Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding

Die wichtigsten Werke von Oskar Meding - Oskar  Meding


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sanft ihre Tochter aufrichtend, führte sie dieselbe aus dem Salon nach den innern Gemächern der Damen.

      In dem großen weiten Raum tönte wieder der gleichmäßige Pendelschlag der alten Uhren durch die tiefe Stille und die Bilder der Urgroßeltern blickten wieder mit dem unveränderlichen, vornehmen Lächeln aus den Rahmen herab, — auch die Augen, die dort so ruhig und freundlich herabschauten, hatten geweint in vergangenen Tagen, und hatten mit stolzer Kraft ihre Thränen zurückströmen lassen zum eigenen Herzen, damit sie nicht das Mitleid oder die hämische Freude der Welt hervorrufen sollten, — und die ewig dahinrollende Zeit hatte nach den Stunden der Trauer und Pein wieder die Augenblicke des Glücks erscheinen lassen — es war das Alles nichts Neues in dem alten Hause des alten Geschlechtes.

      Dann wurde es laut im Vorzimmer, Säbelklirren ertönte draußen, der Diener öffnete die Thüre und herein trat der Lieutenant von Stielow, frisch blühend und heiter, mit leuchtenden Augen das Zimmer durchforschend. Befremdet blickte er den Diener an.

      »Die Damen waren soeben noch hier,« sagte dieser — »die Frau Gräfin hatte einen Geschäftsagenten empfangen, — sie müssen sich eben zurückgezogen haben, — ich will ihnen sogleich melden lassen, daß der Herr Baron —«

      »Nein, mein Freund,« rief der junge Offizier, — »lassen Sie nichts melden, — die Damen werden ja wohl bald wiederkommen und ich möchte sie ein wenig überraschen — sagen Sie nichts!«

      Der Diener verneigte sich und ging hinaus.

      Der junge Offizier ging einige Male im Salon auf und ab. Ein glückseliges Lächeln ruhte auf seinen Zügen, die Freude des Wiedersehens nach dieser verhängnißvollen Trennung, während welcher der Tod in so vielen Gestalten ihn drohend umringt hatte, die Aussicht auf den Ausdruck glücklicher Ueberraschung in den Augen der Geliebten — das Alles erfüllte sein jugendlich frisches Herz mit Wonne und Entzücken.

      Er näherte sich dem tiefen Fauteuil, in welchem Comtesse Klara gewöhnlich neben ihrer Mutter zu sitzen pflegte, und drückte seine Lippen auf die Lehne, an welcher ihr Kopf geruht haben mußte.

      Dann setzte er sich in diesen Lehnstuhl, schloß halb die Augen und überließ sich einer sanften, süßen Träumerei — und die Pendel der Uhren maßen die Zeit, welche über diese glücklichen, hoffnungsseligen Träume des jungen Mannes hinzog, mit demselben gleichmäßigen Schlag, wie die Augenblicke der Qual, welche hier soeben noch das Herz Derjenigen erfüllt hatte, deren Bild in jenen Träumen lebte.

      Während der junge Offizier hier träumend saß und sein Glück erwartete, war Klara in ihr Zimmer gegangen, — ein viereckiges Gemach mit einem großen Fenster, in grauer Seide dekorirt, vor dem Fenster ein Schreibtisch, daneben eine pyramidenförmig aufsteigende Etagère mit blühenden Blumen, deren feiner Duft den Raum erfüllte. Ueber dem Schreibtisch stand auf einem eleganten Bronzegestell ein großes photographisches Bild ihres Verlobten, das er noch vor seiner Abreise zur Armee ihr gegeben hatte; in einer Nische, die in der Ecke des Zimmers hergestellt war, sah man einen Betpult mit einem schönen, in Ebenholz und Elfenbein gearbeiteten Kruzifix, — eine kleine, an der Wand hängende Schale mit Weihwasser daneben.

      Das Zimmer enthielt Alles, was vornehme Eleganz und Reichthum zur Verschönerung des Lebens bieten können, — dieser Raum war so erfüllt gewesen von Glück und Hoffnung, als die junge Gräfin ihn verlassen hatte, — und jetzt? Die Blumen dufteten wie vor einer Stunde, der Sonnenschein fiel durch das Fenster herein wie vorher, — aber wo war das Glück, — wo war die Hoffnung?

      Klara warf sich auf die Kniee vor dem Bilde des Gekreuzigten, wo sie so oft Trost gefunden hatte in den kindlichen Bekümmernissen ihres früheren Lebens, sie rang die schönen weißen Hände in inbrünstigem Gebet, ihre thränenschimmernden Augen hingen an dem Bilde des Erlösers, ihre Lippen bewegten sich in halblauten, flehenden Worten, — aber nicht wie sonst senkte sich Frieden und Ruhe in ihre Seele.

