Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman - Karin Bucha


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Sie mal, Herr Bendler. Es geht auf Mitternacht. Unten wartet Ihr kleines Mädchen mit einem Imbiß für Sie, und Sie denken nur an die Arbeit.«

      »Was? Monika ist da?«

      Pat sieht ihn eindringlich aus ihren großen dunklen Augen an.

      »Konnten Sie sich nicht denken, daß Monika kommt, wenn Sie Überstunden machen? Ich nehme an, es geschieht nicht zum erstenmal.«

      »Nein, nein, gewiß nicht. Ich habe Monika einfach vergessen.«

      Er scheint ihre Vorwürfe kaum vernommen zu haben. Schnell schlägt er das Buch zu und erhebt sich. Er ist hochgewachsen, mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Sein braunes Haar ist schlicht zurückgekämmt. Die blauen Augen tragen einen Ausdruck von Kummer und Leid. Patricias Zorn ist verraucht. Sicher trauert er um die verlorene Gattin. Er scheint kaum dreißig Jahre alt zu sein, schätzt sie. Aber dann fällt ihr Monika ein, die schon zehn Jahre alt ist, und sie ist überzeugt, daß das Aussehen des Mannes täuscht. Er muß älter sein.

      »Die arme Moni«, hört sie ihn sagen, und schon eilt er an ihr vorbei. Kopfschüttelnd sieht sie hinter ihm her. Ein zehnjähriges Mädchen und dieser bei allem Ehrgeiz weltfremde Mann?

      Plötzlich weiß sie nicht, wer ihr mehr leid tut, der Mann oder das mutterlose Kind. Langsam geht sie hinterher.

      Auf dem Flur stößt sie mit Generaldirektor Baumann zusammen.

      »Hier sind Sie?« blitzt er sie an. »Ich suche Sie im ganzen Haus.«

      Patricia sieht ganz unglücklich aus. Jetzt hat sie tatsächlich Gottfried vergessen.

      »Entschuldigen Sie«, flüstert sie und rennt hinter Baumann her, der weiterstürmt. Sein Weg führt ihn am Gemeinschaftsraum vorbei. Als er Licht gewahrt, reißt er die Tür auf und tritt ein. Patricia hinterher.

      Peter Bendler hat Monika auf seinen Schoß gezogen und redet liebevoll auf sie ein. Glückselig, noch Tränen in den Augen, blickt Monika zu ihrem Vater auf.

      Baumann steht wie aus dem Boden gewachsen vor dem gedeckten Tisch.

      »Na, wer sagt es denn«, ruft er erfreut aus. »Hier gibt es endlich etwas zu essen.« Er wendet sich an den tief-erschrockenen Bendler. »Sie gestatten doch? Ich habe ausgesprochen Hunger.«

      Bendler schiebt Monika von seinem Schoß, legt aber den Arm um sie.

      »Aber sehr gern, Herr Generaldirektor. Es steht Ihnen alles zur Verfügung.«

      Ungeniert greift Baumann nach dem Paket und wickelt die Brote aus. Er reicht Patricia und Bendler davon, dabei fällt sein Blick auf Monika, die sich ängstlich an den Vater drückt.

      »Wo kommst du denn her?« fragt er und hört mit Kauen auf.

      »Sie ist meine Tochter«, erklärt Bendler.

      »Ihre Tochter?« Baumann schüttelt den Kopf. »Mann Gottes, um diese Zeit lassen Sie Ihre Tochter ins Werk?«

      »Verzeihung!« Bendler ist völlig verwirrt. »Ich hatte keine Ahnung, daß mir meine Tochter etwas zu essen bringen würde.«

      »Zum Donnerwetter«, fährt Baumann ärgerlich auf. »Wer hat denn das Mädchen überhaupt hereingelassen?«

      »Das war ein sehr freundlicher alter Mann«, läßt Monika sich vernehmen. »Er hat nicht so geschrien wie Sie. Und außerdem habe ich die Brote nicht für Sie, sondern für meinen Vati fertiggemacht.«

      Bendler erblaßt und zieht Monika noch enger an sich. Er fürchtet einen Wutausbruch des Generaldirektors. Doch dieser lacht aus vollem Halse.

