DAS GOLD DER INKA (Drake Ramsey). Russell Blake
dass du eines Tages kommen würdest. Wie hast du mich gefunden?«
»Jack?«
»Gut kombiniert, Sherlock!«
»Ich … ich habe meine üblichen Ermittlungstechniken eingesetzt. Du bist wahrscheinlich ein schlechter Pokerspieler, hast dich am Telefon gleich verraten.«
»Ach ja, der Anruf. Ich wusste es doch, ich hätte mich sofort nach Mexiko absetzen sollen. War auch schon drauf und dran.«
Die beiden Männer starrten sich schweigend an. Ein eisiger Wind peitschte die Straße hinunter und brachte einen kleinen Luftwirbel mit, der den rötlichen Sand aufwirbelte. Jacks Augen folgten dem Weg dieser Mini-Windhose, bevor er sich wieder auf Drake konzentrierte.
»Und jetzt?«, fragte er schließlich.
»Ich habe ein paar Fragen.«
Jack nickte. Er rieb sich mit einer Hand übers Gesicht, lehnte sich dann zur Seite und spuckte in das neben ihm liegende Beet voller Unkraut. »Das glaube ich dir.«
»Soll ich sie hier draußen stellen, oder können wir reingehen?«
»Wie wäre es, wenn ich dir sage, dass ich dich erschießen werde, wenn du einen Fuß auf meinen Grund und Boden setzt?«, fragte Jack mit einem vernünftig klingenden Tonfall. Dann spuckte er noch einmal aus, als würde er seine Worte damit unterstreichen wollen.
»Dann warte ich eben hier draußen. Irgendwann musst du ja mal raus.«
Jacks Krähenfüße vertieften sich, als er zu einem mitleidigen Lächeln ansetzte. »Ich bin Selbstversorger. Ich kann es eine ganze Weile hier drinnen aushalten.«
Drake nickte, und stopfte die Fäuste in die Hosentaschen, um sie vor der Kälte zu schützen. »Kein Problem, ich habe Zeit.«
Jack starrte an ihm vorbei zum Horizont, wo sich eine Reihe Bäume wie Pappaufsteller vor dem klaren, blauen Himmel absetzten.
»Irgendwann wirst du auf die Toilette müssen«, stellte er fest.
Drake grinste. »Ich habe ziemich viel Übung darin, in Flaschen zu pinkeln.«
»Tja, ein Mann braucht ein Hobby. Woher hast du diese Ermittlungstechniken, von denen du sprachst?«
»Lange Geschichte.«
»Ich könnte dich auch aus Versehen erschießen. Hier draußen würde mich niemand verurteilen, falls du eine verirrte Kugel fängst.«
»Da müsstest du aber wahrscheinlich mehr als einmal schießen, und das zerstört dann die Geschichte vom Zufallstreffer.«
Der ältere Mann grunzte noch einmal. »Tja, wenn das so ist, kannst du deinen Wagen wohl auch neben dem Haus parken.«
Jack wühlte in einer Hosentasche seiner sonnengegerbten Jeans und förderte einen kleinen Schlüssel zutage. Damit öffnete er das Schloss und anschließend das Tor, das laut quietschend protestierte. Drake kehrte in den Wagen zurück und startete den Motor. Der Kies knirschte unter seinen Reifen, als er dem Weg zum Haus folgte. Im Rückspiegel sah er, wie Jack wieder abschloss und ihm dann hinterherkam. Drake verließ den Wagen und lehnte sich wartend gegen die Motorhaube, die ausströmende Wärme war sehr angenehm. Neben seinem Auto parkte eine halbwegs aktuelle Toyota-Limousine, dahinter ein bestimmt dreißig Jahre alter Pick-up-Truck. Als sich die Eingangstür des Hauses mit einem Quietschen öffnete, zuckte Drake zusammen. Noch überraschter war er dann vom Anblick der Frau, die an ihn herantrat. Sie war mittelgroß, hatte schwarze Haare und trug eng anliegende Jeans, Wanderstiefel und ein buntes Flanellhemd, dass ihre Kurven eher betonte, als sie zu verhüllen. Er schätzte sie auf Anfang zwanzig.
»Wer sind Sie?«, fragte sie in unfreundlichem Ton.
