Butler Parker 131 – Kriminalroman. Günter Dönges
Simpson widerstand der Versuchung sich umzuwenden. Sie blieb zufrieden in der Wagenecke sitzen und freute sich auf das kommende kleine Intermezzo. Für Abwechslung war sie immer zu haben.
Parker hingegen sah noch mal genau in den Rückspiegel und nahm Maß. Die Verfolger saßen in einem unscheinbar aussehenden Zivilwagen der Marke Morris. Das Fahrzeug war ihnen bisher hartnäckig gefolgt, doch wahrscheinlich wurde er schon bald durch ein zweites, anderes Fahrzeug ersetzt, um Parker nicht mißtrauisch werden zu lassen. Der Butler kannte sich in den diversen Tricks der Polizei und auch der Gangster aus.
Er wußte, was zu tun war.
Parker steuerte sein hochbeiniges Monstrum in eine Hochgarage und war durchaus zufrieden, als der Morris ihm folgte, der inzwischen dichter aufgeschlossen hatte. Der Butler erkannte zwei Männer, die sich angeregt miteinander unterhielten und es darauf anlegten, einen unverdächtigen Eindruck zu machen.
Parker drückte den Knopf für den Parkschein, wartete, bis die automatisch arbeitende Sperrschranke sich hob und fuhr dann über die Wendelrampe hinauf zum zweiten Parkdeck.
Dann gab er allerdings sehr viel Gas, brauste durch das Deck und wischte über die zweite Wendel wieder nach unten.
»Darf ich Mylady zumuten, sich ein wenig abzuducken?« fragte er seine Herrin.
»Soll ich mich auf den Boden legen?« erkundigte sie sich.
»Die Sitzpolster dürften schon durchaus reichen, Mylady.«
»Wenn schon, denn schon!« Agatha Simpson rollte sich zur Seite und ging in volle Deckung. Als Parker am Kassenschalter stand und den Grundpreis bezahlte, erschien hinter dem hochbeinigen Monstrum ein Ford, in dem eine kinderreiche Familie saß. Erst dahinter war wieder der Morris zu sehen.
Der Beifahrer stieg aus.
Er war ganz eindeutig der Meinung, Parker habe Lady Simpson oben auf dem zweiten Parkdeck abgesetzt. Der Mann hastete zurück und zwängte sich an nachfolgenden Wagen vorbei zurück nach oben. Er wollte den Anschluß nicht verlieren und glaubte wohl, Mylady sei vom Parkdeck aus mit dem Fahrstuhl hinunter in das angrenzende Kaufhaus gefahren.
Vor Parker hob sich die Sperrschranke.
Er fuhr an und sah, daß die Schranke sich hinter ihm wieder senkte, wie es sich für solch eine Schranke eben gehörte. Der Fordfahrer mit der großen und kinderreichen Familie folgte.
Parker sorgte für eine Vollsperrung.
Er hatte das Wagenfenster auf seiner Seite heruntergekurbelt und griff in die Tasche seines schwarzen Zweireihers. Er holte eine Handvoll Münzen hervor und ließ sie auf die Betonrampe fallen.
Sie hüpften neckisch umher, rollten durcheinander und waren nicht zu übersehen.
Die Kinder im Ford reagierten wie erwartet.
Während ihr Vater noch zahlte, hüpften auch sie, nämlich aus dem Wagen. Sie rannten nach vorn und betätigten sich als Sammler. Sie spürten verbissen jeder Geldmünze nach und hielten den ganzen Betrieb auf.
Der Fahrer des Morris war ausgestiegen und schimpfte wie ein gereizter Rohrspatz. Er forderte den Vater der Kinder energisch auf, die Sperre zu räumen. Bevor Parker sich in den Verkehr einfädelte, sah er noch deutlich, daß der Morris-Fahrer sogar so etwas wie einen Dienstausweis zeigte.
Doch das beeindruckte weder Vater noch Kinder. Sie waren ordentliche Bürger und kümmerten sich erst mal um die diversen Fundstücke.
*
»Natürlich wird diese alte Schachtel auftauchen«, sagte Brett Nichols. »Und ihr komischer Butler wird dabei sein. Diese beiden Typen lassen doch keine Gelegenheit aus, um mit dem Feuer zu spielen.«
Brett Nichols, Inhaber des Papierhandtuch-Schnelldienstes, war etwa vierzig Jahre alt, mittelgroß und schlank. Der Mann sah vertrauenerweckend aus, absolut nicht wie ein Gangster, wie er in einschlägigen Filmen gern dargestellt wird.
Er war aber ein Gangster!
