Bike Fahrtechnik. Thomas Rögner
allem vorausschauend geschehen. Da der Biker sein eigener Motor ist, bringt es wenig, erst dann zu schalten, wenn einem am Berg die Kraft ausgeht. Man sollte sein Kraftwerk schön in Schwung halten. Also schaltet man schon in der Ebene oder auf den ersten Metern des Anstiegs in kleinere Gänge, um die Dynamik zu erhalten und seine Power zu konservieren. Weil die Kette auf den hinteren Ritzeln kleinere Sprünge macht und vorn unwilliger von Kettenblatt zu Kettenblatt wandert, sollte man vor Anstiegen zuerst vorn und dann hinten schalten. Alle Gangschaltungen, egal ob Trigger- (Daumen-Daumen-Schalthebel), Rapidfire-(Daumen-und-Zeigefinger-Schalthebel) oder Drehgriff-Systeme (GripShift), steuern das hintere Schaltwerk mit den rechten Schalthebeln. Den vorderen sogenannten Umwerfer direkt über dem Tretlager, betätigt man mit dem links angebrachten Schalthebel. Dieser entfällt bei den 1×11 und 1×12 Systemen.
SCHNELL UND SCHONEND
Am besten übt man in der Ebene und auf den ersten Touren ein wenig das Schalten und erfühlt, wie lange es dauert, bis die Kette vom mittleren aufs kleine Blatt fällt bzw. bis sie vom kleinen oder mittleren auf das größere Kettenblatt klettert. Dies ist natürlich vom Schaltungsmodell und von der Drehzahl abhängig. Je schneller sich die Kurbeln drehen, desto flotter wird auch die Kette wechseln. Auch das ist ein Grund, weswegen man vor dem Anstieg, wenn man noch flott kurbelt, den vorderen Umwerfer betätigen sollte. Stampft man nur noch langsam wie ein Schiffsdiesel den Berg hoch, und betätigt dann (links) den Umwerfer, wird es eine halbe Ewigkeit dauern, bis die Kette dorthin gerasselt ist, wo sie hin soll.
CHECK!
Der zweite Grund, warum man frühzeitig schalten sollte: Die Kette steht erheblich unter Zug, wenn man mit voller Kraft tritt. Gleichzeitig wird sie nun aber vom Umwerfer gezwungen, sich zu verbiegen, und steht seitlich unter Druck. Je weniger Kraft, also Zug, auf der Kette lastet, desto flotter und reibungsloser wird sie von einem Kettenblatt zum anderen laufen. Das hört man auch, zuweilen sehr deutlich. Obwohl moderne Fahrradketten sehr flexibel und gleichzeitig haltbar sind, quittieren sie Schaltvorgänge unter voller Last mit hörbarem Krachen und Ächzen. Wenn man während des Schaltvorgangs kurz den Druck vom Pedal nimmt, werden die Gänge schneller flutschen und die Kette wird sich außerdem mit einer längeren Lebensdauer bedanken.
Das hintere Schaltwerk muss kürzere Wege zurücklegen, und die Zähnedifferenz ist geringer als vorn, sodass hier die Kette viel schneller von einem Ritzel zum anderen hüpft. Selbst in einer Steigung kann man noch einen oder mehrere Gänge hochschalten, wobei auch hier der Schaltvorgang leichter abläuft, wenn man kurz die Kurbelkraft reduziert, falls dies noch möglich ist. Auf schnellen Abfahrten, auf denen man nicht mehr tritt, sollte man die Kette aufs mittlere Blatt legen. So fällt sie nicht durch Schläge nach innen aufs Tretlager herunter. Geht es nur leicht abwärts und es kommen wieder Gegenanstiege, vor allem auf unübersichtlichen Singletrails, lässt man die Kette am besten auf dem inneren Kettenblatt, so kann man auch kurze steile Buckel locker packen.
BREMS- UND SCHALTHEBEL IN DIE RICHTIGE POSITION BRINGEN, DAS ENTSPANNT BEI LÄNGEREN TOUREN. BESONDERS AUF LANGEN ABFAHRTEN MACHEN SICH GUT EINGESTELLTE ARMATUREN BEMERKBAR. DER UNTERARM STEHT IN EINER LINIE MIT DEM BREMSHEBEL, EIN FINGER REICHT ZUM VERZÖGERN.
