Mami Bestseller 17 – Familienroman. Carmen Lindenau
waren eben fertig mit dem letzten Gang, als Carola und Walter hereinkamen.
Claus machte ein ergebenes Gesicht, aber Jenny winkte ihnen zu.
»Schade, daß ihr so spät kommt, wir hätten zusammen essen können«, sagte sie.
»Wir wollten nur eine Kleinigkeit haben«, erklärte Carola.
Sie hatte hektische rote Flecken auf den Wangen, und Walter wirkte mürrisch. Noch mürrischer als sonst, dachte Jenny, obwohl sie Walter auf irgendeine Weise gern hatte. Aber eben nur auf irgendeine Weise. Vielleicht nur, weil er mit Carola verlobt war.
Sie hatte nie darüber nachgedacht. Es war ja auch nicht allzu wichtig.
Fung-Lai kam mit der Karte, und selbst die geduldige Jenny verdrehte die Augen angesichts der Unentschlossenheit, mit der Carola und Walter sich zu einer Entscheidung durchrangen! Und das alles für eine Kleinigkeit!
Jenny wußte immer und überall sofort, was sie wollte. Und fiel ihr später mal was anderes ein. Na und? Was soll’s? Das aß sie dann eben beim nächsten Mal.
Endlich waren sie soweit, und Fung-Lai nahm mit asiatischer Höflichkeit die Bestellung entgegen.
Jenny summte leise vor sich hin. Ein gutes Essen machte sie immer noch zufriedener, als sie ohnehin schon war.
»Mam wird sich freuen«, sagte sie unvermittelt.
»Warum?« fragte Claus.
»Weil ich so gut gegessen habe. Du weißt doch, sonst abends…«
Carola warf Walter einen schnellen Blick zu.
»Wir haben deine Mutter vorhin gesehen«, bemerkte sie dann langsam.
»Ah ja? Wo denn?«
»Auf der Kö. Sie saß draußen.«
Jenny stieß einen lautlosen Pfiff aus.
»Allein?«
»Nein«, erwiderte Carola, und sie sah aus, als schäme sie sich, daß sie Jennys Mutter mit einem Mann gesehen hatte.
»Klasse!« meinte Jenny. »Wie sieht er denn aus?«
Walter hatte seinen offensichtlichen Ärger anscheinend überwunden, denn er beugte sich zu Jenny und lächelte sogar.
»Also, er sah richtig gut aus, das muß man schon sagen. Deine Mutter beweist einen guten Geschmack.«
»Was hast denn du geglaubt!« hauchte Jenny liebenswürdig. »Schließlich ist sie ja auch eine schöne Frau!«
Sie sah in die Runde, und ihre Augen sagten: Oder wagt es etwa jemand hier, anderer Meinung zu sein?
»Reg dich ab«, entgegnete Claus trocken, lachte aber dabei.
Fung-Lai brachte für Carola und Walter das Essen. Jenny wunderte sich, wie man in so großem Schweigen essen konnte.
Sie konnte das nicht. Ein Essen ohne Gespräch ist kein Essen. Und ein kleines Lachen während der Mahlzeit fördert die Verdauung.
Aber das war nicht von ihr, das hatte Großvater immer gesagt.
Und der mußte es schließlich wissen, denn er hatte immer viel vom Essen gehalten.
Dafür redete Jenny. Sie redete, redete und redete, bis sie schließlich merkte, daß sie unentwegt allein sprach.
»Ich bin doch kein Alleinunterhalter!« sagte sie laut.
»Du läßt mich ja nicht zu Wort kommen!« konterte Claus.
Carola und Walter sahen sie nur an. Aber gleich würden sie ja wohl auch was sagen, denn die Teller waren fast leer.
»Ich möchte einen Kaffee hinterher«, bemerkte Jenny. »Trinkt ihr einen mit?«
Claus nickte, Carola auch. Nur Walter sagte: »Um diese Zeit?«
Und es klang sehr vorwurfsvoll.