      In wilden Stürmen wogten ihre Gefühle durcheinander, es war tiefer, trauriger Schmerz über das verlorene Glück, es war zornige Entrüstung über das falsche Spiel mit ihrer Liebe, es war hochaufwallender Stolz über die Verachtung ihrer Gefühle, — es war endlich bitterer, eifersüchtiger Haß gegen die Unwürdige, der sie aufgeopfert war — das Alles wogte und wallte in ihrem Kopfe, in ihrem Herzen, in ihrem Blute durcheinander, und das Gebet, welches die Lippen sprachen, wollte nicht emporsteigen zum Himmel, das ruhige Licht gläubiger Ergebung wollte sich in ihrem Innern nicht entzünden.

      Sie stand wieder auf und seufzte tief — es war nicht mehr Schmerz, es war Zorn, was aus ihren Augen flammte, — sie biß die weißen Zähne auf die Lippe und ging im Zimmer hin und her, indem sie die Hände auf die Brust drückte, gleich als wollte sie den wogenden Strom der Gefühle niederhalten, die ihr das Herz zu zersprengen drohten.

      Dann blieb sie vor ihrem Schreibtische stehen und blickte mit zornigem, feindlichem Ausdruck auf das Bild des Herrn von Stielow.

      »Warum mußtest Du in meinen Lebenskreis eintreten,« rief sie, — »um mir meinen Frieden zu rauben und mich einige Augenblicke trügerischen Glückes mit so tiefen, furchtbaren Qualen erkaufen zu lassen!«

      Ihr Blick ruhte lange auf dem Bilde, langsam und allmälig verschwand der Ausdruck des Zorns aus ihren Zügen, ein milder, wehmüthiger Schimmer glänzte in ihrem Auge.

      »Und dieß kurze Glück war so schön!« flüsterte sie, — »ist es denn möglich, daß diese offenen, treuen Augen lügen können, ist es möglich, daß zu gleicher Zeit —«

      Sie sank auf den Sessel vor ihrem Tische nieder und halb unwillkürlich einer süßen Gewohnheit der letzten Zeilen folgend, öffnete sie eine Schatulle von Ebenholz, wunderbar schön in Perlmutter und Gold ausgelegt.

      In dieser Schatulle lagen die Briefe ihres Geliebten, die er ihr aus dem Lager geschrieben, Alles kleine, flüchtige Zettel, viele stark beschmutzt von den vielen Händen, durch welche sie gegangen waren, um bis zu ihr zu gelangen — sie kannte sie alle auswendig, diese Liebesgrüße, welche so wenig und doch so viel sagten, welche sie mit so vieler Sehnsucht erwartet, mit so viel jubelnder Freude empfangen, mit so viel stiller Glückseligkeit gelesen und wieder gelesen hatte.

      Wie mechanisch einer Gewohnheit folgend, nahm sie einen dieser Briefe und ließ ihr Auge langsam über die Zeilen gleiten.

      Dann aber warf sie das Papier mit einer Bewegung des Abscheus fort.

      »Und mit derselben Hand,« rief sie, »welche diese Worte schrieb —« sie vollendete nicht und blickte düster vor sich hin. — »Aber ist es denn wahr?« rief sie plötzlich, — »kann nicht die Bosheit, der Neid, — o ich wußte es ja, daß ihm diese Frau nicht fremd war — ich habe die Schriftzüge nicht nebeneinander gesehen, nicht verglichen — — mein Gott!« schrie sie erschrocken auf, »jener unglückselige Brief liegt noch im Salon, — wenn einer der Domestiken —!« und schnell aufspringend eilte sie aus ihrem Zimmer, durchschritt eilig die dazwischen liegenden Räume, trat in den Salon und näherte sich in rascher Bewegung dem Tisch, auf welchem das verhängnißvolle Blatt zwischen zwei Blumenvasen und einer Tapisseriearbeit lag.

      Das Geräusch ihrer Schritte weckte den jungen Offizier aus seiner Träumerei. Schnell fuhr er aus der halb liegenden Stellung empor, in welcher ihn die hohe Rücklehne des Fauteuils verborgen hatte, und sah Diejenige, deren Bild seine Gedanken erfüllt hatte, in wirklicher Erscheinung und unbeschreiblicher Verwirrung vor sich stehen.

      Es würde unmöglich sein, die Gefühle in Worten auszusprechen, welche die Brust des jungen Mädchens in diesem Augenblick erfüllten. Ihr Herz schlug zuerst hoch empor in freudigem Entzücken, so plötzlich den Geliebten vor sich zu sehen, mit schneidendem, erschütterndem Weh durchfuhr sie im nächsten Augenblick die Erinnerung an das, was sie für immer von dem verkörpert vor ihr stehenden Glücke trennte — ihre Gedanken schwirrten unklar durch einander, sie hatte weder die Kraft zu sprechen, noch sich zu entfernen, unbeweglich blieb sie stehen, die großen Augen starr auf die unerwartete Erscheinung gerichtet.

      Mit einem Satz war der junge Mann bei ihr, er öffnete die Arme, als wollte er die Geliebte umschlingen, aber schnell einhaltend ließ er sich vor ihr auf ein Knie nieder, ergriff


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