Dokumente der Freiheit. Reinhard Pohanka

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der Vereinigten Niederlande (1581)

      Präambel

      Ein Volk ist nicht wegen des Fürsten, sondern ein Fürst um des Volkes willen geschaffen; denn ohne das Volk wäre er ja kein Fürst. Er ist dazu da, dass er seine Untertanen nach Recht und Billigkeit regiere und sie liebe wie ein Vater seine Kinder. Dass er treu walte, wie ein Hirte über seine Herde. Behandelt er sie aber nicht so, sondern bloß wie Sklaven, dann hört er auf, ein Fürst zu sein, und ist ein Tyrann. Die Untertanen aber haben das Recht, nach gesetzlichem Beschluss ihrer Vertreter, der Stände, wenn kein anderes Mittel mehr übrig ist und dass sie durch keine Vorstellung ihrer Not irgendwelche Versicherungen der Freiheit für Leib und Gut, für Weib und Kind von dem Tyrannen erlangen können, diesen zu verlassen.

      Unter dem Vorwand der Religion hat der König von Spanien eine Tyrannei einzurichten versucht, und, ohne auf irgendeine Vorstellung des Landes zu achten, dessen Privilegien verletzt, den Eid gebrochen, den er auf deren Erhaltung geschworen. Und so erklären wir jetzt den König von Spanien verlustig jeden Anspruchs auf die Herrschaft in den Niederlanden; wir entbinden hiermit alle Amtsleute, Obrigkeiten, Herren, Vasallen und Einwohner von dem einst dem König von Spanien geleisteten Eid des Gehorsams und der Treue und befehlen allen Beamten, fortan den Namen, die Titel und die Siegel des Königs von Spanien nicht mehr zu gebrauchen und einen neuen Eid abzulegen, des Inhalts, uns treu zu sein gegen den König von Spanien und allen seiner Anhänger.

      Mit diesem Dokument hat in der Neuzeit erstmals ein Volk seinem König von sich aus abgeschworen und ihn für abgesetzt erklärt. Dennoch hielten sich viele Beamte nicht daran und traten lieber von ihren Ämtern zurück als den König zu verlassen. In der Folge fielen die südlichen katholischen Provinzen ab und die Vereinigten Niederlande bestanden nur noch aus den sieben nördlichen protestantischen Provinzen.

      Dennoch hatten die Verfasser des »Plakkaats van Verlanthinge« ihren Schritt zunächst nicht bis zur vollen Konsequenz durchdacht. Man suchte einen neuen Herren oder König, den man aber nicht fand, da sich kein ausländischer Souverän in einen politischen Gegensatz zu Philipp II. von Spanien begeben wollte. Nachdem Wilhelm von Oranien 1584 einem Mordanschlag zum Opfer gefallen war, lehnte es Königin Elisabeth I. von England ab, neue Herrin der Niederlande zu werden; auch dem von ihr ausgesandten Statthalter Robert Dudley, Earl von Leicester, war kein Glück beschieden. Nach Leicesters Abreise 1587 übertrugen die Generalstaaten das Recht der Souveränität auf sich selbst und machten die sieben Vereinigten Provinzen zur Republik.

      Die niederländische Erklärung zur Absetzung eines Tyrannen hatte einen grundlegenden Einfluss auf Thomas Jefferson, einen der Verfasser der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Es ist anzunehmen, dass die Niederländische Unabhängigkeitserklärung durch mehrere Kopien in Amerika bekannt war, und die bereits einmal erfolgte Absetzung eines Königs durch das Volk war für die auf Rechtssicherheit bedachten Verfasser der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung der Präzedenzfall, den sie benötigten, um eine Republik unter Absetzung des bisherigen Souveräns zu gründen. Damit hat die niederländische Unabhängigkeitserklärung durch die Amerikanische Verfassung bis heute ihre Bedeutung bewahrt.

      3. Der Friede von Münster und Osnabrück – Westfälischer Friede (1648)

      Einmal gewährte Freiheiten und Menschenrechte haben keine Garantie, dass sie für immer gelten. Im Gegenteil, es gab immer wieder Personen und Mächte, welche diese wieder revidieren und zurücknehmen wollten. Im Westfälischen Frieden von 1648 wurden keine neuen Freiheiten begründet, aber die rund achtzig Jahre zuvor in Augsburg vereinbarten weiter bekräftigt. Zugleich wurde dabei ein erstes Modell internationaler Konfliktbewältigung und Friedenssicherung versucht und ein erstes deutsches Grundgesetz geschaffen.

