Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman. Leni Behrendt
und nach dem dritten und vierten kam der Leichtsinn.
Und draußen tobte das Unwetter fort.
»Ebba, wir müssen nach Hause!« murmelte Egolf trotz der fidelen Stimmung.
Doch sie lachte ihn aus. »Nach Hause? Wie töricht! Nicht, Herr Wirt?« fragte sie ihn, der nach den Wünschen seiner Gäste fragen kam.
»Finde ich auch, gnädige Frau«, schmunzelte der.
»Ich habe oben ein reizendes Fremdenstübchen.«
»Herrlich!« jubelte die berauschte Ebba. »Darin werden wir schlafen. Nicht wahr, mein Schatz.«
Ehe er antworten konnte, erhob sie sich, taumelte und suchte an Egolf Halt.
»Bring mich ins Bettchen – mir ist ja so schlecht.«
Der Mann fügte sich, um Ebba vor dem Wirt nicht bloßzustellen. Denn die bekam es fertig, alles mögliche auszuplaudern, was peinlich werden konnte.
Doch als sie im Fremdenzimmer allein waren, herrschte er sie an: »Bist du denn ganz verrückt geworden? Wir haben ein Uhr und müssen nach Hause.«
»Bei dem Wetter fahre ich nicht«, plärrte sie wie ein ungezogenes Kind.
»Na schön, dann bleibe hier und geh zu Bett! Ich fahre zur Stadt zurück und komme dich morgen früh abholen.«
»Ich soll bei dem Wetter allein bleiben?« fuhr sie entsetzt auf. »Hör nur, wie es donnert und tobt. Ich graule mich halb zuschanden. Wenn du gehst, schreie ich das ganze Haus zusammen.«
Sie warf sich an seinen Hals, bettelte und flehte. Zuerst blieb Egolf noch standhaft. Aber dann war es geschehen.
*
Nachdem Mechthild siebzehn Wochen im Krankenhaus zugebracht hatte, konnte sie endlich ohne Bedenken entlassen werden. Das Herz, das von der Vergiftung erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden war, war wieder intakt.
Endlich konnte sie wieder nach Hause und für ihr Kind sorgen. Es schien sich im Hause der alten Dame doch nicht recht wohl zu fühlen; denn in den letzten Tagen war sie der Mutter blaß und verdrießlich vorgekommen.
Frohgemut ging Mechthild nach Hause. Sie hatte Ebba Tag und Stunde der Entlassung aus dem Krankenhaus absichtlich verschwiegen. In der Wohnung sollte erst die alte Traulichkeit herrschen, bevor sie die Tochter darin zurückholte. Der nachträgliche Geburtstagstisch sollte gerichtet sein und vieles Liebe mehr.
Daher war sie enttäuscht, Ebba in der Wohnung bereits vorzufinden. Sie saß in ihrem Zimmer, schaute ihr verdrießlich entgegen – und das gab der Mutter einen Stich ins Herz. Allem Anschein nach schien das Mädchen sich über ihr plötzliches Erscheinen nicht zu freuen.
Sie ließ jedoch ihre Enttäuschung nicht merken, sondern schloß die Tochter liebevoll in die Arme.
»Guten Tag, mein Kind!« sagte sie herzlich. »Wie froh bin ich doch, daß ich wieder bei dir sein und für dich sorgen kann. War’s schlimm ohne Mutti, mein Liebes?«
»Es ging.« Ebba machte sich aus der Umarmung frei. »Wenn du hier gewesen wärest, hätte vieles nicht passieren können.«
»Ja, was ist denn geschehen?« fragte Mechthild erschrocken, das Gesicht der Tochter zu sich emporhebend. »Du bist ja so blaß, Ebba?«
»Kein Wunder – mir ist auch übel.« Sie schob die Mutterhand ungezogen von ihrem Kinn.
»Wahrscheinlich hat dein Pflegemütterchen dich so gut gefüttert, daß du dir den Magen verdorben hast. Sei nur nicht verzagt, mein Liebstes, das bringen wir bald wieder in Ordnung.«
In Ebbas Augen blitzte es böse auf. Sie konnte sich nicht mehr länger beherrschen. Sie schrie der Mutter ins Gesicht, was sich während ihrer Abwesenheit zugetragen hatte.
»Ebba – das kann doch – nicht möglich – sein«, ächzte Mechthild, sich auf den nächsten Stuhl fallen lassend, weil ihr die Beine den Dienst versagten. In ihrem Blick lag ein so erwartungsvolles Flehen, als müsse die Tochter jeden Augenblick das Fürchterliche widerrufen.
