubig zusammentreten,

       Da werden wir sprechen, da werden wir beten:

       »Gesegnet seist du, Herr Zebaoth,

       Der du groß und gnädig an uns hast getan!

       An den Wassern von Babel saßen wir bangend

       Und brachen der Knechtschaft bitteres Brot,

       Wir mengten mit Tränen den Wein in den Krügen,

       Denn unsere Seele war heimverlangend

       Und unsere Dienstschaft ein täglicher Tod.

       Da riefen wir heiß, wir riefen aus Tiefen

       Des brennenden Sehnens dich, Gütigen, an,

       Wir riefen dich an, und es war nicht vergebens,

       Denn du hast unsere Fesseln, die harten, gesprengt,

       Mit dem Tau deiner Güte, mit den Wassern des Lebens

       Den Brand unserer dürstigen Seelen getränkt,

       Du hast unsere Hoffnung, die schon versiegte,

       Mit dem heiligen Stab deines Namens berührt,

       Du hast die Verirrten, du hast uns Besiegte

       Aus der Tiefe geholt und uns heimgeführt.

       Oh, seht

       Es, ihr Berge, oh, seht es, ihr Lande,

       Wir sind heimgekehrt, wir sind auferstanden!

       Oh, beugt euch, ihr Berge, oh, beugt euch, ihr Hügel,

       Oh, Ströme, rauscht auf in unser Gebet,

       Umgrünt uns, ihr Felder, empfanget, ihr Gärten,

       Mit Blütenfackeln die Heimgekehrten!

       Bekränzt uns, ihr Wälder, mit jubelndem Ton,

       Streu Rosen uns, Saron, zum andern Male,

       Umschatte uns, Karmel und Libanon,

       Wir sind heimgekehrt, wir sind heimgekehrt!

       Und du,

       Du selige Stadt, geliebt und verloren,

       Im Wachen erträumt, in Träumen beschworen,

       Du Braut unsrer Liebe, du Mutter uns allen,

       Mit Zimbeln erfüll dich und Flötengetön,

       Wach auf und laß deinen Jubel erschallen,

       Denn heimgekehrt sind wir, Jerusalem!«

      DIE ANDERN (ihn jauchzend umdrängend, zu seinen Füßen hinstürzend, seine Knie umfassend in wilder Hingerissenheit): Heimgekehrt… auferstanden… oh, Verheißung… Jerusalem… Jerusalem…

      BARUCH (zu seinen Knien):

       Oh, mein Meister, mein Lehrer, wie ist deine Lehre süß meinem Herzen, wie selig deine Erleuchtung!

      DER ÄLTESTE:

       Gebenedeit sei, wer die Verheißung bringt in den Stunden der Not. Segen über deine Tröstung! Erfüllung, oh, Erfüllung!

      EINE FRAU:

       Sein Antlitz seht, wie es leuchtet! Wie zwei Sterne glühn die Augen ihm auf und hellen den Raum.

      EINE ANDERE:

       Gottes Geist hat sich auf ihn gesenkt!

      DER KRANKE:

       Aufgerichtet hat mich sein Wort… aufrecht bin ich… ich lebe, ich lebe wieder… oh, daß ich heimkehrte mit euch.

      ZEFANJA:

       Mein Herz ist erstanden und klingt dir zu, Jeremias.

      JEREMIAS (ohne sie zu hören, ganz allmählich aus seiner Ekstase erwachend und erschreckt um sich blickend): Wo sind sie hin, zu denen ich sprach? Wo sind sie hin?… Waren nicht Boten da des Königs Nabukadnezar? Habe ich geträumet… mir dünkte, drei Männer kamen und redeten… prächtig waren sie gewandet… wo sind sie hin…

      DER ÄLTESTE:

       Der Blitz deines Blickes hat sie gescheucht.

      ANDERE:

       Deine Worte haben sie gejagt… wie ein Schwert fuhr dein Zorn über sie.

      JEREMIAS (immer verwirrter):

       Was habe ich gesagt? Ein Dunkles liegt um mich, und doch glänzt michs von innen an… Was habe ich gesagt… Oh, und warum, warum blickt ihr mit einmal auf zu mir wie die Durstigen… was seid ihr geschart um mich… es war doch Dunkel auf euren Stirnen, und nun glänzt ihr mich an mit den Blicken… Was ist geschehen mit mir, was ist geschehen mit euch?

      DER ÄLTESTE:

       Du brennendes Herz der Herzen, in das Gott seine Flamme geworfen, von dir strahlt dieses Licht! Oh, welche Verheißung hast du uns gekündet, welche Verheißung!

      EIN MANN:

       Aufgetan hast du mir die Seele, du Guter!

      EIN WEIB:

       Mein Herz mir mit Manna gespeist.

      STIMMEN:

       Oh, wie süß waren deine Worte, du Lieber… genesen sind wir an deiner Verheißung… nun ist die Fremde nicht mehr Bitternis… heimkehren werden wir, oh, seliges Wort…

      JEREMIAS (ergriffen):

       Meine Brüder, meine Brüder, was ist mit mir geschehen? War nicht Groll zwischen uns und Fluch auf meinen Lippen, da ich redete zu euch? Ein Sturmwind hat mich gefaßt und getragen, wohin ich nicht weiß, und nun ich stürze, sehen eure Augen mich liebend an, ihr Brüder, eure Hand spüre ich an meinen Knien, und eure Seele zittert wie ein Falter mir zu! Was ist mir geschehen, was ist mir geschehen?

      DER ÄLTESTE:

       Oh, Jeremias, der du bitter warst unserer Freude, wie süß ist deine Rede nun unserm Leiden! Du hast uns getröstet, du hast uns erlöset wie keiner vordem!

      EINER:

      


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