Gesammelte Werke. Джек Лондон
wieder zu schließen. Das geschah stets, wenn Wolfsblut ruhig blieb, sonst begnügte jener sich damit festzuhalten.
Cherokees wulstiger Nacken war der einzige Körperteil, den Wolfsbluts Zähne erreichen konnten. Er packte ihn da, wo der Hals aus den Schultern kommt, aber er verstand es nicht, die Kampfesweise der Dogge nachzuahmen, auch waren seine Kinnladen nicht dazu geschaffen. Er zerschlitzte nur den Hals des Gegners, bis eine Veränderung in der Stellung ihn davon abzulassen zwang. Es war der Dogge schließlich gelungen, Wolfsblut auf den Rücken zu wälzen, und ohne seine Kehle loszulassen, stand sie nun über ihm. Da krümmte sich Wolfsblut wie eine Katze und grub die Hinterfüße in den Unterleib des über ihm stehenden Feindes und hätte ihm mit den langen, scharfen Krallen den Leib aufgerissen, wenn Cherokee nicht seitwärts getreten wäre, so daß er nun im rechten Winkel zu ihm stand.
Aber es gab kein Entrinnen aus den Kinnladen, die Wolfsblut gepackt hielten; sie waren so unerbittlich wie das Schicksal. Langsam kamen sie der großen Ader am Halse immer näher. Was Wolfsblut allein noch vom Tode errettete, war der dicke Pelz, welcher seine Hautwulsten am Halse bedeckte. Den konnten Cherokees Zähne nicht durchdringen, aber allmählich arbeiteten sie sich in die Höhe, indem die Dogge bei jedem Lockern der Zähne mehr Hautfalten zwischen die Kinnbacken bekam, wodurch Wolfsblut dem Ersticken nahe gebracht wurde. Sein Atem kam und ging, je länger es dauerte, mit immer größerer Schwierigkeit.
Es hatte allen Anschein, als ob der Kampf jetzt vorüber sei. Cherokees Partei triumphierte und bot lächerlich hohe Wetten an. Wolfsbluts Partei dagegen war niedergeschlagen, man schlug zehn gegen eins, zwanzig gegen eins aus, ja, selbst als Schmitt fünfzig gegen eins bot. Er trat dabei in den Kreis und wies mit dem Finger auf Wolfsblut, indem er laut und höhnisch lachte. Dies brachte die gewünschte Wirkung hervor; Wolfsblut wurde wild vor Wut. Er raffte die letzten Kräfte zusammen und sprang empor. Wie er im Kreise herumlief und den fünfzig Pfund schweren Feind mit sich schleppte, verwandelte sich seine Wut in wahnsinniges Entsetzen. Der Wille zum Leben gewann von neuem die Oberhand, und der Verstand floh vor dem Lebensdrang des Fleisches. Immer in der Runde ging es, hin und wieder zurück. Er strauchelte dabei, fiel und stand wieder auf, erhob sich dann und wann auf die Hinterbeine, indem er den Feind ebenfalls emporhob, allein vergebens mühte er sich, aus dem Rachen des Todes zu entkommen. Zuletzt fiel er erschöpft hintenüber, und schnell schob die Dogge die Zähne weiter empor, indem sie ihm den Hals enger zusammenschnürte. Jubelnder Beifall erhob sich für den Sieger; man schrie: »Hoch, Cherokee!« und dieser antwortete durch kräftiges Wedeln mit dem Schwanze. Aber der laute Beifall ließ ihn das Ziel, das er verfolgte, nicht aus den Augen verlieren. Zwischen den mächtigen Kiefern und dem Schwanz war keine Sympathie vorhanden, mochte dieser auch wedeln, so hielten jene Wolfsblut mit eisernem Griff an der Kehle gepackt.
Plötzlich durchlief eine Bewegung die Zuschauer. Der Ton von Schlittenglocken ließ sich vernehmen, auch die Rufe eines Hundetreibers. Alle, Schmitt ausgenommen, blickten sich besorgt um, denn man fürchtete die Schutzleute. Allein nur zwei Männer mit einem mit Hunden bespannten Schlitten kamen die Bahn auf dem Fluß herauf, augenscheinlich waren sie auf einer Rekognoszierungsfahrt begriffen. Beim Anblick der erregten Menschenmenge hielten sie die Hunde an und kamen neugierig näher, um zu sehen, was der Grund der Aufregung war. Der Hundetreiber trug einen Schnurrbart, aber der andere, größere und jüngere Mann war glattrasiert, und sein Gesicht sah durch die schnelle Bewegung in der kalten Luft ganz rosig aus.
Wolfsblut hatte mittlerweile aufgehört, sich energisch zu wehren, und machte nur dann und wann noch eine krampfhafte, doch zwecklose Anstrengung, sich frei zu machen. Die Luft begann unter dem erbarmungslosen Griff des Feindes ihm immer mehr zu mangeln, und die große Ader am Halse wäre trotz des dicken Pelzes schon längst durchbissen worden, wenn die Dogge ihn nicht so tief gepackt hätte, daß es eigentlich die Brust, und nicht der Hals, gewesen war, wo hinein sie gebissen hatte. So brauchte Cherokee lange Zeit, um die Zähne aufwärts zu schieben, und bekam dabei immer mehr von den dicken Falten des Felles zwischen dieselben.
