Etymologisches Wörterbuch der deutschen Seemannssprache. Gustav Goedel

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Seemännisch, ein Schiff das anderen sich brennend naht um sie in Brand zu stecken.

      Brass, die. Das Tau an der Nock der Rahe mit dem diese gebraßt d. h. vorwärts oder rückwärts bewegt wird, je nachdem die Segel nach dem Winde gerichtet werden müssen. Die beiden vom Mast abstehenden Teile einer Rahe gleichen zwei ausgebreiteten Armen. Daher ist anzunehmen, daß das Tau an solchem Arm mit dem lateinischen und griechischen Worte für Arm, brachium, brachion, verwandt und durchs Romanische zu uns gekommen ist. Französisch brasse, Klafter, Schnur, Seil; provençalisch brassa, spanisch und portugiesisch braza, Klafter (was man mit den Armen fassen, greifen, umfassen kann); englisch brace, Tragband, Handhabe; diese letztere Bedeutung würde dem Gebrauche von Braß als Handhabe am Ende der Rahe am besten entsprechen. Das seemännische Braß heißt französisch bressin, weil das den Namen tragende Tau am bras (Arm) befestigt ist; es müßte daher eigentlich brassin lauten; aber brassin hieß schon das Gebräu, und davon sollte es unterschieden werden. — Anbrassen heißt so brassen, daß das Segel mit der Luvseite weiter nach vorn kommt, aufbrassen, daß es weiter nach hinten kommt. — Brassen und toppen heißt nach einem Segelmanöver, im Hafen aber vor der Morgenmusterung die gesamte Takelage einer genauen Besichtigung unterziehen und, wenn nötig, in einen tadellosen hafenmäßigen Zustand bringen; besonders jede Rahe in den rechten Winkel zur Längsachse des Schiffes brassen und sie in den rechten Winkel mit ihrem Maste toppen.

      Bratspill, das. Vorrichtung einfacher Art zum Ankerlichten. Muß eigentlich heißen Bratspitt = Bratspieß, weil es wie ein solcher gedreht wird. Da aber die Vorrichtung wie das Spill gebraucht wird, so lag die etymologisierende Veränderung in Bratspill, als Anlehnung an den stärker gewordenen Begriff nahe. In Holland heißt das Werkzeug — eine horizontale hölzerne Welle — braadspit; das englische windlass und das französische vindas haben das Bild einer hölzernen Welle oder Achse, die oder mit der man windet, ebenfalls deutlich festgehalten. In der „Beschriving van der Kunst der Seefahrt‟, Lübeck, 1678 steht: „weil die Pallen von das Bratspieß weg wahren.‟

      Breitfock (Brefock), die. Wenn Schiffe, die für gewöhnlich nur Gaffel-, Spriet- oder Gieksegel (Schratsegel) führen, vor dem Winde fahren, so setzen sie ein breites, viereckiges Rahsegel — das einzige das sie setzen können — ; es befindet sich — nach Roeding — an der Bagienrahe, (die am Großmast angebracht ist, weil ein Kreuzmast nicht vorhanden). Dieses Segel heißt Breitfock, da es dem achterlichen Winde eine möglichst breite Angriffsfläche darbieten soll um besser ziehen (s. Fock) zu können.

      Briese, die. Das Wehen des Windes, besonders wenn er nicht zu stark weht. Man sagt zwar „es briest auf‟ oder „es briest tüchtig‟ und spricht von einer frischen, kräftigen, strammen Briese, aber sobald der Wind zum Sturm anwächst, wird er nicht mehr Briese genannt. Da in England breeze ein sanfter Wind, in Italien brezza ein kalter, windiger Nebel, in Spanien bisa der Nordostwind heißt und in letzterer Sprache bisa und brisa gleichbedeutend sind und neben einander gebraucht werden, so mag Briese nur eine andere Form für Biese, Bise (s. d.) sein. Wenigstens fällt es schwer, das Wort mit dem niederdeutschen brusen, brausen, oder mit dem niederländischen brysen, brechen, zusammenzubringen, es müßte denn sein, daß man sich eine „spiegel‟-glatte See vorgestellt hätte, deren Spiegel von der aufkommenden Briese „gebrochen‟ und mit Katzenpfötchen bedeckt wird.

      Brigg, die, ein Segelschiff mit zwei mit Rahen versehenen Masten. Das Wort kommt — wie wohl auch die Sache — aus dem Mittelmeer. Die Grundbedeutung ist Unruhe, Geschäftigkeit. Italienisch briga, Lärm, Getümmel, Geschäft, brigare, eifrig streben, dringend bitten, brigata, Gesellschaft, Rotte, Heerschaar, (Brigade); brigantino Raubschiff, Seeräuberfahrzeug. In diesem Sinne ist es zuerst ins Deutsche gekommen, oft mit der Umstellung Bergantine; so hat es schon Kilianus: bergantine = navis piratica. Es liegt auf der Hand, daß ein Seeräuberschiff ein schnelles Fahrzeug sein mußte, das der ehrliche, „erlaubte‟ Handel („Nahrungszweig‟) sich zum Muster nehmen konnte. Das hat er auch getan, aber das Wort war dem niederdeutschen einsilbigen Seemann zu lang, er kürzte es ab in Brigg.