Doch diese dachte gar nicht daran.
»Und ob es möglich ist! Eigentlich wollte ich dir nichts sagen, um deinem Gejammer zu entgehen, aber schließlich mußt du es ja erfahren, damit du mich schonend behandeln kannst. Ist ja auch alles halb so schlimm. Ich habe bereits mit Egolf gesprochen, der sich bereit erklärte, selbstverständlich die Konsequenzen zu ziehen und mich zu heiraten.«
»So einfach tust du das ab?« fragte die Mutter gequält. »Kommt es dir denn gar nicht in den Sinn, in welche Schande dich dein Leichtsinn gebracht hat – und mich mit?«
»Mutti, werde bloß nicht wieder wehleidig. Geschehen ist nun mal geschehen. Ich bin nicht das erste Mädchen und werde nicht das letzte sein, dem so was Menschliches passiert. Wir leben in einem Zeitalter, wo das nicht mehr als Schande angesehen wird.
Überhaupt das unerhörte Wort! Ich will mich nicht wundern, wenn du zu den Müttern des vorigen Jahrhunderts gehörst, die ihre Töchter in solch einem Fall unbarmherzig verstießen. Dann bitte, ich gehe sofort – und zwar ins Wasser.«
Aha, diese Drohung wirkte wieder einmal, wie Ebba befriedigt feststellen konnte. Denn die in sich zusammengesunkene Mutter richtete sich langsam auf, maß die Tochter mit einem Blick, in dem Gram, Trostlosigkeit und stumme Anklage vereint zu lesen waren. Mit tonloser Stimme sprach sie:
»Nein – zu den Müttern gehöre ich nicht – und daher war deine Drohung unnötig. Du hast mir schon so viel Kummer bereitet – also werde ich auch diesen noch auf mich nehmen. Hoffentlich wird er der letzte sein.
Wohlgemerkt, ich sagte: Hoffentlich. Denn so einfach, wie du dir das mit der Heirat vorstellst, ist es nicht. Soviel ich weiß, ist Herr Dietsch von seinem Vater abhängig, also wird er erst dessen Erlaubnis zu einer Heirat einholen müssen, und zweifelhaft ist, ob er sie bekommt.«
»Das wäre ja noch schöner!« brauste Ebba auf. »Ich bin doch schließlich kein Straßenmädchen! «
»Nein – aber du hast dich danach benommen«, erklärte die Mutter hart. »Das wird auch für Herrn Dietsch ausschlaggebend sein. Solch ein Mädchen nimmt eine ehrenwerte Familie nicht gern auf. Und wenn es doch der Fall ist, wird es danach behandelt. Gib dich also keinen Illusionen hin, damit du später nicht enttäuscht bist. Wann will Herr Dietsch mit seinem Vater sprechen?«
»Heute mittag«, war die widerwillige Antwort Ebbas, die das, was die Mutter soeben gesagt, empörte. Sie und in einer Familie nicht voll anerkannt werden, das wäre ja gelacht!
»Ich muß fort«, erklärte sie schroff. »Muß Egolf abpassen, wenn er zum Dienst fährt. Dann werde ich ja hören, was seine Eltern gesagt haben. Und wehe ihnen –!«
Ehe die Mutter sie zurückhalten konnte, war sie davongestürmt.
*
Egolf stand seinem Vater allein gegenüber.
Es fiel ihm schwer, dem korrekten Mann mit den strengen Ansichten mit dieser blamablen Angelegenheit zu kommen. Er erwartete seine berechtigte Entrüstung – und war überrascht, als diese ausblieb. Er meinte nur peinlichst berührt: »Recht skandalös, was ich da hören muß, mein Sohn. Offen gestanden, hätte ich dir eine solche Lumperei nicht zugetraut. Vorwürfe will ich dir keine machen, da sie ja doch nichts mehr nützen, denn heiraten mußt du das Mädchen nun schon. Aber du darfst nicht verlangen, daß ich es mit offenen Armen in unserer Familie aufnehme. Ich habe mir nämlich eine zukünftige Schwiegertochter immer anders vorgestellt.
Und erst deine Mutter! Bei der wirst du einen sehr schweren Stand haben, Egolf. Du kennst ja ihre Ansichten, weißt auch, wie streng sie deine Schwester erzieht.
Nun noch eine Frage: Liebst du dieses Fräulein Runard überhaupt?«
Egolfs Stirn rötete sich. Verlegen senkte er die Augen unter des Vaters durchdringendem Blick.
»Verliebt bin ich schon in sie.«
»Das