Die Bekanntschaft auf der Reise. Charlotte von Ahlefeld

Die Bekanntschaft auf der Reise - Charlotte von Ahlefeld


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ist wohl natürlich, und eben war meine Mutter im Begriff, mich um die Ursach meines ungewöhnlichen Stummseyns zu fragen, als mein Vater mit dem freundlichsten Gesicht von der Welt zu uns in's Zimmer trat.

      Denkt Euch nur, rief er frohlockend, ich werde noch die Freude haben, daß meine Nelkenflor weit und breit berühmt wird. Der Kammerherr Mehrfeld, der doch selbst, wie man sagt, auf seinem Gute Spillingen die schönsten Garten-Anlagen, und eine vollkommene Blumensammlung hat, ist neugierig geworden, die meinige zu sehn, da er sie allenthalben loben hört. Binnen einer Stunde wird er nebst seiner Gemahlin hier seyn — dies meldete mir eben sein Jäger, ein feiner Mensch, den er vorausgeschickt hat, zu fragen, ob ich zu Hause wäre.

      Meine Mutter schob ernst das Spinnrad weg, und schüttelte den Kopf. Der Kammerherr war ihr durch den Ruf längst als ein Mann von schlechten Sitten bekannt. Daß er im Vorüberreiten sich von mir ein Glas Milch geben ließ, da ich ihm gleichsam begegnete, hatte sie nicht auffallend gefunden; aber daß er so lange bei mir verweilte — daß er so gar sein Geld und seinen guten Willen mir antrug, und schon damahls, wo er noch kein Wort von unsern Nelken wußte, einen baldigen Besuch gegen mich erwähnte, den er uns zu machen wünschte — das hatte sie, als ich es ihr gleich nachher erzählte, mit einem bedeutenden Kopfschütteln beantwortet, das jetzt, als sie es wiederholte, noch stärkere Schattirungen von Mißtrauen an sich trug, wie das erstemahl. Der Zusatz: mit seiner Gemahlin, verscheuchte indessen wieder die Falten aus ihrem Gesicht, und sie eilte so sehr als ich, um Anstalten zum Empfang unsrer vornehmen Gäste zu machen.

      Die frohste Empfindung meines Lebens durchdrang mein Innres mit all' den Entzückungen, die Hoffnung und Gewißheit im freundlichen Wechsel dem liebenden Herzen gewähren können, das alle seine Wünsche in einen einzigen zusammendrängt, der seiner schönen Erfüllung sich nähert. Ich werde ihn wiedersehn! — dieser Gedanke verschlang jede andre Vorstellung, und wiegte mich in himmlisch süße Fantasieen. Die schwarzen herrlichen Augen, mit denen er so tief in meine Seele blickte — ich sah sie vor mir, wie er sie sanft und zärtlich unter den dunklen Wimpern empor schlug — ich übersetzte ihren rührenden Ausdruck in Worte, und es war ein Bekenntniß der Liebe, dem mein ganzes Wesen mit leiser Sehnsucht, mit glühender Leidenschaft entgegen wallte. Ich werde ihn wiedersehn! — diese liebliche Aussicht trieb mich in meine Kammer, und mit eben so viel Eil als Sorgfalt legte ich mein bestes Sonntagskleid an — und als ich den Wagen heranrollen hörte, und durch die zugezogne Gardine meines Fensters den geliebten Lorenz erblickte, der ihn zu Pferde begleitete — da warf ich noch einmahl einen Blick der Unzufriedenheit, daß ich nicht hübscher war, in meinen kleinen Spiegel, und dann trat ich hervor, und hieß den Kammerherrn und seine Gemahlin willkommen.

      Diese letztere war eine schöne Frau, die durch ihre Gestalt und ihre Manieren beim ersten Anblick eine günstigere Meinung erregte, als ihre Denkungsart bei näherer Bekanntschaft verdiente. Ihr Umgang mit der großen Welt hatte der Herablassung, mit der sie geringere Leute zu behandeln pflegte, etwas unendlich feines und anmuthiges gegeben. Jede Verlegenheit, die aus ungleichen Verhältnissen entsteht, wußte sie mit ihrer einnehmenden Freundlichkeit aus dem Kreise zu entfernen, der sie umgab, und ob gleich ihr Verstand weder sehr gebildet noch lebhaft war, so machte doch ihre geistreiche Miene, daß man selbst die alltäglichsten Einfälle, die sie hatte, immer für witziger und feiner hielt, als sie wirklich waren.

      Kaum hatte mich der Kammerherr bemerkt, als er seiner Frau einen leichten Wink nach mir hin gab, wobei er ihr einige Worte auf französisch sagte. Sie sah mich lange mit ihren hellen, forschenden Augen an, und theilte dann das schlaue Lächeln, das auf ihren Lippen schwebte, unter ihn und mich. Beide führten noch einige Minuten ein sehr lebhaftes Gespräch, und ob ich es gleich nicht verstand, so sagten mir doch ihre Blicke und mein Gefühl, daß ich der Inhalt desselben war. Es endigte sich mit einem Kuß, den der Kammerherr zärtlich auf ihre Hand drückte — hierauf folgten sie meinem Vater, der vor gutmüthiger Ungeduld brannte, ihnen seine Schätze zu zeigen, und meine Mutter und ich begleiteten sie in den Garten.

