Die beliebtesten Jungmädelgeschichten von Else Ury. Else Ury

Die beliebtesten Jungmädelgeschichten von Else Ury - Else  Ury


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      »Etwas hast du, was viel, viel schöner ist, als alles, was mir gehört,« Annemie warf dabei einen Blick auf Lenchens Füße, »deine süßen, kleinen Holzpantinen!«

      »Die ollen Dinger? Die will ich dir gern schenken, Annemarie, in Oderberg bei Großmuttern gibt’s andere.« Und da flog auch schon ein kleiner Holzschuh auf das Ufer vor Annemies Füße.

      Die traute ihren Augen nicht.

      »Soll ich den denn wirklich haben?« fragte sie und streichelte den Schuh voller Seligkeit.

      »Natürlich«, und da machte auch sein Bruder die Reise durch die Luft ans Ufer.

      »Dann schenke ich dir dafür meine weißen Stiefelchen!« Im Umsehen hatte Klein-Annemarie ihre schönen Leinenstiefelchen ausgezogen und – heidi – da flogen sie wie zwei weiße Täubchen zu Lenchen hinüber.

      Das machte ein ebenso glückseliges Gesichtchen wie Annemie. Ganz versunken standen die beiden Kinder in den Anblick ihrer neuen Schuhe, sie merkten es gar nicht, daß das Schiff sich langsam in Bewegung setzte.

      Erst als sie schon mehrere Meter vom Ufer entfernt waren, rief Lenchen plötzlich: »Wir fahren ja schon – adieu, adieu, Annemarie!«

      »Adieu, Lenchen, leb’ wohl – komm bald wieder!« schrie Annemie hinter dem abfahrenden Schiff her, und dann winkte sie mit ihren kleinen Pantinen, und Lenchen winkte mit den schönen weißen Stiefelchen zurück.

      Plötzlich fiel es Annemie ein, daß sie ja ihrer Freundin Lenchen noch ein Stück das Geleit geben könnte. Sie fuhr in die ersehnten kleinen Holzpantinen – klapp – klapp – da lag sie auf dem Näschen. Ja, Annemie, alles will gelernt sein im Leben, selbst das Laufen in Holzpantoffeln.

      Als Annemie wieder in die Höhe gekrabbelt war und ihr Kleidchen abgeklopft hatte, war Lenchen schon ein ganzes Ende fort. Da begann die Kleine Gehübungen zu machen. Sie mußte richtig wie Hanne und Lenchen in den Schuhen laufen können, sonst ging es Fräulein am Ende nachher auf dem Nachhauseweg zu langsam.

      Klapp – klapp – hin und her – erstaunt sahen die Vorübergehenden auf das allerliebste kleine Mädchen im weißen Mullkleide mit der rosa Seidenschärpe und dem merkwürdigen Schuhwerk. Da blieb mancher kopfschüttelnd stehen und sah den Gehversuchen zu.

      Nachdem Annemie noch mindestens ein halbes Dutzend Mal auf das Näschen gepurzelt war, konnte sie sich mit ihrer neuen Kunst sehen lassen. Jetzt ging es spornstreichs zu Fräulein.

      Klapp – klapp – klapp – was kam denn da an – Fräulein sah erstaunt auf.

      »Nanu, Annemie, wie kannst du nur so einherlaufen, gleich gibst du Lenchen ihre Schuhe zurück, der Spaß geht doch zu weit!« schalt Fräulein beim Anblick der Kleinen.

      »Aber Fräulein, die süßen Holzpantinchen, bitte, bitte, laß sie mir doch, da kann ich beim Reinmachen nochmal so schön helfen«, bettelte die Kleine.

      »Wo hast du denn deine weißen Stiefelchen, hast du die etwa am Ufer stehengelassen, du unachtsames Mädchen?«

      »Bewahre, Fräulein,« beteuerte Annemie, »die habe ich doch Lenchen für die seinen Holzpantinen geschenkt, sie hat sich auch sehr darüber gefreut.«

      »Sofort bringst du die Holzpantinen zurück und läßt dir dafür deine guten Stiefelchen wiedergeben, bist du denn ganz und gar nicht gescheit, du dummes Kind?« Damit lief Fräulein auch schon dem Ufer zu.

      Klapp – klapp – Annemie hinterdrein.

      »Aber Fräulein – Fräulein – Lenchen ist doch gar nicht mehr da, die ist ja schon längst in Oderberg bei Großmuttern!« rief die Kleine, stehenbleibend, denn sie hatte beim eiligen Lauf ein Holzpantinchen verloren.

      »Was – und deine schönen Stiefelchen hat sie mitgenommen?« Fräulein machte ein entsetztes Gesicht.

