Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Theodor Gottlieb von Hippel
seyn wird. Stärke der Seele, Muth, Überlegenheit des Verstandes, ein größeres Maaß von Urtheilskraft, Festigkeit des Willens, eine größere Stärke des Gefühls und andere dergleichen Seelenvorzüge der Menschen sind es, die sich die Männer auf Kosten des weiblichen Geschlechtes als Erstgeburtsrechte zueignen. Sie sind mit dem Erdenall, das man zuweilen Erdenball heißt, von Gott belehnt — die edlen Lehnsträger! — Da sie indeß Kläger und Richter in Einer und selbsteigner Person sind, so scheinen sie noch gütig zu seyn, wenn sie Weiber bei Menschenseelen rechtskräftig belassen. — Ob nun (nachdem es dem männlichen Geschlechte rühmlichst gelungen, die andere Hälfte der menschlichen Schöpfung, welche nach ihrer Bestimmung mit ihm ein Ganzes ausmachen sollte, zu unterjochen und sie an den Menschen- und Bürgerrechten nur bittweise, nur in so weit es seinem Majestätsrechte nicht zu nahe tritt und ihm nicht die Krone bricht, großmüthigen Antheil nehmen zu lassen) — ob nun alle jene Erscheinungen Wahrheiten oder Täuschungen sind, ist eine Preisfrage, die mit vielen andern es gemein hat, daß die Antworten auf dieselbe von beiden Seiten hinken. — Auf diese Erscheinungen indeß dem schönen Geschlechte alle jene Geistesfähigkeiten abzuläugnen und ihm in falschem Spiel seinen Rang abzugewinnen, heißt gerade so verfahren, wie gegen die Amerikaner, denen man, auf die Aussage einiger Beobachter, die keinen Bart unter ihnen gesehen hatten, dieses männliche, übrigens sehr beschwerliche, Ehrenzeichen nicht nur absprach, sondern aus dem Mangel desselben auch die richtigen Folgen ableitete, daß die Natur ihnen die Keime dazu versagt habe, und daß sie mithin zu einer weit geringern Menschenklasse gehörten, nicht minder daß sie unmöglich von Einem Erzvater mit uns abstammen könnten. Was für eine Hauptrolle der Bart spielen kann, der denn doch, nach dem bekannten Sprichworte, keinen Philosophen macht! Besser wär' es freilich gewesen, wenn man sich die Mühe gegeben hätte, zu untersuchen, ob die Abkömmlinge des Mankokapak dies männliche Unterscheidungszeichen, das übrigens immer ehrenwerth und nützlich seyn und bleiben mag, nicht eben so unbequem fanden, wie die Söhne Japhets, und ob sie, in Ermangelung des Aufklärungsmetalls, des Eisens, nicht zu einem andern Mittel ihre Zuflucht genommen haben, diesen beschwerlichen Gast los zu werden. — Nach genauerer Beobachtung fand sich der Bart, und die Präadamiten büßten abermals einen Sieg ein, den sie schon vermittelst eines so stattlichen Arguments in ihren Händen glaubten — Das weibliche Geschlecht äußert nicht jene hervorragenden Geistesfähigkeiten, heißt bei weitem nicht: die Natur hat ihm die Anlagen dazu versagt, und also — o der unbärtigen Schlußfolge! — steht es eine Stufe niedriger auf der Jakobsleiter der Schöpfung. Sind wir etwa Gott ähnlich, und hat das andere Geschlecht bloß die Ehre uns von Gottes Gnaden ähnlich zu seyn? Warum nicht gar —! Nicht durch Körper, durch Sinne, durch Einbildungskraft nähern wir uns dem Urgeiste, sondern durch den Geist; und wie? fehlt es den Weibern an Verstand und Willen? an der Fülle des Geistes? Überlegen wir nicht oft durch sie? Würzen sie nicht in unzähligen Fällen mehr mit dem Salze der Erden, ohne das nichts schmackhaft ist, mit Vernunft? und ihre Tugend — ist sie nicht vielfältig reiner, als die werthe unsrige? Übersteigt unsere Eitelkeit die weibliche nicht an allen Enden und Orten? War jener Pharisäer und sein ganzer Jesuiterorden nicht aus unserm Geschlechte? Kann ein braves Weib (und deren giebt es viele) ohne Schrecken und Entsetzen an den Pharisäer neuerer Zeit denken, der mit seinen Bekenntnissen vor Gottes Thron treten, dem Weltgerichte entgegen gehen und sagen will: Wer besser ist, werfe den ersten Stein? Würde nicht selbst Therese mehr als Einen Stein haben heben können, wenn sie nicht durch diesen Gerechten wäre verdorben worden? Können die Anlagen sich entwickeln und Keime treiben, wenn keine wohlthätige Hand sie pflegt? wenn alles so gar sich vereinigt, sie zu unterdrücken und, wo möglich, auszurotten? Sind nicht von Zeit zu Zeit aus dem andern Geschlechte große Seelen aufgestanden, die alle jene ihnen aberkannten Geisteseigenschaften in einem sehr vorzüglichen Grade besaßen? Woher diese eben nicht so seltenen Erscheinungen, wenn es nicht Anlagen dazu in den Weiberseelen gäbe, und es nur eines Zusammentreffens günstigerer Umstände bedürfte? einer pflegenden Hand, um diese zu entwickeln und ihren Kräften jenen Schwung beizulegen, ohne welchen sie nie ihre eingeengte Bahn verlassen hätten? Oder wollen wir der Natur lieber Mißgriffe