Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding

Die wichtigsten Werke von Oskar Meding - Oskar  Meding


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reicht zu keinem ernsten Gefechte mehr aus.«

      »Und was ist nach Ihrer Ueberzeugung zu thun?« fragte der König kalt und ruhig.

      »Majestät!« rief der General, »der Generalstab ist einstimmig der Ansicht, daß eine Kapitulation unerläßlich sei!«

      »Warum?« fragte der König.

      »Der Generalstab ist der Meinung, daß die Armee nicht marschiren kann!« rief der General, — »außerdem,« fügte er hinzu, »ziehen von allen Seiten weit überlegene militärische Streitkräfte heran, vom Norden melden die Vorposten, daß der General Manteuffel uns einschließt, im Süden hat der General Vogel von Falckenstein bedeutende Truppen von Eisenach herauf den Weg nach Gotha herüber dirigirt —«

      »Das wäre unmöglich gewesen, wenn wir gestern Abend vorgerückt wären,« sagte der König.

      »Das Vorrücken war unmöglich, wie der Generalstab versicherte!« rief der General von Arentschildt.

      Der König schwieg.

      »Majestät!« rief der General und schlug mit der Hand auf seine Brust, — »es wird mir schwer, das Wort Kapitulation auszusprechen, — aber es bleibt nichts Anderes übrig. Ich bitte Eure Majestät um Erlaubnis, mit dem General Vogel von Falckenstein in Verhandlungen zu treten!«

      »— Ich werde Ihnen meine Willensmeinung darüber in einer Stunde sagen,« sprach der König, — »lassen Sie Ihren Adjutanten hier!«

      Und er wendete sich ab.

      Der General verließ das Zimmer.

      »So muß es denn sein!« rief Georg V. schmerzlich, — »das Blut all' dieser Tapfern vergebens vergossen, — vergebens all' diese Pein, Angst und Unruhe, — und warum vergebens? — weil die Nacht mein Auge deckt, — weil ich nicht an die Spitze dieser tapfern Armee treten kann, wie meine Ahnen, — wie der große Braunschweiger, — o — es ist hart, sehr hart!«

      Und ein finsterer Ausdruck legte sich über die Züge des Königs; er biß die Zähne aufeinander und die blicklosen Augen hoben sich gen Himmel.

      Dann aber verschwand der Zorn und Grimm aus seinen Zügen, eine stille Ruhe legte sich über dieselben, ein schmerzliches, aber mildes Lächeln spielte um seine Lippen, er faltete die Hände und sprach leise:

      »Mein Herr und Heiland hat die Krone der Dornen getragen und auch für mich sein Blut am Kreuz vergossen, — Herr! — nicht mein — sondern Dein Wille geschehe.«

      Er bewegte die goldene Glocke, welche ihm aus seinem Kabinet zu Herrenhausen in das Feld gefolgt war.

      Der Kammerdiener trat ein.

      »Ich bitte den Grafen Platen, General Brandis, Graf Ingelheim, den Kabinetsrath Lex und Regierungsrath Meding, sogleich zu kommen.«

      In kurzer Zeit traten die Herren in das Zimmer.

      »Sie kennen die Lage, in der wir uns befinden, meine Herren,« sagte der König, »wir sind von feindlicher Uebermacht umgeben und der kommandirende General erklärt mir, daß die Truppen vor Erschöpfung nicht marschiren können, daß keine Lebensmittel und keine Munition vorhanden seien, — er hält eine Kapitulation für unerläßlich, — bevor ich mich entscheide, wünsche ich auch Ihre Ansicht zu hören. — Was meinen Sie, Graf Ingelheim?«

      Mit ernster, schmerzlich bewegter Miene sprach der Gesandte des Kaisers von Oesterreich:

      »Es ist tief traurig, Majestät, nach einem Tage wie der gestrige von Kapitulation zu sprechen, — aber wenn die Uebermacht erwiesen ist, die uns seit gestern Abend umstellt hat,« fügte er mit Betonung hinzu, — »dann wäre es ein unnützes Opfer so vieler braven Soldaten, — wozu Niemand Eurer Majestät rathen kann.«

      »Wenn man nur Jemand nach Berlin senden könnte!« — rief Graf Platen, »es wäre doch —«

      »Majestät,« unterbrach ihn der General von Brandis derb und mit zitternder Stimme, — »wenn es möglich wäre, daß Eure Majestät wie der Herzog von Braunschweig den Degen ziehen und selbst an der Spitze der Truppen reiten könnten, — dann würde ich auch jetzt noch sagen: Vorwärts! — und ich glaube, wir kämen durch, — so aber —« und er stampfte mit dem Fuß auf den Boden und wendete sich ab, um eine Thräne zu zerdrücken, die sein Auge verdunkelte.

