Das Dekameron. Giovanni Boccaccio

Das Dekameron - Giovanni  Boccaccio


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Schamröte die Wangen der Zuhörerinnen, als ein Beweis ihres Zartgefühls; wie aber bald darauf ihre Blicke sich einander verstohlen begegneten, lächelten sie und sie konnten sich kaum des Lachens enthalten, indem sie sie bis ans Ende anhörten. Hernach gaben sie ihm jedoch durch einige spöttische Worte zu erkennen, dass dergleichen Geschichten nicht in Gegenwart von Damen erzählt werden sollten. Nun gab die Königin Fiametten, die neben ihm im Grase saß, einen Wink, der Ordnung gemäß im Erzählen fortzufahren, die demnach, mit sittsamer Freundlichkeit ihren Blick auf die Königin richtend, anfing:

      Nicht nur deswegen, weil wir auf den Einfall geraten sind, in unseren Erzählungen die Wirkung treffender, schlagfertiger Antworten zu zeigen, sondern auch darum, weil es von den Frauen ebenso verständig gehandelt ist, den Zumutungen der Männer von höherem Stande zu widerstehen, als von den Männern, nach der Liebe solcher Damen zu streben, die von vornehmerer Geburt sind als sie, so bin ich gesonnen, liebe Freundinnen, euch in der Erzählung, die mir obliegt, zu zeigen, wie eine edle Frau durch Handlung und Rede sich vor einer solchen Zumutung bewahrte und den Mann auf andere Gedanken gebracht hat. Der Marquis von Montferrat, ein Held und Bannerträger der Kirche, war auf einem Kreuzzuge der Christen übers Meer gezogen. Als nun von seiner Tapferkeit am Hofe des Königs von Frankreich, Philipps des Einäugigen, vieles gesprochen ward, der sich eben auch zu dem Kreuzzuge rüstete, so sagte auch unter anderem einer von den anwesenden Rittern, es gebe kein so vortreffliches Paar unter dem weiten Himmel als den Marquis und seine Gemahlin. Denn so wie der Marquis unter den Männern wegen jeder ritterlichen Tugend der berühmteste sei, so behaupte seine Gemahlin von allen Frauen der Welt den Vorzug der Schönheit und Liebenswürdigkeit. Diese Worte machten auf den König solchen Eindruck, dass er, ohne die Marquise jemals gesehen zu haben, sich auf einmal sterblich in sie verliebte. Er nahm sich deswegen vor, sich auf dem bevorstehenden Kreuzzuge in Genua einzuschiffen, damit er auf der Reise dahin eine schickliche Gelegenheit hätte, sie zu besuchen. Er schmeichelte sich, während der Abwesenheit ihres Gemahls vielleicht seinen Endzweck bei ihr zu erreichen. Er schickte demnach alle seine Leute voraus und machte sich selbst mit wenigen Edelleuten auf den Weg. Wie er sich dem Gebiete des Marquis näherte, ließ er der Dame einen Tag vorher melden, dass sie ihn am folgenden Tage zur Mahlzeit erwarten möchte. Als eine kluge und verständige Frau gab sie mit Freundlichkeit zur Antwort: Sie schätze sich‘s zur großen Ehre, und der König solle ihr willkommen sein. Und nun sann sie nach, was es wohl bedeute, dass ein so hoher Herr während der Abwesenheit ihres Mannes zum Besuch zu ihr käme, und sie irrte sich nicht, indem sie sich einbildete, dass der Ruf ihrer Schönheit ihn herbeigelockt. Nichtsdestoweniger traf sie Vorbereitungen, ihn zu empfangen, wie es einer verständigen Frau geziemt. Sie ließ die redlichen, braven Männer, die bei ihr geblieben waren, zu sich rufen und beratschlagte mit ihnen über alle Anstalten, die gemacht werden müssten; doch behielt sie sich vor, das Mittagsmahl und die Reihenfolge der Speisen ganz allein nach ihrem Sinn anzuordnen. Sie ließ hierauf so viele Hühner zusammenbringen, als sie in der Gegend auftreiben konnte, und befahl ihren Köchen, diese allein auf die verschiedensten Arten für das königliche Mahl zuzurichten. Der König kam zur bestimmten Zeit und ward von der Marquise sehr festlich empfangen. Indem er sie sah, deuchte sie ihm noch unendlich schöner, sittsamer und liebenswürdiger, als er sie sich nach der Beschreibung des Ritters gedacht hatte; er betrachtete sie mit der höchsten Bewunderung und überhäufte sie mit Lobsprüchen, indes seine Liebe desto mehr zunahm, je mehr er fand, dass die Marquise seine Erwartungen übertraf. Nachdem er eine Zeitlang in den Gemächern geruht hatte, die auf eine seiner würdige Art ausgeschmückt waren, und die Stunde des Mittagsmahles herannahte, setzte sich die Marquise mit ihm an eine besondere Tafel, und die übrigen Herren wurden an anderen Tischen bewirtet. Dem Könige wurden herrlich zubereitete Speisen und köstliche Weine vorgesetzt, und überdies gewährte ihm der Anblick der liebenswürdigen Wirtin unbeschreibliches Vergnügen. Wie jedoch ein Gericht nach dem andern aufgetragen ward, fing der König endlich an, sich zu verwundern, dass sie zwar auf verschiedene Art zubereitet waren, aber alle aus lauter Hühnerfleisch bestanden. Da er nun wusste, dass es in der Gegend, wo er sich befand, nicht an allerlei Wildbret fehlen konnte, und da die Marquise zeitig genug von seiner Ankunft unterrichtet gewesen, um etwas aufjagen zu lassen, so nahm ihn das zwar desto mehr wunder, doch wollte er von keiner andern Sache Anlass nehmen, sie zur Sprache zu bringen, als bloß von ihren Hühnern. Er fragte sie demnach mit lachendem Munde: „Verehrte gnädige Frau, gibt es denn hierzulande nur Hühner und nicht einen einzigen Hahn?“ Die Marquise, welche die Frage vollkommen verstand und glaubte, der Himmel schicke ihr die gewünschte Gelegenheit, dem Könige merken zu lassen, wie sie gesinnt wäre, gab ihm freimütig zur Antwort: „Nein, gnädiger Herr, aber die Weiber sind hier ebenso beschaffen wie anderswo, wenn sie sich gleich durch Rang und Kleidung ein wenig von anderen unterscheiden.“

