E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen. Эрнст Гофман

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Giacinta Soardi geheißen!“

      „Ist es möglich?“ rief Giglio. – „Aber mich dünkt, dies Mädchen hat zum Liebhaber einen miserablen bettelarmen Komödianten, Giglio Fava?“ „Allerdings“, erwiderte Celionati; „doch könnt Ihr es Euch wohl denken, daß eben diesem miserablen bettelarmen Komödianten, diesem Theaterprinzen die Prinzessin Brambilla nachläuft auf Stegen und Wegen und eben nur darum Euch die Putzmacherin entgegenstellt, damit Ihr vielleicht gar in tollem wahnsinnigen Mißverständnis Euch verlieben in diese und sie abwendig machen sollt dem Theaterhelden?“

      „Welch ein Gedanke“, sprach Giglio, „welch ein frevelicher Gedanke! – Aber glaubt es mir, Celionati, es ist nur ein böser dämonischer Zauber, der alles verwirrt und toll durcheinanderjagt und diesen Zauber zerstöre ich mit diesem Schwert, das ich mit tapfrer Hand führen und jenen Elenden vernichten werde, der sich untersteht, es zu dulden, daß meine Prinzessin ihn liebt.“

      „Tut das“, erwiderte Celionati mit schälkischem Lachen, „tut das, bester Prinz! Mir selbst ist viel daran gelegen, daß der alberne Mensch je eher, desto besser, aus dem Wege geräumt wird.“

      Jetzt dachte Giglio an Pulcinella und an die Dienste, zu denen er sich erboten. Er drückte daher an irgendeine verborgene Feder; Pulcinella sprang alsbald hervor und da er, wie er versprochen, eine ganze Zahl der unterschiedlichsten Dienerschaft zu ersetzen wußte, so war Koch, Kellermeister, Tafeldecker, Mundschenk beisammen und ein leckeres Mahl in wenigen Sekunden bereitet.

      Giglio fand, nachdem er sich gütlich getan, daß man doch, was Speisen und Wein betreffe, gar zu sehr spüre, wie alles nur einer bereitet, herbeigeholt und aufgetragen; denn alles käme im Geschmack auf eins heraus. Celionati meinte, die Prinzessin Brambilla möge vielleicht eben deshalb Pulcinella zur Zeit aus ihrem Dienst entlassen haben, weil er in vorschnellem Eigendünkel alles selbst und allein besorgen wolle, worüber er schon oft mit Arlecchino in Streit geraten, der sich dergleichen ebenfalls anmaße. –

      In dem höchst merkwürdigen Originalcapriccio, dem der Erzähler genau nacharbeitet, befindet sich hier eine Lücke. Um musikalisch zu reden, fehlt der Übergang von einer Tonart zur andern, so daß der neue Akkord ohne alle gehörige Vorbereitung losschlägt. Ja man könnte sagen, das Capriccio bräche ab mit einer unaufgelösten Dissonanz. Es heißt nämlich, der Prinz (es kann kein andrer gemeint sein, als Giglio Fava, der dem Giglio Fava den Tod drohte) sei plötzlich von entsetzlichem Bauchgrimmen heimgesucht worden, welches er Pulcinellas Gerichten zugeschrieben, dann aber, nachdem ihn Celionati mit Liquor anodynus bedient, eingeschlafen, worauf ein großer Lärm entstanden. – Man erfährt weder, was dieser Lärm bedeutet, noch wie der Prinz, oder Giglio Fava, nebst Celionati aus dem Palast Pistoja gekommen.

      Die fernere Fortsetzung lautet ungefähr wie folgt:

      Sowie der Tag zu sinken begann, erschien eine Maske im Korso, die die Aufmerksamkeit aller erregte, ihrer Seltsamkeit und Tollheit halber. Sie trug auf dem Haupt eine wunderliche, mit zwei hohen Hahnfedern geschmückte Kappe, dazu eine Larve mit elefantenrüsselförmiger Nase, auf der eine große Brille saß, ein Wams mit dicken Knöpfen, dazu aber ein hübsches himmelblau seidnes Beinkleid mit dunkelroten Schleifen, rosenfarbene Strümpfe, weiße Schuhe mit dunkelroten Bändern und ein schönes spitzes Schwert an der Seite.

      Der geneigte Leser kennt diese Maske schon aus dem ersten Kapitel und weiß daher, daß dahinter niemand anders stecken kann, als Giglio Fava. Kaum hatte aber diese Maske den Korso ein paarmal durchwandelt, als ein toller Capitan Pantalon Bri-ghella, wie er auch schon oftmals in diesem Capriccio sich gezeigt, hervor und mit zornfunkelnden Augen auf die Maske zusprang, schreiend: „Treffe ich dich endlich, verruchter Theaterheld ! – schnöder weißer Mohr! – Nicht entgehen sollst du mir jetzt! – Zieh dein Schwert, Hasenfuß, verteidige dich, oder ich stoße dir mein Holz in den Leib!“