Brett Nichols gehörte jener Organisation an, deren Boß Healers unter Mordanklage in Untersuchungshaft saß. Seine Rolle in dieser Gang war sogar bemerkenswert. Nichols war so etwas wie Healers’ rechte Hand und verfügte über großen Einfluß.
Sein Geschäft diente zwar nur zur Tarnung, doch es florierte eigenständig. Es gab da eine Anzahl von Vertretern und Kundendienstberatern, es gab ein gutes Dutzend kleiner Lieferwagen, und sogar die Steuern wurden pünktlich und korrekt bezahlt. Nichols hielt auf Ordnung. Er wollte bei den Behörden nicht unangenehm auffallen.
Nach außen hin war er von einem Saulus zum Paulus geworden. Einige Male vorbestraft, war er der Polizei natürlich bekannt, doch schon seit Jahren wollte er mit kriminellen Dingen nichts mehr zu tun haben. Seine tatsächliche Verbindung zu Healers hielt er geheim. Es gab nur zwei Vertraute, die davon wußten, und auf diese beiden Männer konnte er sich verlassen. Sie waren ihm treu ergeben.
Sie befanden sich in seinem Büro und hießen Pete Stornay und Jess Wavers.
Pete Stornay war sechsundzwanzig Jahre alt, klein und drahtig, Jess Wavers schon dreißig, untersetzt und vollschlank. Auch sie sahen keineswegs wie Gangster aus. Sie galten in der Firma als Inspektoren und überprüften die Arbeit der Außenangestellten. Dadurch hatten sie die Möglichkeit, sich frei und ungehindert zu bewegen.
Sie erledigten gewisse Spezialeinsätze für Brett Nichols. Sie trugen nie Schußwaffen bei sich. Sie konnten jedem Polizisten oder Detektiv treuherzig in die Augen sehen. Wenn sie einen Mord zu erledigen hatten, geschah das auf raffinierte Art und Weise.
Nun, Mord war natürlich nicht ihr tägliches Brot. Es gab da noch ganz andere Dinge zu tun. Sie baldowerten interessante Beutezüge aus Und sorgten für eine stetige Ausweitung des Kundenstamms.
»Was machen wir, wenn sie kommen?« wollte Pete Stornay wissen.
»Gar nichts«, antwortete Brett Nichols. Er lächelte und zündete sich eine Zigarette an. »Die beiden Typen lassen wir gegen eine Gummiwand laufen.«
»Die beiden Typen sind aber nicht ungefährlich«, warnte Jess Wavers. »Es werden die verrücktesten Geschichten über sie erzählt.«
»Maßlos übertrieben«, meinte Brett Nichols.
»Und wie ist die Alte an unsere Firma gekommen?« fragte Stornay.
»Das möchte ich allerdings auch mal wissen«, wunderte sich Wavers und hob die Schultern. »Ob Tainers ihr das noch gesteckt haben kann?«
»Wie denn, Jungens?« Brett Nichols schüttelte den Kopf. »Er wußte doch gar nicht, wer ihm das Gift untergejubelt hat. Tainers hatte keine blasse Ahnung.«
»Dann muß die Alte ’ne Hellseherin sein«, erklärte Stornay. »Die rief doch nicht einfach so hier bei uns an, oder?«
»Wir sollten sie mal in die Mache nehmen«, schlug Wavers vor. »Innerhalb von zehn Minuten wissen wir dann genau Bescheid, wetten?«
»Nicht jetzt«, entschied Nichols, der ein vorsichtiger Fuchs war. »Wir sollten...«
Das Telefon unterbrach ihn. Er hob den Hörer ab und hörte einen Moment zu.
»Ich lasse bitten«, sagte er dann und legte wieder auf. Er wandte sich Stornay und Wavers zu. »Sie sind da, wie ich’s mir gedacht habe. Verschwindet, Jungens, laßt euch nicht sehen! Mit den beiden Typen werde ich allein fertig.«
*
»Was kann ich für Sie tun?« erkundigte sich Brett Nichols, nachdem Lady Simpson und Butler Parker sein Büro betreten hatten. Er gab sich höflich und bescheiden und sah vor allen Dingen die resolut wirkende Dame erwartungsvoll an. »Ihr Besuch ehrt mich, Mylady.«
»Mr. Tainers läßt grüßen«, erwiderte Agatha Simpson grimmig.
»Tainers? Wer ist das?« Nichols schluckte. Solch eine direkte Offenheit hatte er nun wirklich nicht erwartet.
»Der Mann, den Sie oder Ihre Subjekte umgebracht haben«, antwortete die Detektivin.