      Der Regierungsrath Meding näherte sich dem Könige.

      »Majestät!« sprach er mit leicht gedämpfter Stimme, »das Unvermeidliche muß ertragen werden, — die Sonne scheint auch durch den trübsten Tag! Eure Majestät dürfen das Leben Ihrer Unterthanen nicht unnütz opfern, — aber,« fuhr er fort, »Eure Majestät sind auch der Geschichte verantwortlich und es muß konstatirt werden, daß ein fernerer Vormarsch unmöglich sei. Wenn ich Eurer Majestät einen Rath geben darf, so lassen Sie von dem kommandirenden General und allen Brigadekommandeurs auf ihre militärische Ehre und den ihrem Kriegsherrn geleisteten Eid vor Gott und ihrem Gewissen erklären, daß die Truppen weder marsch- noch kampffähig seien, und daß Lebensmittel und Munition fehlen. — Dann sind Eure Majestät vor jedem Vorwurf geschützt, den Ihre Armee, Ihr Land und die Geschichte Ihnen machen könnte!«

      Der König nickte zustimmend das Haupt.

      »So soll es geschehen!« sprach er. — »Setzen Sie mit dem Kabinetsrath das Schreiben an den General von Arentschildt aus!«

      »Und erlauben mir Eure Majestät,« rief Graf Ingelheim, »in diesem feierlichen Augenblick die Versicherung auszusprechen, daß Eure Majestät nach der schmerzlichen Prüfung, welche Gott jetzt über Sie verhängt, im Triumph in Ihre Residenz einziehen werden, so wahr Oesterreich und mein Kaiser den letzten Mann für Deutschlands Recht einsetzen werden.«

      Der König reichte ihm freundlich die Hand.

      »Sie haben auch unnütz die Strapazen des Feldzuges ertragen,« sagte er mit wehmüthigem Lächeln.

      »Nicht unnütz, Majestät,« rief Graf Ingelheim, — »ich habe einen König und eine Armee ohne Furcht und Tadel gesehen!« —

      Eine Stunde später empfing der König die geforderte Erklärung, vom kommandirenden General, dem Chef des Generalstabes und allen Brigadekommandeurs unterzeichnet. Die Kapitulation wurde mit dem General Vogel von Falckenstein geschlossen. Bald darauf aber traf der General von Manteuffel in Langensalza ein und auf Befehl des Königs von Preußen gab er Zusatzbestimmungen, welche in hohem Grade ehrenvoll für die hannöverische Armee waren.

      Die Offiziere behielten Waffen, Gepäck und Pferde und alle ihre Kompetenzen, — ebenso die Unteroffiziere ihr Gehalt.

      Die Mannschaften lieferten ihre Waffen und Pferde an die vom Könige von Hannover bestimmten Offiziere, welche sie sodann preußischen Kommissären übergaben, und wurden in ihre Heimat entlassen.

      Vor Allem aber sprach der General auf besondern Befehl des Königs von Preußen dessen höchste Anerkennung der tapfern Haltung der hannöverischen Truppen aus.

      Der König von Hannover sendete den Grafen Platen, den General von Brandis und den Regierungsrath Meding nach Linz voraus, um ihn dort zu erwarten, — er selbst begab sich zu kurzer Ruhe nach einem Schloß des Herzogs von Altenburg, — um von da nach Wien zu gehen und dort die weiteren Ereignisse abzuwarten.

      Die hannöverischen Soldaten aber, welche wie ein Donnerschlag aus heiterem Himmel die Nachricht von der Kapitulation traf, legten voll tiefen, bittern Schmerzes ihre Waffen nieder und zogen mit dem Stab in der Hand in die Heimat zurück, welche sie so kampfesfreudig verlassen hatten.

      Aber stolz und gehobenen Hauptes konnten sie zurückkehren, denn sie hatten gethan, was möglich war. Diese treue und tapfere Armee hatte auf dem letzten Ehrenfeld, auf welchem sie unter den alten Fahnen ihres Landes im Feuer stand, sich ein unvergängliches Denkmal des Ruhmes und der Ehre errichtet, und der ritterliche Kriegsherr der preußischen Armee war der Erste, der dieß Denkmal mit dem Lorbeerblatt seiner königlichen Anerkennung schmückte.

      Wer aber die Geschichte jener Tage kennt und ihren wunderbar verhängnißvollen Gang verfolgt, dem drängt


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