Karin Bucha Staffel 1 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 1 – Liebesroman - Karin Bucha


Скачать книгу
die mit Glück bezeichnet werden. Ich behaupte, daß es in uns selbst begründet liegt.«

      Er schiebt sein Glas dem Freund zu, und dieser füllt nach.

      Nachdenklich spricht er weiter: »Um auf den Großindustriellen Hubert Stücker zurückzukommen, Wolfram. Was hat der arme Teufel nun von seinen Erfolgen, seinem Reichtum, seiner geschäftlichen Macht? Besäuft sich und fährt gegen einen Baum. Aus! Zurück läßt er eine junge, schöne Frau – wie man mir sagt. Übrigens, dieser Doktor Freytag ist ja der Schwager Stückers. Er war bei mir und hat ausgesagt, was er über den Unfall weiß. Wir werden seine Angaben nachprüfen. Was ist er sonst für ein Mensch? Was für ein Arzt?«

      Rombergs Züge werden verschlossen. Seine hellen Augen ruhen auf dem Sonnenkringel am Boden. »Er ist begabt«, erwidert er kurz, so kurz, daß Reimund aufhorcht.

      »Du magst ihn nicht?« fragt er rundheraus.

      Romberg lacht rauh auf. »Spielt das dabei eine Rolle, Julian? Man hat Sympathien und Antipathien. Er ist meiner Meinung nach etwas zu – zu sorglos, wenn nicht…«

      »… leichtsinnig«, vollendet Reimund. Er merkt, wie schwer es Romberg fällt, gerade über diesen jungen Arzt zu sprechen.

      »Professor Becker, der Chef der Chirurgischen Abteilung hält sehr viel von ihm«, setzt Romberg noch hastig hinter seine Worte.

      »Noch etwas, Wolfram«, bohrt Reimund weiter. Jetzt ahnt er nicht, wie peinlich Romberg diese Fragen berühren. Er möchte nichts mehr mit dem Fall zu tun haben. Er will seine Ruhe haben. Nichts als Ruhe. Etwas von dieser heimlichen Qual liest Reimund aus Rombergs Zügen. »Kennst du jetzt die Höhe des Alkoholgehaltes im Blut des Verunglückten? »

      »Er ist tot!« antwortet Romberg dumpf. Reimund erschrickt. Das ist also der Grund. Romberg ist unglücklich, daß er das Leben nicht erhalten konnte.

      »Ich weiß«, bemerkt Reimund nach einer Weile mit veränderter Stimme. Sie ist behutsam, als wolle sie trösten. Und da Romberg schweigt, nur vor sich hinstarrt, ermuntert er: »Darüber brauchst du nicht verzweifelt zu sein, Wolf. Es wird nicht der erste und auch nicht der letzte sein, der sich totfährt.«

      Romberg macht eine schwache, fahrige Handbewegung. »Was – was hat Doktor Freytag ausgesagt?«

      »Er hat den Unfall gar nicht miterlebt.« In kurzen Worten gibt er wieder, was Freytag angegeben hat.

      Romberg hat sich eisern in der Gewalt. Aber hinter seiner Stirn laufen die Gedanken wild durcheinander. Das ist doch nicht möglich? Wen hat er nun belogen? Ihn – oder die Polizei? Was ist hier überhaupt Wahrheit, und was ist Lüge? Hat Freytag, durch den Schock und durch seine Trunkenheit beeinflußt, das Geständnis im Beisein Christianas gemacht? Oder steckt überhaupt nur Christiana dahinter?

      »Und – und deine Meinung?« hört er sich mit seltsam fremder Stimme fragen.

      »Ich möchte dem jungen Mann glauben – und doch …« Er bricht ab. Was er sonst noch denkt, behält er für sich.

      »Somit steht der Fall Stücker bald vor seinem Abschluß?« erkundigt sich Romberg, und er spürt, wie die Erregung immer mehr überhandnimmt.

      Reimund leert bedächtig sein Glas. »Da wird nicht mehr viel Neues herauskommen. Stücker ist tot – und wenn die Angaben des Arztes Freytag stimmen, ist der Fall erledigt und kann beigelegt werden.«

      Reimund wirft einen Blick auf seine Uhr. »Donnerwetter!« entfährt es ihm. »Jetzt habe ich dich reichlich lange aufgehalten, Wolfram. Ich bin heute dienstfrei, und meine Frau erwartet mich.« Er erhebt sich und reicht dem Arzt die Hand. »Komm recht bald zu uns, Wolfram«, bittet er sehr herzlich. »Wir haben uns noch sehr viel zu erzählen. Und du mußt dich aufs Ohr legen, alter Junge. Du siehst erbarmungswürdig aus. Also, Servus, Wolf!«

      Romberg gibt dem Freund das Geleit bis vor das Haus. Er zwingt sich zu einem Scherz.