      »Ja, natürlich, aber ich habe doch dafür die feinen Pantinchen, die sind ja tausendmal schöner!« Liebevoll fing Annemie den Flüchtling wieder ein.

      Fräulein raste, ohne Antwort zu geben, weiter. Vielleicht konnte sie das Schiff noch einholen. Aber das war, wenn auch noch nicht in Oderberg, gar nicht mehr zu sehen.

      Klapp – klapp – klapp – da kam Annemie endlich hinterher.

      »Was fange ich denn nun bloß mit dir an, ich kann doch so nicht mit dir nach Hause gehen!« Fräulein warf einen ratlosen Blick auf Nesthäkchens allerdings etwas seltsam aussehende Füßchen.

      »Ach, ich kann jetzt schon ganz schön darin laufen«, beruhigte sie Annemie. Die Kleine konnte sich gar nicht denken, daß jemand von ihren Holzpantinen weniger begeistert sein sollte, als sie selbst.

      Aber Fräulein schämte sich halbtot vor den Leuten, nein, so ging sie nicht mit Annemarie! Sie winkte eine Droschke herbei und fuhr mit ihr nach Haus.

      Nesthäkchen war selig. Erstens die süßen Holzpantinchen, und dann noch Droschke fahren obendrein – das tröstete sie sogar über den Abschiedsschmerz vom Schiffer-Lenchen.

      13. Kapitel

       Nesthäkchen geht auf Reisen

       Inhaltsverzeichnis

      »Was – meine Lotte will mich morgen also wirklich allein lassen und in die weite Welt hinausfliegen?« fragte Vater und nahm sein Nesthäkchen zärtlich auf den Schoß.

      »Mutti bleibt ja bei dir,« tröstete Annemie, »und du fährst doch dann auch selbst mit ihr fort in die Schweiz. Aber wenn du so schrecklich gern willst, lasse ich Fräulein und Klaus allein zu Onkel und Tante aufs Gut fahren und komme lieber mit euch mit.«

      »Möchtest du das denn so gern?«

      »Ja, schrecklich gern!« Annemie schlang beide Ärmchen um Vaters Hals.

      Doktor Braun war ganz gerührt.

      »So schwer wird dir die Trennung von uns, Lotte?«

      »Ach, bewahre,« Annemies lachendes Gesichtchen zeigte nichts von Abschiedsweh, »aber weißt du, Vatchen, in der Schweiz, da kann ich doch den ganzen Tag Schweizerkäse essen, soviel ich nur will! Den esse ich so schrecklich gern, und die Löcher esse ich am liebsten!« Damit sprang Nesthäkchen davon, weil sie noch so furchtbar viel bis morgen zu tun hatte.

      Fräulein packte mit Mutti im Kinderzimmer den Koffer. Annemie holte ihren kleinen Puppenkorb herbei und begann die Kleider ihrer Kinder hineinzustopfen. Aber der war im Umsehen voll.

      »Fräulein, hast du noch viel Platz? Ich kriege Irenchens Schulmappe gar nicht mehr hinein, und Babys Soxlet klemmt sich auch schon«, jammerte das Puppenmütterchen voll Eifer.

      »Aber Annemiechen, was willst du denn bloß mit all dem Zeug, Tante Kätchen hat schon an euch beiden Krabben genug!« lachte Mutti.

      »Ja, aber meine Kinder wollen doch auch aufs Land. Irenchen muß sich rote Backen holen, Mariannchen soll mit ihren schlimmen Augen viel ins Grüne gucken, und Lolo will ich auf die Bleiche legen, damit sie weiß wird und kein Negerkind mehr ist. Baby soll tüchtig im Regen wachsen, und Kurt, der Strick, kann sich dort mal wenigstens ordentlich austoben. Gerdachen aber, von der trenne ich mich überhaupt nicht!«

      »Was – und das halbe Dutzend Puppenjören willst du Tante Kätchen mit ins Haus schleppen?« fragte Mutti und versuchte vergeblich, ernst zu bleiben.

      »Ja, natürlich, sie wird sich sehr freuen, und Kusine Elli auch, wenn sie auch schon zwölf Jahre alt ist.«

      »Nein, Lotte, das geht nicht. Eine Puppe magst du mitnehmen, die anderen bleiben hier. Nun suche dir eine aus!« sagte Mutti in bestimmtem Ton.

      Nesthäkchen machte ein enttäuschtes Gesicht, und die Puppen saßen ebenfalls mit enttäuschten Mienen da. Sie hatten sich schon so auf die Reise gefreut.

      Das ist eine schwere Aufgabe


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