      »Trotzdem schmecken sie mir großartig, mein Kind.« Er fährt Monika, die ihn trotzig anblickt, über das lockige Haar. »Du gefällst mir. Aber deshalb darfst du um diese Zeit doch nicht wieder hierherkommen. Hast du mich verstanden?«

      »Natürlich, ich bin doch nicht schwerhörig«, sagt Monika mit der Unbekümmertheit eines Kindes. »Wäre ich nicht eingeschlafen, hätte Vati längst seine Brote bekommen.«

      »Du kommst also öfter ins Werk und spielst Tischleindeckdich?«

      Ihre großen blauen Augen sehen ihn vorwurfsvoll an. »Wer soll es denn sonst hringen? Wo wir keine Mutti mehr haben.«

      Danach folgt eine peinliche Stille, die Baumann schroff unterbricht.

      »Setzen wir uns doch. Warum stehen wir eigentlich herum?«

      »Die Verträge!« mahnt Patricia. Baumann winkt unwillig ab.

      »Wir haben doch die spanische Übersetzung nicht. Da nutzen uns auch die anderen wenig.«

      Peter Bendler, der seine Tochter auf sein Knie gehoben hat, wird aufmerksam.

      »Sie sprachen von spanischer Übersetzung? Ich beherrsche die Sprache gut. Kann ich einspringen?«

      Baumann mustert den anderen mit offensichtlicher Neugier.

      »Sie sprechen spanisch?«

      »Ich sagte es Ihnen schon.« Das klingt weder stolz noch beleidigt, eher selbstbewußt, und es imponiert Baumann. Genau wie ihm Monikas Antwort imponiert hat.

      Was wissen sie alles von ihm? Er ist ihr Chef, und sie katzbuckeln vor ihm, was ihn bis zum Überdruß anwidert. Er liebt aufrechte Menschen, die sich auch ein eigenes Urteil in seiner Gegenwart zutrauen. Ein solcher Mensch scheint dieser Bendler zu sein.

      »Tja, das ist großartig.« Er wirft einen Seitenblick auf Monika. »Dieser Vertrag muß aber heute noch ausgearbeitet werden. Was machen wir mit dem Kind?«

      Patricia springt sofort hilfsbereit ein. »Wenn Sie mich nicht mehr nötig haben, würde ich das Kind gern heimbringen. Es kann kaum mehr die Augen aufhalten.«

      Bendler wendet sich liebevoll an Monika. »Möchtest du mit der Tante heimgehen? Ich habe noch zu arbeiten. Wer weiß, wann ich fertig bin.«

      Sie rutscht sofort von seinem Knie herunter und stellt sich neben Pat, der sie zögernd die Hand reicht. »Mit Ihnen gehe ich gern. Sie sind lieb und gefallen mir.«

      Alle lachen, selbst Baumann verzieht den Mund zu einem angedeuteten Lächeln. »Mich scheinst du nicht gerade lieb zu finden.« Er sagt es mehr zum Spaß, doch Monika nimmt es sehr ernst.

      »Mit Ihnen?« Sie schüttelt so heftig den Kopf, daß die Locken fliegen. »Keinen Schritt würde ich mit Ihnen gehen. Sie brüllen mir zuviel. Vati ist viel, viel lieber.«

      Baumann fährt sich mit dem Zeigefinger über die Lippe, als denke er angestrengt nach. »Natürlich ist dein Vati lieber, kleines dummes Mädchen. Aber trotzdem darfst du abends nicht mehr ins Werk.«

      Monika blickt hilfeflehend zu ihrem Vater empor und verzieht den Mund, als wolle sie weinen.

      »Wirklich nicht, Vati?« flüstert sie, und Bendler nickt.

      Er neigt sich tief zu dem Kind hinab. »Das ist nämlich mein Chef, Kleines. Was er sagt, gilt.«

      »Also wie ist das nun?« bereitet Baumann der Szene ein Ende. »Wollen Sie das Kind nach Hause fahren?«

      »Selbstverständlich«, erklärt Patricia sich sofort bereit.

      Baumann geht auf die Ecke zu und ans Telefon. Er wählt eine Hausnummer. »Hallo! Endlich, Gottfried. Ich suche Sie wie eine Stecknadel.« Kurze Pause, dann beschwichtigt Baumann. »Verstehe, geht in Ordnung. Jetzt telefonieren Sie nach einem Taxi. Es soll am Haupteingang vorfahren. Warten Sie dort, bis Fräulein Hellberg erscheint. Verstanden?«

      Kurz dreht er sich auf dem Absatz herum.

      »Sie können sich fertig machen und das kleine störrische Mädchen ins Bett packen.« Und zu Bendler gewandt, sagt er: »Sie arbeiten mir also den Vertrag in Spanisch aus?«

      »Jawohl!«

      »Hm!« Baumann tritt näher und betrachtet Bendler aufmerksam. »Warum sitzen Sie in der Buchhaltung, wenn Sie ganz andere Fähigkeiten


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