Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman. Karin Bucha
der jungen Frau ist ihrem Mann der schönste Traum seines Lebens zerstört: Er hat Kinder von ihr nicht mehr zu erwarten. Deshalb sucht sie mit der Hartnäckigkeit aller Kranken nach einem Ausweg. Sie hat bereits mit dem Leben abgeschlossen, sie weiß, daß ihre Tage gezählt sind, wie mir Doktor Urban am Telefon erklärte, und hat nur noch den einen Wunsch – ihren Gatten glücklich zu sehen.
Wollen Sie nun immer noch schweigen, Magda, wollen Sie dem Schicksal trotzen, nach der ich Ihnen wahrheitsgetreu die Beweggründe Frau Alines auseinandergesetzt habe?«
Herdegen zündet sich eine Zigarette an. Er bedrängt sie nicht mehr. Nun ist die Reihe an ihr, zu handeln.
»Ja, Herr Professor«, nimmt Magda endlich das Wort. Sie spricht jetzt ruhiger. »Ich habe mich entschlossen, das Geheimnis preiszugeben. Sagen Sie Doktor Urban, daß ich ihn von seiner Schweigepflicht entbinde.«
Erfreut über diese Antwort, legt der Professor die Zigarette fort und ergreift Magdas Hände.
»Ich wußte ja, daß ich mich in Ihnen nicht getäuscht habe! Meinen herzlichsten Glückwunsch zu Ihrem Entschluß. Damit haben Sie den Grundstein zu Ihrem eigenen Glück gelegt!« sagt er warm.
Magda lächelt matt, ihre Augenschimmern feucht, und ein paar Tränen tropfen auf des Professors Hände. Muttertränen, muß er denken – Muttertränen!
*
Auf dem Birkenhof herrscht schon der rechte Weihnachtstrubel. Da wird gebacken und gebraten, da werden Pakete gepackt mit Leckereien, Spielsachen und Wäsche für alle, die auf dem Hofe arbeiten, und die Räume werden ausgeschmückt mit frischem Tannengrün, so daß sich der Duft im ganzen Hause verbreitet.
Aline leitet alles vom Lehnstuhl aus, und sie kann sich nicht genug tun in Anordnungen zur Verschönerung des Festes.
Während sie in ihren Kissen schon von der Festesfreude träumt, putzt Hanno den Baum. Faden um Faden des glänzenden Silbers, Engelshaar gleich, hängt er auf.
Inzwischen ist die Dämmerung hereingebrochen. Hanno legt gedankenvoll seine Arbeit aus der Hand. Er setzt sich zu Aline, die ein wenig geschlummert hat und nun mit klaren Augen auf den halbfertig geschmückten Baum blickt.
»Wie schön, Hanno!« Bewundernd hängt ihr Auge an der schlanken, kerzengerade gewachsenen Tanne. Sie atmet ein paarmal tief. »Und wie das duftet!« Dann sieht sie sich suchend im Zimmer um. »War Mutter nicht eben hier?«
»Sie ist müde«, antwortet Hanno. Seine Gedanken nehmen eine andere Richtung. »Mutter gefällt mir gar nicht recht. Fast könnte man meinem, sie schleppe irgend etwas mit sich herum, das sie bedrückt.«
Aline greift nach der Hand ihres Gatten.
»Deine Mutter kann es nicht verwinden, daß ich anstatt des ersehnten Erben ein Mädchen zur Welt brachte«, klagt sie wehleidig. »Sie kann sich mit dem Gedanken, ein fremdes Kind hierher zu nehmen, nicht aussöhnen.«
Hanno starrt grübelnd vor sich hin.
»Es muß etwas anderes sein, sie war doch früher damit einverstanden und hatte sich innerlich damit abgefunden. Wenn man nur wüßte –«
»Vielleicht ist sie doch krank?«
Jetzt erwacht auch in Aline die Sorge. Sie hat die Schwiegermutter liebgewonnen, und Hannos Sorgen sind die ihren geworden. Sie drängt ihn deshalb:
»Begib dich zu Doktor Urban! Er ist unser Hausarzt und Mutters Vertrauter; er wird dir Auskunft geben können. Mutter war in letzter Zeit des öfteren bei ihm; dir als Sohn wird er die Wahrheit nicht verschweigen.«
Hanno ist bald auf dem Weg in das nahe Dörfchen. Seine Gedanken beschäftigen sich mit den Ereignissen der letzten Tage und Wochen, und es erscheint ihm heute vieles in einem anderen Licht.
