Social Media Strategien mit Facebook umsetzen. Jens Herrmann
gewinnt, sondern derjenige, der mit seiner Kommunikation am schnellsten den Resonanzpunkt im System trifft und vorher seine Wette darauf platziert hat.
Methodik des Leitfadens
Der Leitfaden stärkt Ihre Öffentlichkeitsarbeit via Social Media, in dem Fall Facebook, durch:
1 Erweiterung Ihres Verständnisses der Wirkungsprinzipien, die Netzwerken zugrunde liegen, denn Sie müssen verstehen, wo sie sich bewegen, um in diesem Raum Entscheidungen treffen zu können.
2 Erweiterung der Kommunikationsfähigkeiten Ihrer Mitarbeiter, denn je flexibler sie sich sprachlich und inhaltlich auf die Wellenlänge Ihrer Kunden einstellen können, desto anziehender und wirkungsvoller ist ihre Kommunikation.
3 Ressourcen und Inspirationen, damit Sie Ihren eigenen Weg finden verbindend zu kommunizieren, denn in einem Netzwerk geht es primär um die Qualität von Verbindungen und nicht um Ihre Interessen.
Quelle: www.facebook.de
Das ist das Fenster zur Ihrer Vernetzung: das Eingabefenster auf Facebook. Die bereits eingefügte Frage “was war heute los?” soll uns Textverfasser einladen, andere Menschen an unserer Welt teilhaben zu lassen. Wenn Sie sich privat in Facebook bewegen, werden Sie vielleicht schreiben: “heute einen langen Spaziergang an der Ostsee gemacht. Alltag raus. Endlich Ruhe im Kopf.” Es werden Antworten kommen wie “das sollte ich auch mal wieder machen.” oder “Sag mal wie oft warst du dieses Jahr eigentlich an der Ostsee???”. Es werden private Dinge ausgetauscht.
Und das ist wichtig: zwischen Menschen, die sich schon mindestens einmal begegnet sind. Mehr oder weniger intensiv: verflossene Schulfreunde, aber auch jemand vom letzten Netzwerktreffen mit dem man drei Worte gewechselt hat.
Aber es fand überwiegend schon einmal so etwas wie eine Begegnung statt. Das ist für die professionelle Arbeit aus der Sicht Ihres Unternehmens bedeutsam: entweder haben die Menschen überhaupt keinen blassen Schimmer von Ihnen oder sie haben bereits einen Eindruck.
Es macht durchaus Sinn einen positiven Eindruck vom Kunden weiter zu verstärken. Das habe ich bei meiner Arbeit als Facebookmoderator für ein großes deutsches Kulturinstitut erlebt. Die Meinung der Zielgruppe ist absolut positiv. Aber warum es dabei belassen? Wir konnten sehr gut erfassen, dass man auf einer positiven Meinung aufbauen kann und diese festigen kann.
1. Orientierung: wo befinden Sie sich mit Facebook?
1.1. Inhalte dieses Kapitels
“Wir brauchen eine Facebook-Strategie! Setzt doch mal den Praktikanten dran, der kennt sich damit aus!” – schallt es aus der Führungsetage, die eigentlich selbst keine Ahnung hat, was Facebook und der Social Media Kram ist. Sie planen in einem vollverdunkelten Raum, wie sie ihre Reichweite erhöhen, ohne dass sie die anderen sehen: sie wissen auch nicht, wo in diesem Raum Tische und Stühle stehen. Die Erfolgschancen zu erhöhen ist auf diese Art nicht unmöglich, amüsant für Außenstehende, aber zumindest sehr schwierig und zeitraubend für die Anwender dieser Strategie. In diesem Kapitel geht es daher um den Raum, in dem wir uns mit den sozialen Medien bewegen.
1.2. Facebook Genese: Welches Pferd reiten Sie?
Vielleicht kennen Sie die Genese von Facebook nicht. Facebook entspringt aus einem Universitätsnetzwerk. Der Gründer Mark Zuckerberg programmierte einen Algorithmus mit denen weibliche Kommilitoninnen nach ihrem Aussehen bewertet werden konnten. Mit Schulnoten und anonym übers Internet. Das traf einen Nerv in der Unigemeinde. Hier zeigt sich gleich die Qualität komplexer und instabiler Systeme: die Wirkung ließ sich nicht auf Unis beschränken. Facebook zog weitere Kreise und wurde außerhalb der Unis bekannt. In Facebook kann man den Beziehungsstatus angeben. Also ob man einen Partner hat oder Single ist. Das war damals ein Novum, weil es etwas sehr Privates so sichtbar nach außen kehrt.
