Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Inhalt
Zwei Lover wie Feuer und Wasser
Gefahr für eine alte Freundschaft
»Komm, ich helfe dir!« Dr. Daniel Norden stand inmitten eines herrlichen Palmenhains, der überragt wurde von den Bergen der Wüste, die mit ihrer Kargheit einen reizvollen Kontrast zum üppigen Grün der Oase bildeten.
Daniels zärtlicher Blick ruhte auf seiner Frau, die auf einem rassigen Pferd saß, das unruhig tänzelte.
»Gerne«, antwortete sie lächelnd.
Felicitas ließ die Zügel fallen und schwang das schlanke Bein über den Sattel. Den Oberkörper ihrem Mann zugewandt, ließ sie sich zu Boden gleiten.
Er fing sie sicher in seinen starken Armen auf und hielt sie einen Moment fest, sprachlos vor Glück und Liebe. Sein Blick liebkoste ihr fein geschnittenes Gesicht, die hellblonde Strähne, die unter dem luftigen weißen Schleier gefallen war. Behutsam stellte er Fee auf den Boden und hob die Hand, um das Haar behutsam fortzuschieben. Dann beugte sich Daniel über Fee und küsste sie mit seinen festen, trockenen Lippen.
»Aufwachen, meine Liebste!«, hörte sie seine Stimme dicht an ihrem Mund. »Es wird Zeit.«
Verwirrt öffnete Felicitas Norden die Augen und blinzelte ins Gesicht ihres Mannes. Er saß auf dem Bettrand und hatte sich über sie gebeugt, lächelte sie unendlich zärtlich an.
»Was ist? Wo bin ich? Wo sind die Pferde?«, fragte sie und drehte sichtlich irritiert den Kopf hin und her.
Statt ihrer prachtvollen Stute und der märchenhaften Landschaft im Hintergrund fiel ihr Blick auf die geöffnete Balkontür. Ein leichter Wind bauschte die weißen Baumwollvorhänge und gab den Blick frei auf blühende Rosenbüsche. Auf Schmetterlingsflieder und Zierquitte, in denen sich die Vögel ein Stelldichein gaben und den Morgen mit fröhlichen Liedern begrüßten.
»Wir sind wieder zu Hause, mein Engel«, klärte Daniel seine schlaftrunkene Frau belustigt auf. »Es ist fast sechs Uhr. Heute ist der erste Schultag für Janni und Dési. Anneka und Felix müssen auch zur Schule. Und Danny steht mir zum ersten Mal als Assistenzarzt in der Praxis zur Seite.« Er küsste Fee noch einmal, ehe er vom Bettrand aufstand und auf bloßen Füßen ins Bad ging. Er ließ die Tür offen stehen, und Fee konnte im Spiegel beobachten, wie er Zahnpasta aus der Tube auf die Zahnbürste drückte. Sie sah seinen immer noch schlanken, nackten Oberkörper. Die Brustmuskeln, die bei jeder seiner geschmeidigen Bewegungen unter seiner Haut spielte, und wusste sofort, warum sie sich vor so vielen Jahren in diesen Mann verliebt, warum ihre Liebe mit jedem Tag gewachsen war. Bis auf den heutigen Tag war seine Anziehungskraft auf sie ungebrochen. »Aus welchem Traum habe ich dich eigentlich geweckt?«, rief Daniel und holte sie mit seiner Frage zurück in die Gegenwart. »Muss ja schön gewesen sein, wenn Pferde darin vorkamen.«
Mit der Zahnbürste im Mund erschien er in der Tür und sah Fee forschend an.
Auf dem Flur war das Rumoren der Kinder zu hören. Trotzdem drehte sich Felicitas versonnen lächelnd auf den Rücken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Sie hatte noch ein wenig Zeit und wollte sich einen Moment der Besinnung gönnen, bevor sie in ihr gewohntes Leben, ihren Alltag eintauchte.