Gewiß – er hat sich mit seinem Schicksal ausgesöhnt. Aline, an deren Liebe er nicht mehr zweifelt, ist ihm nun doch noch die verstehende Lebenskameradin geworden. Er hat sie jetzt wirklich gem – seine Aline.
Manchmal aber dringen dennoch die Gedanken an Magda übermächtig auf ihn ein, doch der damit verbundene Schmerz ist nicht mehr der alte, schwere von früher. Ein wehmütiges Gefühl wird freilich immer zurückbleiben. Magda ist nun einmal die Frau, der sein Herz gehört – immer gehören wird. Ganz hätte Aline es wohl nie erobert.
Endlich erreicht er Doktor Urbans Haus.
Da wird auch schon eine Tür aufgerissen, und Doktor Urban erscheint im Türrahmen seines Arbeitszimmers.
»Sie haben mich erwartet, Doktor?« fragt Hanno, nachdem er sich eine von Doktor Urbans guten Zigarren angezündet hat.
»Erwartet ist zuviel gesagt, Hanno, aber mit meiner ganzen Willenskraft herbeigesehnt habe ich dich. Und nun bist du da! Jetzt brauch’ ich nicht hinaus in die Hundekälte.«
Kopfschüttelnd sitzt Hanno in seinem Sessel.
»Du wunderst dich gewiß über meine besonders gute Laune«, nimmt Doktor Urban erneut das Wort. »Ich sehe es deinem fragenden Blick an. Ich hatte heute ein Telefongespräch mit Berlin, mit meinem guten Freund Professor Herdegen. Du wirst durch deine Mutter schon von ihm gehört haben.«
Jetzt beginnt es langsam bei Hanno zu dämmern; er lacht herzlich auf.
»Ich weiß, Doktor. Sie haben eine gute Nachricht von diesem Professor Herdegen erhalten. Anscheinend können wir uns ein Kind abholen«, wirft Hanno hocherfreut ein.
»Stimmt!« Doktor Urban holt tief Atem, sieht Hanno fest in die hellen Augen und sagt ernst: »Dein Kind –!«
Hanno winkt ab.
»Noch nicht, Doktor – das soll es ja erst werden.«
Doktor Urban wird noch ernster und mißt Hanno mit einem durchdringenden Blick, als er sagt:
»Mein heiliger Ernst, Hanno! Du wirst dich morgen, meinetwegen auch heute noch in den D-Zug setzen und dir aus dem Säuglingsheim Professor Herdegens – dein Kind – deinen Jungen holen. Und noch jemand wartet dort auf dich.«
Hannos Nerven sind zum Zerreißen angespannt. Auf was zielt der gute Doktor nur ab? Warum kaut er förmlich an den Worten? Merkt er denn nicht, daß er ihn mit unklaren Andeutungen nur verwirrter macht?
»Reden Sie endlich!« stößt er mühsam beherrscht hervor.
»Also, du setzt dich in den nächsten D-Zug nach Berlin und holst – Magda
und –«
Magda holen – Magda holen und – seinen Jungen!
»Herrgott Doktor!«
Mehr kann er nicht hervorbringen, dann schlägt er die Hände vors Gesicht und verharrt regungslos.
Sanft legt sich ihm des Doktors Rechte auf die Schulter, und er hört dessen Stimme wie aus weiter Ferne:
»Das hat Magda damals aus dem Hause getrieben! Ich habe es gewußt, Hanno, durfte aber nicht sprechen. Ich gab mein Ehrenwort! Es galt, deine Ruhe und den Frieden deines Hauses zu bewahren. Jetzt bin ich endlich meiner Schweigepflicht entbunden.
Diese Stunde zählt zu den schönsten in meinem ereignisreichen Leben, da ich dir, lieber Hanno, diese Mitteilung machen darf. Nun säume nicht länger, hol dir deinen Jungen und Magda ins Haus. Du wirst von ihr erwartet! Glaube mir, es war durchaus nicht leicht, sie zu diesem Schritt zu bewegen.«
»Ich habe einen Sohn! Habe einen Sohn!«
Immer aufs neue wiederholen es Hannos Lippen.
Im Vollgefühl seiner Freude erreicht er das Herrenhaus, stürmt die Treppe zum ersten Stockwerk empor und steht wenige Augenblicke später im Zimmer seiner Mutter, die bei seinem ungestümen Eintritt aus einem leichten, unruhigen Schlummer hochfährt.
Aus müden, glanzlosen Augen blickt sie ihn an. Die schwere Last, die sie die ganze Zeit mit sich herumgetragen hat, fühlt er plötzlich auf seiner Brust.
»Mutter!« Mit ein paar Schritten