Vermeiden sollte man jedoch extreme Schrägführungen der Kette, beispielsweise vorn und hinten auf dem größten Zahnrad. Durch diesen Schräglauf verschenkt man Kraft, und die Kette wird erheblich belastet und stärker abgenutzt, da sie ständig schräg an den Zahnkränzen entlangreibt. Moderne Schaltungen vertragen es durchaus, vom mittleren Kettenblatt alle hinteren Ritzel zu belegen. Die 1×11- und 1×12-Schaltungen sind sogar darauf ausgelegt mit nur einem vorderen Kettenblatt zu arbeiten.
RICHTIGES BREMSEN
Neben den leichtgängigen Rasterschaltungen hat das Mountainbike vor allem im Bereich der Bremsen einen starken Innovationsschub für die ganze Fahrradindustrie gebracht. Aus den Felgenbremsen entwickelte man zunächst Cantilever-Bremsen, die durch ihr Hebelverhältnis die Felge viel kräftiger in die Zange nehmen als die im Rennradbau üblichen Kneifer. Daraus wurden dann die sogenannten V-Brakes, die noch längere Hebel und bessere Verzögerungswerte bei geringeren Handkräften aufwiesen. Krönung der technischen Entwicklung, zumindest was die Bremsleistungen bei allen Bedingungen, aber vor allem bei Nässe angeht, sind hydraulische Scheibenbremsen. Sie funktionieren genauso wie ihre großen Brüder aus dem Auto- und Motorradbau. Packt man hier an der Vorderradbremse einmal zu heftig zu, ist meist ein Tiefflug über den Lenker die schmerzhafte Folge.
Bevor Biker an die ersten Bremsmanöver gehen, sollten sie ihre Bremshebel optimal einstellen. Meist sind die Hebel mit einer Inbusschraube am Lenker fixiert. Diese öffnet man, bis die Hebel zu verdrehen und leicht zu verschieben sind. Sie sollten so schräg nach unten stehen, dass sie eine Linie mit der Verlängerung der Unterarme bilden, wenn du auf dem Bike sitzt. So muss man die Handgelenke nicht verdrehen und erspart sich Krämpfe im Unterarm. Wenn man die Armaturen zudem noch ein bis zwei Zentimeter Richtung Lenkermitte schiebt, kann man mit einem oder zwei Fingern – die häufigste Bremshaltung – mehr Kraft ausüben. Noch zwei wichtige Einstellungen: der Abstand der Hebel vom Lenkergriff und wie weit sie sich anziehen lassen, bis die Bremse blockiert. Vor allem Biker mit kleineren Händen und Frauen sollten die Bremshebel näher an den Lenker bringen. Dazu gibt es eine Einstellschraube direkt am Hebelgehäuse, die man hineindreht. Den Weg des Bremshebels stellt man ebenfalls mit einer Einstellschraube ein, die den Abstand der Bremsbeläge zur Scheibe reguliert. Dabei sollte man die Hebel ruhig bis fast zum Lenkergriff durchziehen können. Auf langen Abfahrten spart dies erheblich Kraft, und man kann einen Finger an der Bremse lassen, während der Rest der Hand den Griff greift. Probier es ruhig einmal aus, auch wenn sich diese Bremseneinstellung zunächst sehr weich anfühlt. Entscheidend ist der Blockierpunkt der Bremse. Ist dieser erreicht, bevor der Bremshebel am Griff anliegt, kann man sowieso keine größere Bremskraft mehr erzielen. Blockiert ist blockiert.
CHECK!
VORN LIEGT DIE BREMSPOWER
Wie bei allen Fahrzeugen mit Reifen erzielt man auf dem Mountainbike die größte Verzögerung mit der Vorderbremse. Man sollte daher die Bremskraft vorn zu etwa 70 Prozent einsetzen, während die hintere Bremse nur etwa 30 Prozent