Wegweiser durch das sächsisch-böhmische Erzgebirge. Berlet Bruno
und hat seine grösste Ausdehnung um Eibenstock und Kirchberg. Ausser diesen Hauptgebirgsarten zeigt sich an mehreren Orten Porphyr, Syenitporphyr und Quadersandstein; wie denn auch der häufig vorkommende Basalt daran erinnert, dass im Erzgebirge einst bedeutende vulkanische Durchbrüche stattgefunden haben.
4. Berge. – Auf dem Rücken des Erzgebirges erheben sich mehrere Gipfel, welche zum Theil an Höhe sogar die obersten Spitzen des Thüringer Waldes und des Harzes übertreffen. Wenn sie trotzdem nicht so gewaltig als diese erscheinen, so hat dies seinen Grund darin, dass sie auf einer sehr hohen Unterlage ruhen.
Als die ansehnlichsten, aus Urgebirge bestehenden Gipfel sind zu nennen: der Keilberg und der Fichtelberg bei Oberwiesenthal (jener 3812, dieser 3708 P. F. hoch); der Spitzberg bei Gottesgabe (3444´), der Eisenberg bei Unterwiesenthal (3166´), der Auersberg bei Wildenthal (3120´), der Hirschkopf bei Karlsfeld (2992´), der Rammelsberg bei Sachsenberg (2972´), der Wieselstein bei Langewiese (2944´), der Kahlberg bei Altenberg (2803´), der Kupferhügel bei Kupferberg (2790´), der Lugstein bei Zinnwald (2752´), der Schneckenstein bei Gottesberg (2690´), der Rabenberg bei Johanngeorgenstadt (2636´), der Eselsberg bei Sosa (2635´), die Morgenleite bei Schwarzenberg (2488´), der Kuhberg bei Stützengrün (2426´), der Schwartenberg bei Seifen (2394´), der Kapellenberg bei Schönberg (2337´), die Tellkuppe bei Bärenburg (2323´) und der Greifenstein bei Geyer (2234´).
Daneben giebt es mächtige Basaltberge, welche als hohe, freistehende Pyramiden oder Kegel erscheinen. Wir erwähnen: den Hassberg bei Pressnitz (3051´) den Bärenstein bei Weipert (2762´), den Pöhlberg bei Annaberg (2567´), den Geising bei Altenberg (2534´), den Scheibenberg bei der gleichnamigen Stadt (2470´), den Spitz- oder Sattelberg bei Schönwald (2235´), den Luchberg bei Glashütte (1782´) und den Wilisch bei Reinhardsgrimma (1466´). – Eine schöne Aussicht gewähren ausser den genannten Bergen noch: der Reischberg bei Pressnitz, die Luisensteine bei Brandau, der Glöselsberg bei Niklasberg, das Mückenthürmchen bei Graupen (2511´), die Nollendorfer Höhe bei Peterswalde (2142´), der Stein in Schöneck (2301´), Schloss Augustusburg, die Schönerstädter Höhe bei Oederan, die Saydaer Höhe, die Burgruine Frauenstein, der Burgberg bei Lichtenberg und die goldene Höhe zwischen Dippoldiswalde und Dresden (1054´).
5. Waldungen. – Reichlich die Hälfte des Erzgebirges ist mit Wald bedeckt. Die grössten Forste befinden sich in den Revieren Auerbach, Schöneck, Schwarzenberg und Crottendorf. Vorherrschend ist Nadelholz; doch treten neben Fichtenwald zusammenhängende Buchenbestände auf: so bei Tharandt, Olbernhau, Marienberg und Steinbach. Der grösste Theil der Waldungen ist Eigenthum des Staates und wird musterhaft bewirthschaftet.
6. Flüsse. – Das Erzgebirge ist der Quellort für zahlreiche Flüsse, Flüsschen und Bäche, welche allesammt dem Elbgebiete angehören. Die wenigsten von ihnen haben den Abfluss nach Süden, wie die Zwota und Biela; bei weitem die meisten rinnen nach Norden und münden unmittelbar in die Elbe, wie die beiden Mulden als vereinigte Mulde, die Weisseritz, Müglitz und Gottleuba, oder fallen zuvor in die Saale, wie die Elster und Pleisse, oder in die Mulden, wie alle übrigen.
Die nordwärts laufenden Gewässer haben beim Herabgleiten die im Boden vorhanden gewesenen Spalten nach und nach erweitert und zahlreiche Vertiefungen und Kessel, Gründe und Thäler gebildet und so der Landschaft besondere Reize verliehen. Am anmuthigsten sind die Thäler der Elster, der Zwickauer Mulde, des Schwarzwassers, der Sehma, der Zschopau und der Müglitz; am wildesten die der schwarzen Bockau im schwarzen Grund bei Pobershau und der rothen Weisseritz im Rabenauer Grunde.