»Na, wenn schon! Oder kannst du nicht schlafen danach?«
»Das nicht, aber es ist nicht gut, so spät am Abend noch Kaffee zu trinken.«
Dabei sah er Carola an, und Jenny tat es schon leid, daß sie zum Mittrinken aufgefordert hatte. Sie legte schnell ihre Hand auf Walters Arm.
»Laß Carola ruhig trinken, sie hat ihn sich verdient. Sie hat heute wieder einen Tag hinter sich! Ich kann dir sagen! Aber du weißt ja, wie sie ist! Alles muß sie selbst machen!«
Walters Augen bekamen ein stilles Strahlen. »Ja…«
Mein Gott, dachte Jenny, er ist stolz auf sie, so stolz! Und benimmt sich trotzdem so daneben.
»Na klar! Besser wäre noch, sie würde einen Kognak trinken, einen doppelten, nach einem solchen Tag!«
Sie sah Walters Kopf sich drehen, sah seine Hand zu Carolas Schultern gehen.
»Soll ich dir einen Kognak bestellen?« fragte er leise. Carola wurde rot. Jenny sah es mit Bestürzung.
»Laß nur«, hörte sie sie sagen, »ein Kaffee tut’s auch.«
»Nein, nein. – Oder vielleicht beides?«
Und Carolas Gesicht erblühte.
Welche sonderbaren Arten Liebe es doch gibt, sinnierte Jenny und warf Claus einen Blick zu, der ihm sagte, er möge sich gefälligst auch ein bißchen um Konversation bemühen.
Claus regelte die Sache auf seine Art. Er ließ – die Bestellung gab er auf, als er angeblich zur Toilette ging – eine Flasche Wein kommen, und eine halbe Stunde später waren sie in das schönste, temperamentvollste Gespräch vertieft.
Eine zweite Flasche kam. Nur Jenny trank nicht. Sie trank nie viel, und wenn sie ein Auto bei sich hatte, schon gar nicht.
Als sie endlich gingen, war es bereits weit nach elf.
Carola und Walter gingen zu ihrem Wagen, und Claus stieg noch auf einen Abschiedskuß zu Jenny ein.
»Diese modernen Frauen!« sagte er klagend und streichelte betrachtend ihr Gesicht.
»Was ist mit denen?«
»Nicht einmal nach Hause fahren kann man sie, weil sie natürlich einen eigenen Wagen haben!«
Jennys Mund war weich und warm und rot, und sie kam nicht mehr dazu, eine Antwort zu geben.
Als Jenny dann abfuhr, winkte Claus ihr noch nach, und sie hielt einen Arm aus dem Wagenfenster.
Er lächelte.
Alles war warm in ihm vor Zuneigung zu Jenny.
Auch er wußte nicht, daß er d i e s e Jenny nicht mehr wiedersehen würde.
*
Frau Amrast war wirklich noch eine äußerst attraktive Frau.
Sie hatte die gleichen sanften Bewegungen wie Jenny und die gleiche herzliche Art.
»Morgen, Mam! Na, gut geschlafen?«
Jenny war bereits fix und fertig angezogen, als sie zum Frühstück kam. Das war sie immer. Sie liebte diese halbe Stunde morgens mit ihrer Mutter, haßte es aber, die Harmonie der Stunde ungewaschen und im Morgenrock zu zerstören.
Frau Amrast sah ihre hübsche Tochter liebevoll an.
»Danke, ja. Und wie geht es dir?«
Jenny übernahm das Kaffee-Einschenken.
»Prächtig, wie immer!«
Sie saßen sich gegenüber. Die frühe Sonne warf ihre ersten Strahlen über den Tisch, auf dem der kleine Strauß aus Jahreszeitblumen niemals fehlte.
»Man sieht es dir an. Wie geht es Claus?«
Jenny schloß ein Auge und sah mit dem andern ihre Mutter vorwurfsvoll an. »Welche Frage, Mam! Einem Mann, der ein Mädchen wie mich hat, muß es doch gutgehen!«