Die vergangenen Monate hatte sie gemeinsam mit ihrem Mann und den Zwillingen Janni und Dési im Orient verbracht hatte, um einen an einer mysteriösen Krankheit leidenden Prinzen zu behandeln. Sie hatte das Abenteuer sehr genossen, freute sich aber wieder auf Normalität, die bereits auf sie wartete. Und darauf, die Pläne, die sie seit einer Weile heimlich schmiedete, in die Tat umzusetzen.
»Ich habe davon geträumt, dass wir beide auf rassigen Pferden durch einen Palmenhain geritten sind«, beantwortete sie die Frage ihres Mannes. »Als wir anhielten, hast du mich aufgefangen und geküsst. Davon bin ich aufgewacht.«
Vom Duschen glänzte Daniels Haar feucht. Er hatte ein Handtuch um seine Hüften geschlungen, als er wieder ans Bett seiner Frau trat und sich erneut mit verlangendem Blick über sie beugte.
»Das klingt nach einem wahrhaft verlockenden Traum«, raunte er ihr zu.
Fee streckte die Arme aus und zog Daniel an sich. Langsam wurde es jedoch auch für sie Zeit aufzustehen und so musste er sich mit einem leidenschaftlichen Kuss begnügen, bevor sie der Alltag in Gestalt ihrer jüngsten Tochter Dési einholte, die ungestüm ins Zimmer stürzte auf der Suche nach ihrem Lieblingsrock, der auf wundersame Weise wie vom Erdboden verschwunden war.
*
Wenig später saß Dr. Daniel Norden allein am Frühstückstisch, den die treue Haushälterin Lenni liebevoll wie immer gedeckt hatte und wartete auf den Rest seiner Familie. Er nutzte die Gunst der Stunde, um wieder einmal einen Blick in die Morgenzeitung zu werfen. Streik in einer Fabrik, politische Debatten, der Unfall eines Rettungswagens der Behnisch-Klinik …, die letzte Meldung erschreckte Daniel, betraf sie doch die Klinik seiner langjährigen Freundin Jenny Behnisch. So nahm er sich spontan vor, noch am Vormittag mit ihr zu sprechen, als Danny sich zu seinem Vater ins Esszimmer gesellte.
»Guten Morgen, Dad«, begrüßte er ihn.
Sichtlich aufgekratzt und mit leuchtenden Augen setzte er sich zu Daniel an den Tisch.
»Kaffee?«, fragte er und warf einen Blick in die Tasse seines Vaters.
»Hallo, mein Sohn!« Daniel faltete die Zeitung zusammen und legte sie auf das Sideboard hinter sich. »Nimm du dir, ich hab schon.« Er schickte seinem Ältesten einen wohlwollenden Blick. »Wie fühlst du dich?«
»Ein bisschen aufgeregt«, gestand Danny und griff nach einer Scheibe Brot.
Überrascht runzelte Daniel die Stirn.
»Während unseres Aufenthalts im Orient hast du die Praxis mit Bravour geführt. Der Kreis unserer Patienten ist sogar noch gewachsen.« Dass es sich dabei zum großen Teil um junge Damen handelte, die sich um die Behandlung bei dem gut aussehenden Junior-Arzt rissen, erwähnte Daniel zunächst nicht. »Deshalb verstehe ich nicht, dass du nervös bist. Eigentlich solltest du in Übung sein.«
Inzwischen hatte Danny das Brot dick mit Butter und Lennis köstlicher, selbstgekochter Erdbeermarmelade bestrichen. Er war gerade im Begriff, hineinzubeißen und sah seinen Vater aus schmalen Augen kritisch an.
»Das verstehst du nicht?«, fragte er perplex. »Schließlich arbeite ich heute zum ersten Mal unter strenger Beobachtung. Nicht auszudenken, was du mit mir anstellst, wenn mir ein Fehler passiert.« Das Blitzen in seinen Augen verriet, dass diese Bemerkung nicht ganz ernst gemeint war.
»Lass mich nachdenken«, ging Daniel gut gelaunt auf diesen Scherz ein. »Ich könnte dich dazu verdonnern, die Büsche im Praxisgarten eigenhändig zu stutzen. Wenn das so weitergeht, ist das Haus bald verschwunden.«