      Wie der König diese Worte hörte, erklärte er sich leicht die Absicht mit den Hühnergerichten und den versteckten Sinn der Rede und ward zugleich inne, dass es vergebens sein würde, sich mit solch einer Frau in einen Wortstreit einzulassen, und dass hier von Gewalt nicht die Rede sein könne. Daher er denn, sowie er sich unbedachtsamerweise in sie verliebt hatte, es nun für das Weiseste hielt, um seiner eigenen Ehre willen die unzeitige Flamme wieder zu ersticken. Ohne demnach der Dame weiter mit Reden zuzusetzen, weil er sich vor ihren Antworten fürchtete, endigte er seine Mahlzeit, ohne sich weiter Hoffnung zu machen, und damit er durch einen schnellen Aufbruch seinen unziemlichen Besuch wieder gut mache, so dankte er ihr für die gute Aufnahme. Er empfahl sie Gott und reiste nach Genua.

       SECHSTE NOVELLE

      Ein wackerer Mann beschämt mit einem hübschen Witzwort die heuchlerische Scheinheiligkeit der Mönche.

      Der Freimut und die artige Zurechtweisung des Königs von Frankreich durch die Marquise fand allgemeine Zustimmung. Nun nahm Emilia, die neben Fiametta saß, dem Wunsch der Königin gemäß mit Munterkeit folgendermaßen das Wort:

      So will ich euch denn ebenfalls nicht verschweigen, wie einst ein wackerer Mann ebenso scherzhaft wie treffend einem geizigen Mönch eins hinter die Ohren gab.

      Es war einmal vor nicht gar langer Zeit, liebe Mädchen, ein Bruder Minorit in Florenz Inquisitor der ketzerischen Gräuel, der sich zwar gern das Ansehen der Heiligkeit und des Eifers für die christliche Religion gab (wie sie es alle tun), aber sich nicht minder darauf verstand, den vollen Säckeln auf die Spur zu kommen, als den glaubensleeren Herzen; und vermöge dieser Tätigkeit war ihm einmal ein Ehrenmann in die Klauen geraten, der weit größeren Überfluss an Reichtümern besaß als an Verstand. Dieser hatte nämlich einst, nicht aus Gottlosigkeit, sondern, um frei heraus zu reden, vielleicht vom Weine oder vom Rausch der Fröhlichkeit ein wenig mitgenommen, zu einem von seiner Tischgesellschaft gesagt, er habe einen Wein, der so gut sei, dass ihn Christus selbst trinken würde. Dies ward dem Inquisitor hinterbracht, der wusste, dass der Mann vermögend und seine Börse wohlgefüllt war, daher er cum gladis et fustibus über ihn herfiel und ihm einen fürchterlichen Prozess machte, nicht sowohl, um ihm seinen Unglauben auszutreiben, als um seine Goldgülden in seine Hände zu bekommen. Er ließ ihn vorladen und fragte ihn, ob dasjenige wahr wäre, dessen er beschuldigt würde. Der ehrliche Mann gestand es ein und erzählte dem Inquisitor, wie er dazu veranlasst worden. Aber der fromme Inquisitor, als ein würdiger Geweihter des heiligen Johannes mit dem goldenen Barte, fuhr ihn an: „So willst du Christus zu einem Säufer machen, der nach Weinen lüstern wäre wie einer von euch verkommenen Kneipenhockern und Trunkenbolden? Und nun meinst du mit glatten Worten durchzukommen und das Ding auf die leichte Achsel zu nehmen? Aber es ist nicht so leicht, wie du dir‘s einbildest; du hast den Scheiterhaufen damit verdient, wenn wir dich so strafen wollten, wie wir wohl sollten.“

      Mit dergleichen und andern bittern Vorwürfen setzte er ihm zu, als wäre er Epikur in eigener Person, der die Unsterblichkeit der Seele leugnet. In der Tat erschreckte er ihn so sehr, dass der arme Mann durch gewisse Mittelspersonen ihm die Hände mit einer tüchtigen Quantität Fett des heiligen Johann Goldmund schmieren ließ. Diese Salbe bewährt sich trefflich bei der Habsucht der Pfaffen, besonders der Minoriten, die kein Geld anrühren dürfen, wenn sie aber mit der Salbe geschmiert sind, barmherzig wie die Engel mit einem verfahren. Die Salbe, die sehr wirksam ist, obgleich Galenus in seinen Schriften nichts davon erwähnt, schlug so gut an, dass der Scheiterhaufen in ein Kreuz verwandelt ward, und zwar gab er ihm


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