      Brille, die. Was eine Brille im Munde des Seemanns bedeutet ergibt sich am deutlichsten aus der Beschreibung der Brille für den Aussenklüverbaum bei Dick und Kretschmer. Sie „besteht aus einem vierkantigen und einem runden Teil; beide Teile sind durch einen Steg mit einander verbunden. Die Brille wird mit dem Vierkant so über die Nock des Klüverbaums gestreift, daß der zur Aufnahme des Außenklüverbaums bestimmte runde Teil sich am Steuerbord befindet.‟ Also eine Art von Eselshaupt. Der runde Teil, der Einfassung einer alten runden Brille ähnlich, hat den Namen veranlaßt. Brille stammt von dem Edelstein beryllus, der zuerst als Zauber- und Wahrsageglas diente, dann als Sehglas geschliffen zur Unterstützung schwacher Augen; zunächst für ein Auge, dann für beide.

      Brook, die, ein Tau oder ein Geflecht von dünner Leine, dazu bestimmt, etwas festzuhalten und zu sichern damit es an seiner Stelle bleibe; auch ein Stück geteertes Segeltuch vor einer Öffnung befestigt, in die kein Wasser eindringen soll. Verleihung von Festigkeit und Schutz ist also der Zweck einer Brook. Beides wird dem menschlichen Leibe durch die — Hose gewährt, namentlich wenn sie nicht mit Hosenträgern getragen, sondern durch einen Gürtel oder, wie beim Seemann üblich, durch einen enganliegenden Hosenbund gehalten wird. Hose heißt aber niederdeutsch Brook; ein sehr altes Wort, das bei den Römern braca hieß, aber als Fremdwort bekannt war, wie denn auch nicht nur die Perser, sondern auch die Germanen und die Gallier unter dem gleichen Namen ein Kleidungsstück trugen das nicht nur den Beinen Schutz, sondern auch den Hüften Halt und Festigkeit verlieh. (Hosen-) Gurt wird also die Hauptbedeutung des Wortes am sinngemäßesten wiedergeben.

      Buchse, die, wird im seemännischen Sprachgebrauch vielfach anstatt Büchse gesagt; Beweis, wie sehr dieser am Alten auch da festhält, wo das ihm so nahe liegende Niederdeutsche Weiterbildung mitgemacht hat. Denn das vom griechischen pyxis (aus puxos Buchs, Buchsbaum) stammende Wort, das mittelhochdeutsch buhse, mittelniederdeutsch busse hieß, hat sogar im Neuniederdeutschen den Umlaut angenommen (büsse) den die Seemannssprache bisher mit Erfolg abgelehnt hat. Das englische box wird auch in deutsch-seemännischen Munde oft gehört, sogar (scherzweise) für Kammer, um die Enge einer solchen zu kennzeichnen.

      Bucht, die. 1. Die Biegung eines aufgeschossenen oder sonst „gebogenen‟ Taues. 2. Bucht im neuhochdeutschen Sinne eines kleinen Meerbusens, Ort wo die Küste sich einbiegt. Nach Heyne ist das Wort erst im 18. Jahrhundert aus Niederdeutschland in die hochdeutsche Schriftsprache gedrungen. So hat also das Niederdeutsche diesen althochdeutschen Besitz vor dem Verluste gerettet, denn von dem althochdeutschen biogan biegen gab es schon in alten Zeiten ein Substantivum biugo = sinus.

      Bug, der. Der vorderste, stark gebogene Teil des Schiffes; die Biegung ist das den Ausschlag bei der Benennung Gebende. Das hat Weigand (I. 278) zwar geleugnet, indem er sagt, bug käme nicht von biegen wegen des uo im althochdeutschen und mittelhochdeutschen buoc; aber ohne Erfolg, denn woher soll das althochdeutsche buog, das obere Gelenk des Oberarms und des Schenkels, anders kommen als von biogan? Gothisch biugan, biegen und beugen; Sanscrit bhug, inflectum esse (gekrümmt). Es ist behauptet worden: „Die uralten Bezeichnungen von Körperteilen wie Arm, Bug, Herz, Nase, Niere etc. etc. beruhen auf dunklen Wurzeln, von denen wir nirgends mehr eine Spur finden; sie gehören eben zum allerältesten Wortbestande der indogermanischen Sprache.‟ Für Bug liegt aber die Annahme einer Wurzel die biegen bedeutet so nahe, daß man sich ihr nicht entziehen kann. Auch Bogen ist verwandt, altdeutsch bogo, boge = Halbkreis, Waffe, Sattelbogen; niederländisch boog, wozu Aubin bemerkt: „ce mot se dit de toutes les choses qui se sont en ligne courbe.‟ Bug heißt niederländisch allerdings nicht boog sondern boeg, aber Weiland sagt: „boeg van buigen, het voorste gedeelte van een schip, waar het sterk gebogen is.‟ — Kilianus gebraucht bocht und boech als völlig gleichbedeutend. — Angelsächsisch bôg, englisch bough. In der Edda wird für Biegung, Krümmung, bugr gebraucht. — „Über den Steuerbord-, über den Backbordbug anliegen oder segeln‟ heißt: Das Schiff liegt auf der Steuerbord-, auf der Backbordseite am Winde, segelt mit der Steuerbord-, mit der Backbordseite der Segel beim Winde. Das sind zwei sehr verschiedene Fälle; will der Seemann aber sagen: „auf alle Fälle‟, so sagt er: „über jeden Bug‟, auch da wo es sich nicht um Seemannschaft handelt; Groningen: „Hy prebjerret it op alle bugen um rik to wirden.‟

      Bugsieren, ein Schiff durch ein anderes schleppen,


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