aufbürden, um nur unser System zu retten? eher das vierte Gebot in Hinsicht dieser unserer guten Mutter so gröblich übertreten, als unsere vermeintlichen Standesrechte aufgeben? Ohne die großen Namen der Fabelwelt von den Todten zu erwecken, denen man denn doch nicht jeden Funken der Wahrheit abstreiten wird — wer wage es, Zenobien, und einer Anna Komnena einen über ihre männlichen Zeitgenossen hervorragenden Verstand und Urtheilskraft, einer Elisabeth Herrschertalente, Marien Theresien Muth und Standhaftigkeit abzusprechen? Will man den Gesichtspunkt näher rücken? Es sey und gelte zwei weltberühmte Namen! Catharina die Zweite und Voltaire. Nicht die Selbstherrscherthaten der Ersteren, nicht die Kriegeslorbeern, die SIE in IHR Diadem geflochten, nicht der postische Nimbus, der die Götter der Erden umgiebt — IHR Briefwechsel entscheide, wo SIE nicht im Kaiserglanz, nicht mit den Palmen einer Weltüberwinderin erscheint — und seht! SIE bleibt groß, wie SIE ist — und Voltaire? klein, so klein, wie er war, so bald die Wahrheit ihm ihren magischen Spiegel vorhielt. Sein theures Selbst ist immer die erste Person; die große Frau muß sich mit der zweiten begnügen. Sie soll — man denke! — Constantinopel erobern, oder wenigstens zu Taganrok IHRE Residenz aufschlagen, damit er kommen und IHR die Füße küssen könne, weil es in Petersburg für den alten Eremiten von Ferney zu kalt sei. Noch nicht befriedigt, daß die Kaiserin seinen Uhrmachern für 8000 Rubel Uhren abnimmt, soll SIE sogar, um seine Fabrikanten in Nahrung zu setzen, einen Uhrenhandel mit China in Gang bringen. Ihr weises Stillschweigen versteht er entweder wirklich nicht, oder — was glaublicher ist — er will es nicht verstehen, bis SIE ihm denn endlich mit seinen, einer Kaiserin und eines poëtischen Philosophen so unwerthen Mercantilgeschäften an ein costiges Handlungshaus assignirt. Die prosaischste Leidenschaft unter allen, der leidige Geitz, brachte Voltaire'n vom Parnaß auf eine Börse — König Friedrich Wilhelm der Erste charakterisirte seine Gemählde durch die Losung: in tormentis pinxit. In der That, Voltaire schrieb hier in ebenderselben Seelenstimmung. Sonst pflegt das Genie den Dichter über sich selbst und alle Regeln hinweg zu setzen und ihm Dinge zu inspiriren, die größer als er selbst, die göttlich sind, und die er selbst nicht umhin kann, mit Ehrfurcht und Bewunderung anzustaunen. Wo ist hiervon die kleinste Spur? Wir sind ehrgebiger, weil wir ehrsüchtiger sind; und Voltaire war beides in tausend Fällen, nur hier gewiß nicht: Sein Instrument, das er sonst meisterlich spielte, ist völlig verstimmt; und war es bei diesen Umständen Wunder, daß seine Schmeicheleien Gallicismen wurden, wie man sie an der Seine täglich zu Tausenden hören kann? Die Briefe der Kaiserin führen die Sprache der Natur; nur in Fällen, wenn SIE dem eitlen Voltaire ein Opfer bringen will, zahlt SIE ihm Münze von seinem Gepräge, so wie jener Fürst einem unverschämten Poëten Verse mit Versen bezahlte. Nur auf eine scherzhafte Weise spricht SIE von IHRER Person, während die ganze Welt nicht aufhören kann, ehrfurchtsvoll IHREN Namen zu nennen; IHRER großen Thaten erwähnt SIE so wenig, als wenn sie sich von selbst verständen — Immer beschäftiget, IHRE unermeßliche Monarchie reich an Menschen und an edler Denkart zu machen, entwirft SIE, während SIE die Ottmannli schlägt, die Conföderirten in Pohlen zerstreuet, der Pest gebietet und den Räubereien des Pugatschef widersteht, ein Gesetzbuch für IHR Volk, das SIE aus allen Zungen und Sprachen unter dieses Gesetz versammelt, um, wie am Pfingstfeste, Einen Geist über dasselbe auszugießen und es zu Einem Ziele zu veredlen. Gleich stark im großen und kleinen Regierungsdienste, führt SIE die Inoculation der Blattern ein, beschäftiget SICH mit der Erziehung, erndtet tausendfältig von den durch sie gestifteten Anstalten, erfindet und ordnet Feste an für den Prinzen Heinrich, und hat — Muße ohne Anstrich von Eitelkeit, an den eitlen Voltaire zu schreiben. Diese Seelen mit einander abgewogen, und die Wagschale wo möglich in der Hand eines höheren Wesens — welche wird fallen? welche steigen? Doch warum höheren Wesens? So tief fielen die Menschen noch nicht, um nicht Ehre zu erweisen, wem Ehre gebührt — Wozu eine vollständige Nomenklatur von berühmten Weibern, von solchen die das Schicksal zu Kronen berief, und die sie mit Würde trugen? — Es sei genug, eine Margaretha von Dänemark, eine Christina von Schweden, eine Sophia Charlotta von Preußen zu nennen; und von denen, die, wenn sie Männer gewesen wären, diesem Geschlecht Ehre gemacht hätten — verdienen nicht eine Cornelia, die edle Mutter der Gracchen, eine Arria und die durch so viele