      Dabei schwenkte der abenteuerliche Capitan Pantalon sein breites hölzernes Schwert in den Lüften; Giglio geriet indessen über diesen unerwarteten Anfall nicht im mindesten außer Fassung, sondern sprach vielmehr ruhig und gelassen: „Was ist denn das für ein ungeschlachter Grobian, der sich mit mir hier duellieren will, ohne das geringste davon zu verstehen, was echte Rittersitte heißt? Hört, mein Freund! erkennt Ihr mich wirklich an, als den weißen Mohren, so müßt Ihr ja wissen, daß ich Held und Ritter bin, wie einer, und daß nur wahre Courtoisie mich heißt, einherzugehen in himmelblauen Beinkleidern, Rosastrümpfen und weißen Schuhen. Es ist der Ballanzug in König Arthurs Manier. Dabei blitzt aber mein gutes Schwert an meiner Seite und ich werde Euch ritterlich stehen, wenn Ihr ritterlich mich angreift und wenn Ihr was Rechtes seid und kein ins Römische übersetzter Hanswurst! –“

      „Verzeiht“, sprach die Maske, „verzeiht, o weißer Mohr, daß ich auch nur einen Augenblick außer Augen setzte, was ich dem Helden, dem Ritter schuldig bin! Aber so wahr fürstliches Blut in meinen Adern fließt, ich werde Euch zeigen, daß ich mit ebensolchem Nutzen vortreffliche Ritterbücher gelesen, als Ihr.“

      Darauf trat der fürstliche Capitan Pantalon einige Schritte zurück, hielt sein Schwert in Fechterstellung dem Giglio entgegen und sprach mit dem Ausdruck des innigsten Wohlwollens: „Ist es gefällig?“ – Giglio riß, seinen Gegner zierlich grüßend, den Degen aus der Scheide und das Gefecht hub an. Man merkte bald, daß beide, der Capitan Pantalon und Giglio, sich auf solch ritterliches Beginnen gar gut verstanden. Fest in dem Boden wurzelten die linken Füße, während die rechten bald stampfend ausschritten zum kühnen Anfall, bald sich zurückzogen in die verteidigende Stellung. Leuchtend fuhren die Klingen durcheinander, blitzschnell folgte Stoß auf Stoß. Nach einem heißen bedrohlichen Gange mußten die Kämpfer ruhen. Sie blickten einander an und es ging mit der Wut des Zweikampfs solch eine Liebe in ihnen auf, daß sie sich in die Arme fielen und sehr weinten. Dann begann der Kampf aufs neue mit verdoppelter Kraft und Gewandtheit. Aber als nun Giglio einen wohlberechneten Stoß seines Gegners wegschleudern wollte, saß dieser fest in der Bandschleife des linken Beinkleids, so daß sie ächzend hinabfiel. „Halt!“ schrie der Capitan Pantalon. Man untersuchte die Wunde und fand sie unbedeutend. Ein paar Stecknadeln reichten hin, die Schleife wieder zu befestigen. „Ich will“, sprach nun der Capitan Pantalon, „mein Schwert in die linke Hand nehmen, weil die Schwere des Holzes meinen rechten Arm ermattet. Du kannst deinen leichten Degen immer in der rechten Hand behalten.“ „Der Himmel sei vor“, erwiderte Giglio, „daß ich dir solche Unbill antue! Auch ich nehme meinen Degen in die linke Hand; denn so ist es recht und nützlich, da ich dich so besser treffen kann.“ „Komm an meine Brust, guter edler Kamerad“, rief der Capitan Pantalon. Die Kämpfer umarmten sich wiederum und heulten und schluchzten ungemein vor Rührung über die Herrlichkeit ihres Beginnens und fielen sich grimmig an. „Halt!“ schrie nun Giglio, als er bemerkte, daß sein Stoß saß in der Hutkrempe des Gegners. Dieser wollte anfangs von keiner Verletzung was wissen; da ihm aber die Krempe über die Nase herabhing, mußte er wohl Giglios edelmütige Hülfleistungen annehmen. Die Wunde war unbedeutend; der Hut, nachdem ihn Giglio zurechtgerückt, blieb noch immer ein nobler Filz. Mit vermehrter Liebe blickten sich die Kämpfer an, jeder hatte den andern als rühmlich und tapfer erprobt. Sie umarmten sich, weinten, und hoch flammte die Glut des erneuerten Zweikampfs. Giglio gab eine Blöße, an seine Brust prallte des Gegners Schwert und er fiel entseelt rücklings zu Boden.

      Des tragischen Ausgangs unerachtet schlug doch das Volk, als man Giglios Leichnam wegtrug, ein Gelächter auf, vor dem der ganze Korso erbebte, während der Capitan Pantalon kaltblütig sein breites hölzernes Schwert in die Scheide stieß und mit stolzen Schritten den Korso hinabwandelte. –

      „Ja“, sprach die alte Beatrice, „ja es ist beschlossen, den Weg weise ich dem alten häßlichen Scharlatan, dem Signor Celionati, wenn er sich wieder hier blicken läßt und meinem süßen holden Kinde den Kopf verrücken will. Und am Ende ist auch Meister Bescapi einverstanden mit seinen Narrheiten.“ – Die alte Beatrice mochte in gewisser Art recht haben; denn seit der Zeit, daß Celionati es sich angelegen sein ließ, die anmutige Putzmacherin, Giacinta Soardi, zu besuchen, schien ihr ganzes Innres wie umgekehrt. Sie war wie im ewig fortdauernden Traum befangen und sprach zuweilen solch abenteuerliches verwirrtes Zeug, daß die Alte um ihren Verstand besorgt wurde. Die Hauptidee Giacintas, um die sich alles drehte, war, wie der geneigte Leser schon nach dem vierten Kapitel


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