      Der Kammerherr gab sich die Mine eines Kenners — um so mehr schmeichelte der laute entschiedene Beifall, mit dem er alles überhäufte, was er sah, und die bewunderungsvollen frohen Ausrufungen der gnädigen Frau vollendeten den Triumph meines Vaters, den die Lobsprüche, die man ihm ertheilte, in die heiterste Stimmung versetzten. So ungern er sonst seine Blumen einem andern Schicksal als ihrem langsamen Verblühen, Preis gab, so machte er diesmahl doch eine Ausnahme, und hieß mir, die schönsten derselben in einen Straus winden, um ihn der Kammerherrin zu überreichen. Ich flog an's Nelkenbeet und erfüllte sein Verlangen, nur eine Nelke — mein Liebling unter allen — einfach an Farbe, aber von herrlichem Geruch — — diese brach ich für mich, und behielt sie zurück, weil ich eine schönere Bestimmung für sie ahndete. Mir war, als stände Lorenz vor mir, und verlangte sie mit flehendem Blicke, als ein Unterpfand meiner Gunst. Ich barg sie tief in meinen Busen, den seelige Hoffnungen schwellten, — Hoffnungen, die in das Morgenroth der Liebe getaucht, kaum in der Erfüllung so süß, wie in ihrem Entstehen sind, — — und mit eilenden, und dennoch zögernden Schritten ging ich ins Haus, wo mich sein Anblick erwartete.

      Den Ausdruck eines herzlichen, arglosen Vertrauens in seinen Zügen kam er mir freundlich entgegen. Theure, liebe Justine! sagte er, denn er hatte meinen Namen nennen hören, — ich freue mich sehr, Dich wieder zu sehn! — Der Ton seiner Stimme bekräftigte dieß, und drang wie eine schöne Melodie tief und lieblich in meine Seele. Ich mich auch, versetzt' ich leise, und stand vor ihm mit gesenktem Auge, — Wir wechselten noch einige Worte, — ich weiß nicht mehr, welche. Mein Herz klopfte voll süßer Betäubung, — auch Er schien innig bewegt. Ohne zu wissen, wie? hielt ich die Nelke in der Hand, und als ich aufsah, bemerkt' ich, daß er eine Rosenknospe von seinem Hute nahm. Wir blickten uns lange schweigend an, — sein Auge bat, — ich reichte ihm die Blume hin, die in meinen Händen zitterte, — er gab mir dafür die Rose, und ich preßte sie mit Innigkeit an meine Brust; — es war, als hätte sich der Tausch der Blumen auch über unsre Herzen erstreckt! —

      Dieß ist jene Rose, fuhr Justine mit dem stillen Ernst der Wehmuth fort, und wieß auf den Schattenriß, mit dem sie verbunden war. Heilig hob ich sie auf, als ob mir damahls ahndete, daß mir nicht viel von den schönen Tagen übrig bleiben würde, die sich an diese köstliche Stunde knüpften, und die eben so schnell als unaufhaltsam vorüber flohn. Lange Zeit, — als ich noch nicht so ruhig war, als jetzt, — konnte ich sie nicht ohne Thränen sehen; endlich aber besänftigte sich mein Schmerz, und seitdem hab' ich manchen angenehmen Augenblick in ihrem Anschauen zugebracht. Wenn dann die Reihe meiner süßesten Erinnerungen sich glänzend aus der trüben Vergangenheit erhob, o dann schlug ich mein Auge, zwar feucht, doch ruhig gen Himmel, und dachte: Du hast mir viel Freuden gegeben, — darf ich murren, daß Du mir sie wieder genommen hast, da es das Loos eines jeden Sterblichen ist, Glück und Unglück zu tragen, wie Deine Vaterhand es austheilt. — Dieser Gedanke goß Frieden in meine Seele, wenn sie auch zuweilen noch stürmte, und immer rufe ich ihn mir zurück, wenn eine Klage wider die Härte meines Schicksals in mir laut werden will.

      Die Minuten, von denen ich jetzt spreche, gehören mit unter die glücklichsten meines Lebens. Lorenz war mir näher getreten, — seine Wangen glühten, — seine Augen strahlten ein Feuer, das rein wie sein Herz, glühend wie seine Liebe mein Inneres sympathetisch durchströmte. Er faßte meine Hand, — willig ließ ich sie ihm, und erwiederte leise den Druck der seinigen. In einem süßem Vergessen meiner selbst verlohr ich die ganze Welt, — verlohr ich Vergangenheit und Zukunft aus den Augen, — nur die Gegenwart fühlte ich, die wie ein Engel der Freude mir lächelte. Lorenz drückte mich an seine schlagende Brust, und der erste Kuß, den ich noch je von einem Manne, außer meinem Vater empfing, verschloß meine brennenden, schweigenden Lippen, die sich vergeblich zu reden bemühten.

      Mir war höchst sonderbar. Wir hatten so wenig zusammen gesprochen, und dennoch war ohne Worte eine Vertraulichkeit unter uns entstanden, in der ich zwar nichts strafbares fand, die mich aber doch erröthen machte, da ich mir nicht erklären konnte, wie es zugegangen war. — Ich werde Dich nun öfter sehn, Justine! sagte Lorenz, aber so sehr ich auch dieß wünsche, so gefällt mir doch die Art und Weise nicht, wie es geschehen soll. Weißt Du, daß Dich die gnädige Frau als Kammerjungfer zu sich nehmen will?

      Mich? rief ich voll Erstaunen. Sie hat mich ja heute zum erstenmahl


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