      Der Friede von Münster und Osnabrück, genannt der Westfälische Friede, wurde am 24. Oktober 1648 gleichzeitig in Münster und Osnabrück unterzeichnet. Der Vertrag beendete nicht nur den Dreißigjährigen Krieg und die spanische Hegemonialstellung in Europa, sondern stellte auch einen ersten Versuch einer neuzeitlichen europäischen Friedensordnung dar.

      Der Dreißigjährige Krieg von 1618 – 1648 setzte sich zusammen aus einer Vielzahl von verschiedenen, miteinander verschränkten konfessionellen, verfassungs- und mächtepolitischen Konflikten, in die fast alle europäischen Mächte verwickelt waren. Der Krieg begann 1618 mit dem Prager Fenstersturz, als die protestantischen böhmischen Stände die Kaiserlichen Statthalter aus den Fenstern der Prager Burg stürzten. In der Folge verheerten die Soldaten des Kaisers, Frankreichs und Schwedens das Reich, das in den dreißig Jahren des Krieges fast ein Drittel seiner Einwohnerzahl verlor. Die Auseinandersetzungen spielten sich unter dem Vorwand der Konfessionen in einer Auseinandersetzung von katholischer Majestät gegen protestantische Fürsten, und andererseits im Gegensatz von Reich gegen Frankreich und Schweden ab. Nach 1640 führte der Krieg zu einer weitgehenden Erschöpfung der verfeindeten Parteien, sodass klar wurde, dass man den Krieg mit einer gewaltigen diplomatischen Kraftanstrengung, welche nicht nur territoriale, sondern auch religionspolitische Fragen lösen sollte, beenden musste.

      Bei den Verhandlungen von 1643 bis 1648 im katholischen Münster und evangelischen Osnabrück – Katholiken und Protestanten wollten sich nicht Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen – waren Gesandte fast aller europäischen Mächte, der einzelnen Reichsstände und des Papstes beteiligt. Die Friedensverträge von Münster und Osnabrück waren völkerrechtliche Verträge und wirkten zugleich als ein erstes Reichsgrundgesetz.

      Die beiden Vertragswerke beendeten den Dreißigjährigen Krieg und schufen die Grundlage für die weitere politische und religiöse Entwicklung in Deutschland. Neben der Vielzahl der Einzelregelungen ist eines der wichtigsten Ergebnisse die Lösung der Konfessionsfrage im Reich durch gegenseitige Toleranz. Mit dem Vertrag wurde die Gleichberechtigung der protestantischen und katholischen Gebiete festgelegt. Dies stellte die Grundlage für die weitere politische Entwicklung im Reich dar und bedeutete eine beginnende Trennung von Politik und Kirche in den protestantischen Territorien. Die protestantischen Fürsten wurden damit unabhängig vom Kirchenrecht, weshalb der Papst die Anerkennung des Westfälischen Friedens verweigerte.

      Art. V, 1 Bestätigung des Augsburger Religionsfriedens

      Der im Jahre 1552 zu Passau geschlossene Vertrag sowie der wenig später im Jahre 1555 geschlossene Religionsfriede, der 1566 zu Augsburg und hernach auf verschiedenen Reichstagen des Hl. Römischen Reichs bestätigt wurde, soll mit allen seinen Artikeln in der Form, in der diese mit einmütiger Zustimmung des Kaisers, der Kurfürsten, Fürsten und Stände beider Konfessionen angenommen und beschlossen wurden, als gültig anerkannt und als heilig und unverletzlich eingehalten werden.

       Was aber hinsichtlich einiger streitiger Artikel im gegenwärtigen Vertrag durch einstimmigen Beschluss der Parteien festgelegt worden ist, soll als eine für immer gültige Auslegung des besagten Friedens angesehen werden, die sowohl bei Gericht als auch anderen Orts zu beachten ist, bis man sich durch Gottes Gnade über die Religionsfragen verglichen haben wird, unbeschadet des von Geistlichen oder Laien innerhalb oder außerhalb des Reiches zu irgendeiner Zeit erhobenen Widerspruchs oder Protests, der kraft gegenwärtigen Vertrages insgesamt für unwirksam erklärt wird.

      In allen übrigen Punkten aber soll zwischen sämtlichen Kurfürsten, Fürsten und Ständen beider Bekenntnisse vollständige und gegenseitige Gleichheit, wie sie der gesamten Verfassung des Reiches, den Reichsgesetzen und dem gegenwärtigen Vertrag gemäß ist, herrschen, und zwar in der Weise, dass das, was für den einen Teil Recht ist, auch für den anderen Teil Recht sein und alle Gewaltanwendung, wie überall so auch hier, zwischen beiden Parteien für immer untersagt sein soll.

      Der Stichtag für die Restitution in geistlichen Angelegenheiten sowie für das, was als deren Folge in den weltlichen Angelegenheiten verändert wurde, soll der 1. Januar 1624 sein. Es soll daher


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