Das Wunder der Liebe. Barbara Cartland
auch nur einmal etwas Nettes zu ihr zu sagen.
„Die Lilien, Freesien und Hyazinthen kommen in mein Boudoir“, hatte sie gesagt. „Ich wünsche, daß auf jedem Tisch eine Vase steht und der Kamin überquillt. Feuer braucht man ja zu dieser Jahreszeit keines.“
„Gern“, hatte Ophelia erwidert.
„Das will ich hoffen!“ Die Stimme ihrer Stiefmutter hatte einen gereizten Ton angenommen. „Du tust wenig genug und sitzt den ganzen Tag bloß herum.“
Wieder hatte Ophelia geschwiegen.
„Der Rest kommt in den Salon, verstanden?“ Sie hatte Ophelia angesehen, als sei diese schwer von Begriff. „Und streng dich wenigstens diesmal an. Das letzte Mal war der Kamin eine Katastrophe. Ich habe selten ein spärlicheres Arrangement gesehen.“
„Ich hatte nicht genug Blumen“, hatte Ophelia leise gesagt.
„Ausreden! Alles bloß Ausreden.“ Die gute Laune war wie verflogen gewesen. „Verlaß mein Zimmer! Allein schon dein Anblick fällt mir auf die Nerven.“
Weil du eifersüchtig bist, hatte Ophelia gedacht, als sie aus dem Schlafzimmer gegangen war.
Als ihr Vater Circe Drayton geheiratet hatte, war es Ophelia klar gewesen, daß diese immer auf die Frau eifersüchtig sein würde, mit der George Langstone achtzehn Jahre glücklich verheiratet gewesen war.
Vom ersten Tag an hatte sie keine Gelegenheit ungenutzt gelassen, sich abfällig über die erste Lady Langstone zu äußern - allerdings nicht im Beisein ihres Mannes, denn dazu war sie zu schlau.
Aber ihre gehässigen Bemerkungen, ihr spöttisches Gelächter und die endlosen Sticheleien gegen die Frau, deren Platz sie eingenommen hatte, verletzten Ophelia zutiefst.
Anfangs hatte sie sich dazu hinreißen lassen, entsprechende Gegenbemerkungen zu machen, doch dann war sie geschlagen worden. Nicht etwa mit der Hand, sondern mit der Reitpeitsche ihres Vaters. Und obendrein hatte sich ihre Stiefmutter bei ihrem Vater über sie beschwert.
„Weißt du, mein Liebling, ich verstehe es ja“, hatte sie gesagt. „All diese blutjungen Dinger sind eifersüchtig, wenn es um ihre Väter geht, aber das impertinente Benehmen Ophelias macht mich manchmal schon sehr unglücklich, und ich weiß, daß dir das nicht recht ist.“
Lord Langstone hatte sich seine Tochter vorgenommen.
„Ich weiß, daß du deine Mutter vermißt. Auch ich vermisse sie, aber Circe ist jetzt meine Frau, und ich muß dich sehr dringlich bitten, ihr mit dem nötigen Respekt zu begegnen.“
„Das versuche ich ja, Papa.“
„Dann mußt du es eben noch angestrengter versuchen“, hatte ihr Vater gesagt. „Ich möchte, daß Circe glücklich ist. Sie klagt immer wieder darüber, daß du bockig und ausgesprochen patzig zu ihr bist.“
Sie hatte ihrem Vater unmöglich sagen können, daß sie lediglich versucht hatte, ihre Mutter zu verteidigen.
Ophelia hatte schnell gelernt, ihre Gefühle für sich zu behalten und die Worte, die ihr auf der Zunge brannten, hinunterzuschlucken.
Was sie sich alles hatte anhören müssen, war unbeschreiblich.
„Wer hat bloß diese abscheulichen Vorhänge ausgesucht?“ fragte Lady Langstone zum Beispiel. „Eine gräßliche Farbe! Wie kann man nur einen so vulgären Geschmack haben!“
Ein Porträt ihrer Vorgängerin war nicht etwa in den Speicher verbannt worden, sondern der Butler hatte es im Aufenthaltsraum der Dienstboten aufhängen müssen.
„Der ideale Platz“, hatte Circe Langstone erklärt. „Da paßt es hin.“
Nachts weinte Ophelia oft bitterlich und trug sich mit dem Gedanken wegzulaufen und eine von den Cousinen ihrer Mutter zu bitten, bei ihr bleiben zu dürfen.
Aber sie wußte, wie sehr sie ihren Vater damit verletzen würde und hatte außerdem das ungute Gefühl, daß ihre Stiefmutter sie zurückholen würde. Sie war ein Mensch, der jemanden brauchte, an dem er die Wut auslassen konnte, und dazu war ihr Ophelia recht.
Außerdem hatte Ophelia mittlerweile ihre Aufgaben: Sie mußte die Blumen arrangieren, mußte Kleidungsstücke ausbessern und die Bücher in der Bibliothek auswechseln.
Nicht, daß Lady Langstone je einen Blick in ein Buch geworfen hätte. Sie informierte sich lediglich über die Titel, die gerade in aller Munde waren - Gedichte von Lord Byron oder den letzten Roman von Sir Walter Scott, zum Beispiel.
Sie las ein oder zwei Seiten, dann mußte Ophelia die Bücher zurückbringen - was sie allerdings erst dann tat, wenn sie sie selbst gelesen hatte.
Obwohl sie manchmal alle Hände voll zu tun hatte, gab es lange Stunden, die sie mit Lesen verbrachte. Ihre Stiefmutter hatte es gleich zu Anfang klipp und klar ausgesprochen: Ophelia hatte zu verschwinden, wenn sie Gäste empfing. Ihre Freunde sollten nicht einmal wissen, daß das junge Mädchen überhaupt im Haus war.
„Ich bin einfach noch zu jung“, hatte sie erklärt, „um als Begleitperson für ein junges Mädchen aufzutreten. Es wird also gar nicht erst an die große Glocke gehängt, daß du mit deinem Vater und mir zusammenlebst. Ist das klar?“
„Ja, Mama“, hatte Ophelia geantwortet.
„Falls ich merke, daß du dich irgendwelchen Besuchern aufdrängst, wirst du mich kennenlernen. Und du wirst es nie wieder versuchen, das schwöre ich dir.“
Ophelia hatte die Drohung verstanden.
„Ich werde dafür sorgen, daß mich niemand sieht“, hatte Ophelia erwidert.
Wenn ihr Vater und ihre Stiefmutter keine Gäste hatten, was selten vorkam, nahm Ophelia die Mahlzeiten mit ihnen zusammen ein. Daß sie nie anwesend war, wenn Leute zum Essen geladen waren, schien ihrem Vater nicht aufzufallen.
Zumindest sagte er nichts, und Ophelia kam sich manchmal wie ein Gespenst vor, das auftauchte, wenn es im Haus still und ruhig war, und das in seinem Zimmer verschwand, wenn im Salon gelacht und geflirtet wurde.
Jetzt ging sie zum Fenster und sah hinaus.
Wie habe ich bloß so ungeschickt sein können, fragte sie sich wieder.
Ihre Stiefmutter durfte nicht erfahren, daß sie Graf Rochester begegnet war, sonst...
Ophelia schauderte zusammen und ihre Hände zitterten.
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