Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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kam eine Idee. Sie setzte sich hin und schrieb einen Brief an Simon. Für alle Fälle und was immer auch geschehen sollte. Er sollte wissen, was in ihr vor sich ging und wie sehr sie ihn liebte.

      Es war Mitternacht, als sie sich endlich zur Ruhe begab. Sie schlief auch bald ein, weil sie sich alles von der Seele geschrieben hatte, was sie ihm so gern selbst hätte sagen wollen.

      *

      Am nächsten Morgen läutete früh das Telefon. Es war Dr. Mattes, der sie bat, ins Büro zu kommen, weil Gäste aus Japan gekommen seien, mit denen Simon damals auch zusammengekommen war.

      Sie rief Simon an.

      Seine Stimme klang recht munter, und er sagte, daß sie den Japanern Grüße von ihm ausrichten möge. Er würde am liebsten auch dabeisein, aber ihm stünde schon wieder eine Untersuchung bevor. Er käme sich vor wie ein Versuchskaninchen. Mary Ann mußte lachen.

      »Langsam kehrt dein Humor zurück«, freute sie sich.

      Sie betrachtete sich diesmal länger im Spiegel und stellte fest, daß sie sich verändert hatte.

      Ernster und nachdenklicher war sie geworden, und das hatte ihr Gesicht geprägt, aber vielleicht war es auch die Schwangerschaft. Man konnte sie ihr nicht ansehen, nur ihr Hosenbund war enger geworden. Bald würde sie neue Sachen kaufen müssen.

      Im Büro wurde sie von der vierköpfigen Delegation fast feierlich empfangen und wurde nach Simon gefragt. Sie richtete seine Grüße aus.

      Mr. Kishi erklärte, daß er Simon besuchen wolle, falls sie so freundlich sein würde, ihn zu begleiten.

      »Gern, er wird sich freuen«, erwiderte Mary Ann.

      Die Konferenz verlief sachlich, war aber erfolgreich. Sie zog sich über fast vier Stunden hin, aber Mary Ann wußte von Simon, daß die Japaner auch einen ganzen Tag ohne Essen überstanden, das Dr. Mattes dann mit ihnen in einem exclusiven Restaurant einnahm, während Mr. Kishi gleich mit Mary Ann zur Klinik fahren wollte.

      Mary Ann wurde von ihrer Sekretärin noch ein Brief gebracht, der mit der Morgenpost gekommen und direkt an sie gerichtet war. Er hatte ausländische Marken, die Mary Ann nicht kannte. Sie mußte sich jetzt auch ganz Mr. Kishi widmen, der gern noch mit ihr irgendwo etwas essen wollte.

      Sie fuhr mit ihm zu einem sehr hübschen Restaurant, in dem sie öfter mit Simon gegessen hatte und wurde auch gleich gefragt, ob sie verreist gewesen sei.

      »Dr. Karsten liegt schon längere Zeit in der Klinik. Er hatte einen Unfall«, erklärte sie. »Bitte, erfüllen Sie unserem japanischen Geschäftsfreund alle Wünsche.«

      Mr. Kishis Wünsche waren bescheiden, aber er wurde bestens bedient.

      Mary Ann unterhielt sich sehr gut mit ihm.

      Er wollte auch genau wissen, ob Simon erstklassig versorgt würde. Weil er keinen noch so kleinsten Fehler im Gespräch machen wollte, fragte er auch, was besser unerwähnt bleiben solle.

      »Ich denke, er kann jetzt schon allerhand vertragen. Man darf auch nicht zu vorsichtig mit ihm umgehen, sonst ergeht er sich in Selbstmitleid, anstatt positiv zu denken.«

      »Meditation kann helfen«, meinte Mr. Kishi.

      Mary Ann hatte auch etwas gegessen, aber Hunger hatte sie eigentlich nicht. Der Brief in ihrer Tasche beunruhigte sie. Der letzte private Brief, der sie erreicht hatte, war die Nachricht vom Tod ihres Vaters.

      Sie mußte sich noch gedulden, denn jetzt konnte sie den Brief nicht lesen. Sie begleitete Mr. Kishi auch ins Krankenzimmer.

      Simon freute sich ungemein über den Besuch, und Mary Ann war froh, daß er sich auch in englischer Sprache wieder perfekt unterhalten konnte. Er mußte nicht mehr nach Worten suchen, und es tat ihm sichtlich gut, auch mehr über die geschäftlichen Verhandlungen zu erfahren. Es freute ihn natürlich auch zu hören, daß er jederzeit in Tokio willkommen sei und man sehr hoffe, daß er bald wieder ganz der Boß war.

      Da Mary Ann Mr. Kishi zurückbringen mußte, konnte sie nicht mehr viel mit Simon sprechen. »Ich rufe dich noch an«, versprach sie, und er drückte ihre Hand an die Lippen.