7. Klima.[3] – Während gewöhnlich die Temperatur von Norden nach Süden zunimmt, ist es im Erzgebirge wegen des Ansteigens des Bodens umgekehrt. Dieser Umstand wirkt ungünstig auf das Klima ein. Engelhardt's Vaterlandskunde von Sachsen sagt: »Lange Winter mit viel Schnee, späte Einkehr des Frühlings und rascher Uebergang aus diesem zum Sommer, schöner klarer Herbst, Spätfröste noch im Mai, frühzeitige schon im September – das sind die Hauptkennzeichen des Klimas; ganz wesentlich hat jedoch zu dessen Verbesserung die Entwässerung der Sümpfe beigetragen.« Dabei sind aber die Thäler mild und die Höhen eigentlich nur wenig kälter, als die entsprechenden anderer deutschen Mittelgebirge. Auch ist die Luft leicht und rein und für Brustkranke, deren Leiden noch nicht zu weit fortgeschritten, sehr zuträglich. Cholera ist dem obern Erzgebirge bisher fern geblieben, und Wechselfieber gehören allda zu den seltensten Fällen.
Für das erzgebirgische Klima spricht auch, dass der Getreidebau bis weit in die Berge hinauf reicht. Bei einer Höhe von 1800 bis 2000 Fuss erntet man noch Raps, Roggen und Weizen; am rauhen Gebirgskamme, wie bei Gottesgab und Oberwiesenthal, allerdings nur Hafer, Flachs und Kartoffeln. Am ergiebigsten zeigen sich die Kartoffeln. Sie sind auch gegen Ende des 17. Jahrhunderts zuerst in dem Dorfe Würschnitz bei Adorf angebaut und von dort aus erst später weithin verbreitet worden. – Wer Näheres über die Pflanzenwelt des Erzgebirges wissen will, dem empfehlen wir: Dr. Stössner: Die Vegetationsverhältnisse von Annaberg und Umgegend, Annaberger Realschulprogramm vom Jahre 1859; A. Israel: Schlüssel zum Bestimmen der bei Annaberg und Buchholz wild wachsenden Pflanzen, und O. Wünsche: Excursionsflora für das Königreich Sachsen.
8. Einwohnerzahl und Staatsangehörigkeit. – Das Erzgebirge gehört zu den dicht bevölkertsten Gegenden Sachsens, ja Deutschlands. Was urbar zu machen war, hat man urbar gemacht; man verfuhr nach dem Grundsatze: »Wo der Pflug kann gehn, soll der Wald nicht stehn!« und half, wenn der Pflug wegen der Steilheit des Bodens doch nicht gehen konnte, auch noch mit Grabscheit und Hacke nach. Daher findet man, wo man schlichte Bauerndörfer vermuthet, ansehnliche Städte, und wo man in waldigem Thal kleine Weiler voraussetzt, langgedehnte Dörfer. Dabei hat jedes Haus zahlreiche Insassen: auf die Quadratmeile kommen im Gebirge eben mehr als 10,000 Einwohner.
Die Bevölkerung des Erzgebirges erscheint viel gleichartiger als die von anderen deutschen Mittelgebirgen. Abgesehen von der geringen Gliederung des Bodens, welche ein Abschliessen nicht begünstigt, und von dem regsamen Handel, welcher unwillkürlich ein Annähern der Leute herbeiführt, trägt dazu sicherlich bei, dass die Landschaft nur zwei Staaten angehört und dadurch einen angenehmen Gegensatz zu Thüringen und dem Harze bildet, wo die politischen Grenzen so merkwürdig ausgezackt und vielfach verschlungen sind. Der Südabhang des Erzgebirges und ein Theil des Kammes gehören zu Böhmen, der andere Theil des Kammes und die Nordabdachung zu Sachsen. Dabei stellt die staatliche Grenze zugleich die Scheidung zweier Kirchengebiete dar: wer aus dem protestantischen Sachsen über die böhmische Grenze schreitet, wird an den errichteten Kreuzen und Heiligenbildern bald merken, dass er auf gut katholischem Boden wandert.
9. Menschenschlag. – Der erzgebirgische Menschenschlag ist ein ursprünglich kräftiger, wie man ihn heute noch am Südabhange und in den Wald- und Ackerbaudistrikten antrifft; in den Fabrikgegenden aber ist er durch Stubenarbeit oder allzu geringe Nahrung, welche fast nur aus Kartoffeln und dünnem[4] Kaffee besteht, mehrfach verkümmert.
10. Volkstracht. – Eine eigentliche Volkstracht ist im Erzgebirge nicht mehr vorhanden. Namentlich auf der nördlichen Seite »hat die Kultur fast Alles beleckt« und die Mode beinahe jedes altväterische Kleidungsstück beseitigt. Unter den Männern haben nur die Bergleute noch einen besonderen Anzug und unter den Frauen tragen nur die Bäuerinnen, welche in den entlegensten Dörfern wohnen, noch faltenreiche Röcke und steife Haubenschleifen oder glatte Pelzmützen.
11. Volkscharacter. – Der Erzgebirger ist höflich, gefällig und äusserst genügsam. Gern steht er dem Fremden Rede und im Zwiegespräch sucht er unaufgefordert das Beste zur Unterhaltung beizutragen. Von seiner Genügsamkeit zeugen die einfache Wohnung und die noch einfachere Kost. Dazu kommt Frohsinn, eine ungemeine Verträglichkeit und grosse Liebe zur Reinlichkeit. Im Erzgebirge wird eifrig gesungen und noch eifriger musicirt; Breitenbrunn und Klostergrab,