In Schmitt begann unterdessen die teuflische Roheit seiner Natur das bißchen gesunden Menschenverstand, das er besaß, zu umwölken. Er sah, wie Wolfsbluts Augen starr wurden, und er wußte, daß der Kampf verloren sei. Da konnte er seinen Ärger nicht länger bemeistern, er sprang auf Wolfsblut los und stieß ihn heftig mit den Füßen. Einige der Umstehenden zischten, andere erhoben Einspruch, aber das war auch alles. Schmitt fuhr fort, Wolfsblut mit den Füßen zu bearbeiten, als plötzlich Bewegung in die Menge kam. Der große, junge Mann drängte sich durch die Leute, indem er sie ohne Umstände zur Seite schob. Als er in den Kreis trat, war Schmitt gerade dabei, zu einem neuen Fußtritt auszuholen. Das ganze Gewicht seines Körpers ruhte dabei auf einem Fuß. Da versetzte ihm der Ankömmling einen derben Schlag ins Gesicht. Schmitts Fuß verließ den Boden, sein Körper flog durch die Luft, und er fiel der Länge nach rücklings auf den Schnee. Darauf wandte sich der junge Mann an die Zuschauer.
»Ihr Feiglinge!« schrie er ihnen ins Gesicht. »Bestien, die ihr seid!«
Auch er war wütend, aber seine Wut war eine gesunde. Seine grauen Augen blitzten wie Stahl, als sie über die Menge glitten. Schmitt stellte sich wieder auf die Füße und kam kriechend herangeschlichen. Aber der Fremde wußte nicht, was für ein jämmerlicher Feigling Schmitt war, und er dachte, er wollte sich für den Schlag rächen. Also empfing er ihn mit einem zweiten Schlage, indem er ihm abermals »Sie Bestie!« zurief. Darauf hielt es Schmitt für das angemessenste, im Schnee liegen zu bleiben, und machte vorläufig keinen Versuch mehr, aufzustehen.
»Kommen Sie, Matt,« rief der Fremde dem Hundetreiber zu, der ihm in den Kreis gefolgt war, »kommen Sie und helfen Sie mir.«
Beide Männer beugten sich über die Hunde. Matt ergriff Wolfsblut, um ihn aus Cherokees Rachen zu ziehen, wenn der loslassen sollte, und der jüngere Mann suchte dies zu bewerkstelligen, indem er mit den Händen die Kinnladen der Dogge aufzubrechen suchte. Aber das war ein eitles Unterfangen! Während jener zog und zerrte und drückte und drehte, machte er seinem Unwillen von Zeit zu Zeit mit einem gemurmelten: »Die Bestien!« Luft.
Die Menge begann unruhig zu werden, und einige Leute beklagten sich darüber, daß man ihnen das Vergnügen verderbe. Allein sie wurden schnell zum Schweigen gebracht, als der Fremde den Kopf erhob und, in der Arbeit innehaltend, sie einen Augenblick anschaute.
»Verfluchte Bestien, die ihr seid!« brach er dann los. Darauf machte er sich wieder an die Arbeit.
»Es nützt nichts, Herr Scott,« sagte endlich Matt. »Sie können sie in der Weise nicht trennen.« Die beiden hielten inne und besahen sich die ineinander verbissenen Hunde.
»Er blutet nicht so sehr,« fuhr Matt fort. »So ganz ist der andere also nicht drin.«
»Aber das kann jeden Augenblick geschehen,« versetzte Scott. »Da! haben Sie's gesehen? Er hat viel tiefer hineingebissen.«
Des jungen Mannes Besorgnis um Wolfsblut nahm zu. Er schlug ein paarmal Cherokee derb auf den Kopf, aber der ließ nicht locker. Vielmehr wedelte er mit dem Schwanz, um zu zeigen, daß er die Bedeutung der Schläge verstände, sich aber im Recht wüßte und nur seine Pflicht täte, wenn er festhielte.
»Will denn keiner helfen?« rief Scott in Verzweiflung aus, indem er sich an die Zuschauer wandte.
Aber niemand rührte sich. Statt dessen begann man, höhnische Bemerkungen zu machen und lächerliche Ratschläge zu geben.
»Sie müssen einen Keil gebrauchen,« rief Matt.
Der andere griff nach der Hüfte, zog den Revolver heraus und versuchte, den Lauf desselben zwischen die Kinnladen der Dogge zu schieben. Er schob und drückte so kräftig, daß man das Knirschen des Stahls an den zusammengebissenen Zähnen hörte. Beide Männer lagen auf den Knien und beugten sich über die Hunde. Da trat Tim Keenan in den Kreis. Er stellte sich neben Scott, berührte die Schulter desselben und sagte warnend: »Brechen Sie ihm nicht die Zähne entzwei.«
»Vielleicht breche ich ihm den Hals,« erwiderte Scott, indem er fortfuhr, den Lauf des Revolvers tiefer hineinzuschieben.
»Ich habe nur gesagt: Brechen Sie ihm nicht die Zähne entzwei!« wiederholte der andere mit Nachdruck.
Wenn das eine Drohung war,