Facebook wuchs aus dem Uniumkreis raus. Es kamen mehr und mehr Funktionalitäten dazu. Ab ca. 2007 kamen Unternehmen auf die Idee, sich in diesem Netzwerk einzubringen. Anfangs nahm das komische Formen an, weil ein Personenprofil auf einmal wie eine Firma hieß. Daten wie Geschlecht und Hobbies passten als Informationsfelder nicht mehr. Facebook nahm das Bestreben der Unternehmen auf und programmierte eine Lösung: die Fanpages. In ihrem Aussehen und ihren Funktionalitäten auf die Unternehmenskommunikation zugeschnitten.
Jetzt haben sich also die geschäftlichen Absichten auf das private Sofa der ursprünglichen Nutzer gesetzt. Wie ein Versicherungsvertreter, den man ungewollterweise in die Wohnung gelassen hat. Tja, wie geht man jetzt damit um? Wenn man in der Rolle des Versicherungsvertreters schon mal drin ist, dann sollte es wenigstens einen Austausch geben, bei dem keiner ein blödes Gefühl haben muss. Finden Sie auch?
1.3. Social Media aus der Vogelperspektive
Ich zitiere Wikipedia über Zweck von Social Media Marketing:
“Im Fokus des Social Media Marketings stehen gewöhnlich drei Bemühungen
Aufmerksamkeit für die Marke bzw. das Produkt generieren
Generierung von Online-Unterhaltungen zu Unternehmensinhalten
Animierung der Nutzer zum Teilen von Unternehmensinhalten mit ihrem Netzwerk”
Das ist die übliche Herangehensweise, wenn man Social Media von einer Marketingmentalität aus begreift. Daraus resultieren die oben genannten Ziele. Ich behaupte, dass durch diese Herangehensweise wesentliche Faktoren unterschlagen werden, die für das Zustandekommen einer guten Zielgruppenbeziehung fundamental wichtig sind.
Denn: die Ziele oben implizieren, dass es um das einseitige Erregen von Aufmerksamkeit geht: “ich muss auffallen”. In einem Dialog mit den Kunden geht es nur um die Inhalte des Unternehmens: “ich rede nur über mich”. Die Inhalte sind so angelegt, dass sie weiterverbreitet werden sollen: “ich möchte, dass du meine Absicht deinen Kontakten mitteilst.”
Was fällt unter den Tisch? Aufmerksamkeit für die Zielgruppe, ihre Lebenssituation und dass man sich für sie stark macht. Ein gelungenes Beispiel für Wertschätzung ist die Kampagne von Procter & Gamble “Danke Mama”. Im Zuge der Winterspiele in Sotschi wurde ein Kompliment an die Mütter dieser Welt gemacht. Sie haben ihren Söhnen und Töchtern, den heutigen erfolgreichen Olympioniken, beigebracht, immer wieder aufzustehen und sich nicht von Fehlern entmutigen zu lassen. In dem Video wird nicht über die Produkte des Unternehmens gesprochen, sondern ein wirklich emotional berührendes Kompliment an Mütter gemacht.
Sicher hat Procter & Gamble Produkte für diese Zielgruppe und möchte sie natürlich verkaufen, aber entwertet das das Kompliment? Schließlich betont die Kampagne eine Tatsache: die Mütter haben sich die längste Zeit ins Zeug gelegt, bis ihre Töchter und Söhne Gold endlich eine Medaille in den Händen hielten. Die Sponsoren, die mit ihren Logos auf den Skianzügen kleben, kamen erst viel später dazu. Durch das Video wird die öffentliche Wahrnehmung auf Menschen gelenkt, die sonst eher nicht im Rampenlicht stehen. Die Kampagne geht entlang mit den Grundwerten des Unternehmens, die laut ihrer Website sind: Integrität, Führungsqualität, Verantwortungsbewusstsein, Streben nach Erfolg und Vertrauen. Aus dieser Kampagne könnte man eine Social Media Disziplin für Unternehmen machen: wer macht das schönste Kompliment an seine Zielgruppen? Hier sieht man sehr gut die Parallele zum Offline-Leben und was dort funktioniert. Ein ehrlich gemeintes und charmantes Kompliment kommt gut an und schafft Nähe. Doch Vorsicht, wenn das Kompliment nicht zu den Werten und Produkten des Absenders passt. Eine Tabakfirma könnte eine derartige Kampagne nur schwer glaubhaft durchführen.