      An sich war Kishi ein wortkarger Mann, aber er sagte ihr doch, daß er sie bewundere, und es für Simon bestimmt nicht leicht sei, in dieser Dunkelheit zu verharren.

      »Er wird bald wieder sehen können«, erklärte Mary Ann zuversichtlich. »Er hat jetzt die richtige Behandlung.«

      »Und die richtige Frau«, sagte Mr. Kishi.

      *

      Es war doch spät geworden, bis Mary Ann heimkam. Mr. Kishi und seine Kollegen wollten noch einen Drink mit ihr nehmen. Sie unterhielten sich dann so gut, daß die Zeit schnell verging.

      Sie rief Simon sofort an, damit er sich keine Gedanken machte, aber er war in mieser Stimmung, weil das Ehepaar Zander ihn besucht hatte.

      »Ihr wart gerade weg, da kamen sie«, erklärte er brummig, und natürlich wollten sie genau wissen, wie lange ich dich kenne und ob wir heiraten werden. Sie haben natürlich auch gestichelt, aber ich habe ihnen ordentlich Bescheid gesagt.«

      »Du sollst dich nicht aufregen, Simon.«

      »Ich habe mich nicht aufgeregt, es ist nur eine Frechheit, daß sie sich immer noch in mein Privatleben einmischen. Sie werden dich hoffentlich nicht mehr belästigen.«

      »Mich tangiert es nicht. Ich weiß schon, wie ich sie abwimmle. Die Japaner waren sehr nett, ich bin gerade erst heimgekommen.«

      »Dann ruh dich jetzt aus. Ich fand, daß deine Stimme müde geklungen hat.«

      Sie war auch müde. Es strengte sie alles viel mehr an als früher. Eine Schwangerschaft ist keine Krankheit hatte sie immer gedacht, aber Beschwerden konnte sie wohl doch mit sich bringen. Das hatten ihr auch Dr. Leitner und Dr. Norden gesagt.

      Die Füße taten ihr auch weh. Sie legte sie hoch und schloß ein paar Minuten die Augen. Dann dachte sie wieder an den Brief und angelte nach ihrer Tasche, die sie auf den Sessel gelegt hatte. Sie riß den Umschlag auf, und zutage kamen zwei eng beschriebene Seiten in einer fremden Handschrift, aber in deutscher Sprache. Der Brief war von ihrer Mutter, wie sie fassungslos lesen mußte. Sie hatte keine Erinnerung mehr an sie gehabt und sie längst tot gewähnt. Es hatte ihr auch niemand etwas anderes erzählt. Aber sie lebte, und wie sie schrieb, hatte sie jetzt erst von dem Tod ihres ersten Mannes erfahren. Sie sei zum zweiten Mal verwitwet, hätte aber zum Glück keine weiteren Kinder, denen sie wahrscheinlich sonst auch eine schlechte Mutter gewesen wäre.

      Ehrlich schien sie wenigstens zu sein und außerdem eine sehr realistische Frau, die sehr präzise ihren Gedankengängen Ausdruck gab. Sie freue sich, daß Wilkens seine Tochter wenigstens nicht ganz vergessen und sie in seinem Testament bedacht hatte, aber eigentlich hätte sie doch wohl ein Anrecht auf einen kleinen Anteil, da sie in den Jahren ihrer Ehe geradezu kärglich hätte leben müssen.

      Dein Vater war ein Geizkragen erster Ordnung, liebe Mary Ann, ich mußte über jeden Betrag, den ich ausgab, Buch führen. Du wirst Dir vielleicht vorstellen können, daß ich es eines Tages nicht mehr aushielt. Ich habe dann eine nicht gerade glänzende Partie gemacht, aber einen Mann gefunden, mit dem es sich leben ließ. Du kannst mir natürlich vorwerfen, daß ich mich nie um Dich gekümmert habe, aber für Dich war es sicher besser, lieber von Deinem Vater Unterhalt zu bekommen. Jetzt hat es ziemlich lange gedauert, bis ich eine Adresse von Dir bekam durch den Nachlaßverwalter, um Dir mitteilen zu können, daß ich ein bescheidenes Leben führe und dankbar für einen Betrag von einigen Tausendern wäre, gleich in welcher Währung. Es dürfte Dir wohl nicht allzu schwerfallen. Du könntest mir natürlich auch einen bitterbösen Brief schreiben oder so tun, als hättest Du mein Schreiben nie bekommen. Ich könnte es Dir nicht übelnehmen. Wie Du aus dem Absender ersiehst, lebe ich in Schweden sehr bescheiden, aber immer noch besser als im Haus Deines Vaters. Ich bin mir heute noch nicht klar, was er für ein Mensch war. Jedenfalls hoffe ich, daß es Dir gutgeht und grüße Dich als Marit Söderholm. Deine Mutter.

      Mary Ann schüttelte ein paar


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