      »Du hast zwei Cognacs getrunken, Julian. Gib Obacht, daß du nicht auch gegen einen Baum fährst.«

      »Erstens bin ich nicht im Dienst und zweitens fahre ich vorsichtig. Im übrigen hast du recht, Wolf. Was für die Allgemeinheit gilt, müssen wir Polizisten doppelt beachten. Nochmals, Wiedersehen!« Er zögert, ehe er den Schlag hinter sich schließt. »Wenn es dich interessiert, werde ich dich vom Ablauf des Falles Stücker unterrichten.«

      »Bitte, es würde mich interessieren«, sagt er rauh. Gedankenverloren sieht er hinter dem wendigen Wagen her und kehrt langsam in seine Wohnung zurück.

      Auf der Couch läßt er sich niedersinken und schließt die Augen. Schlafen – denkt er –, nichts als schlafen und vergessen, daß es eine schöne rotblonde, aber intrigante Frau gibt, die er meinte zu kennen und die ihm doch ein Rätsel ist.

      Plötzlich reißt es ihn hoch. Mein Gott! Was ist aus Tante Freytag geworden? Er hat sich weder um sie gekümmert noch nach ihrem Verbleib gefragt.

      Langsam läßt er sich wieder zurückgleiten. In dem heillosen und aufregenden Durcheinander wird man sie wohl nach Hause geschickt haben.

      Nach wenigen Sekunden ist er in einen tiefen Schlaf gesunken, der alles auslöscht, was ihn quält und bedrängt.

      *

      Auf der Chirurgischen Abteilung, gleich neben den Zimmern der 1. Klasse, liegt der Raum, der ausschließlich Oberschwester Magda zur Verfügung steht. Er ist schmal und hat ein großes Fenster. Links neben dem Fenster steht ihr Schreibtisch, an dem sie die Berichte für die Ärzte schreibt, daneben hat ein Stuhl seinen Platz gefunden, auf dem manchmal Besucher sitzen, die mit einem besonderen Anliegen zu ihr kommen. Anschließend nimmt ein Glasschrank den Rest der Wand ein. Dieser Schrank enthält alle Medikamente, die für die Kranken nötig sind, angefangen von leichten Beruhigungstabletten bis zu Morphiumampullen.

      Die andere Seite des Zimmers nimmt ein weißbezogener Diwan ein und anschließend das breite Spülbecken mit dem hellen Kristallspiegel.

      »Hier sind Sie.« Doktor Freytag steckt seinen Kopf zur Tür herein, bemerkt die Schwester am Schreibtisch und kommt näher.

      »Sie sehen mich?« Lächelnd blickt die Schwester zu dem jungen Arzt auf. »Haben Sie jetzt Dienst?«

      »Darf ich?« Ohne eine Aufforderung abzuwarten, setzt Freytag sich neben den Schreibtisch. »Doktor Müller hat den Nachtdienst für mich zu Ende gemacht – nun bin ich dran.«

      Die Oberschwester wirft einen schnellen, tastenden Blick über den Sprechenden. »War eine recht turbulente Nacht«, meint sie und neigt den Kopf wieder über ihre Schreibarbeit.

      »Sind Sie auch der Meinung, daß mein Schwager gestorben wäre, wenn Professor Becker operiert hätte?« fragt er und sieht an ihr vorbei zum Fenster hinaus.

      Die wasserblauen Augen der Oberschwester weiten sich. »Was – was wollen Sie damit sagen?« stößt sie erstaunt hervor und schiebt ihren Bericht beiseite.

      Doktor Freytag hebt die Schultern. »Vieles ist mir unbegreiflich.«

      »Sie – Sie waren doch betrunken und gar nicht dabei. Doktor Sanders kann Ihnen genau berichten.«

      »Bah«, unterbricht er sie rasch. »Fräulein Doktor Sanders ist doch blind verliebt in den Oberarzt. Oder?« er forscht eindringlich in ihren verwirrten Zügen, »ist Ihnen das noch nicht aufgefallen?«

      »Das hat doch nichts mit der Tüchtigkeit Rombergs zu tun«, entgegnet sie und begegnet seinen glänzenden tiefblauen Augen. Schöne Augen sind es, dunkel umsäumt, wie man sie nicht sehr oft bei Männern erlebt. Diese Augen lassen ihr Herz schneller klopfen. Sie hat eine Schwäche für diesen jungen Arzt, sogar eine sehr große. Aber sie verbirgt sie hinter Ruhe und Gelassenheit. Sie ist erst fünfunddreißig Jahre, aber sie sieht älter aus und ist fast zehn Jahre älter als der Arzt. Sie hat nur Arbeit, schwere, aufopfernde Arbeit gekannt. Immer war sie allein. Sie kennt nicht das schöne Bewußtsein, geliebt und verwöhnt zu werden. Sie hat es nur an unzähligen Krankenbetten erlebt und manchmal Sehnsucht nach der Liebe und den Zärtlichkeiten eines Menschen gehabt, der aus-schließlich ihr gehört.


Скачать книгу