»Ich besuche Jack Brody.«
Ihre Mundwinkel zogen sich weiter nach unten. »Das hat jetzt irgendwie nicht meine Frage beantwortet, oder?«
»Oh, tut mir leid. Ich bin Drake.«
Inzwischen stieß Jack zu den beiden, sein Atem dampfte in der kalten Luft, die Nase war rot vor Kälte.
»Allie? Das ist Drake Ramsey. Drake, meine Tochter Allison.«
Das Gesicht der jungen Frau blieb regungslos, doch ihre strahlend blauen Augen weiteten sich leicht, als Drake ihr die Hand entgegenstreckte. Sie griff zu und schüttelte sie, wobei sie erst ihren Vater anschaute, und dann wieder Drake.
»Schön, dich kennenzulernen. Mich nennen alle Allie«, sagte sie mit einem nervösen Lächeln.
»Allie. Okay, dann nenne ich dich wohl auch so«, sagte Drake. Dann fiel ihm auf, dass er immer noch ihre Hand festhielt, und er ließ eilig los.
Jack räusperte sich. »Dann komm mal raus aus der Kälte, Drake. Ich schätze, du wirst viele Fragen haben, also könnte das etwas dauern.« Er ging an ihm vorbei und erklomm die drei Stufen der Veranda. »Allie, könntest du uns einen Kaffee machen? Das Wetter soll ja bald besser werden, aber heute ist es mir ganz schön in die Knochen gefahren!«
»Klar Dad, wird in ein paar Minuten fertig sein«, sagte sie, den Blick immer noch auf Drake gerichtet.
Zwischen ihnen bestand eine fühlbare Spannung, und Drake musste sich mit Gewalt losreißen, um Jack nach drinnen zu folgen.
Die Inneneinrichtung des Hauses war genau so, wie das Äußere vermuten ließ. Die spartanischen Möbel eines hart anpackenden Arbeitsmenschen, völlig frei von dekorativen Elementen; alles eher praktisch und abgenutzt. Jack warf seine schwere Jacke auf einen Garderobenhaken und machte es sich in einem alten Ledersessel gemütlich, der neben einem billigen Sofa stand. Er bedeutete Drake mit einer Geste, Platz zu nehmen, und legte dann seinen Hut auf dem Kaffeetisch vor sich ab. Seine grau melierten Haare waren kurz und praktisch geschnitten, vermutlich der 10-Dollar-Schnitt beim örtlichen Friseur, aber Jack war auch wirklich nicht der Typ für irgendwelche Raffinessen.
Drake räusperte sich und begann mit einer Frage, auf die er die Antwort eigentlich schon kannte.
»Warum hast du deinen Namen geändert?«
»Gibt es dagegen ein Gesetz?«, bellte Jack.
»Nein, aber es scheint so, als hätte das jeder in der Familie gemacht. Mein Vater, Patricia, du …«
Jacks Augen verengten sich. »Du weißt also von Patricia. Woher?«
Drake sah keinen Grund, zu lügen. »Ihr Anwalt hat mich nach ihrem Tod kontaktiert.«
Jack schien überrascht. »Sie ist tot? Gott sei ihrer Seele gnädig. Sie war eine gute Frau. Ich habe seit Ewigkeiten nichts von ihr gehört. Woran ist sie denn gestorben, sie war doch erst Mitte fünfzig …?«
»Ein Autounfall.«
»Ein Unfall? Was für eine Schande. Ohne sie ist die Welt schlechter als vorher.«
»Das glaube ich dir, ich habe sie allerdings nie kennengelernt.«
»Doch hast du. Als ganz kleines Kind. Aber wahrscheinlich kannst du dich nicht mehr daran erinnern. Was wollte der Anwalt denn von dir?«
»Sie hat mir Geld hinterlassen.«
»Ja, so war sie – unglaublich gutherzig.« Jack machte eine Pause. »Aber wie hast du mich gefunden, und woher wusstest du, dass ich meinen Namen geändert habe?«
»Sie hat mir auch ein paar Informationen über meinen Vater vererbt, und anscheinend hat sie auch deinen Werdegang verfolgt. Ich schätze mal, sie wollte Kontakt halten. Sie hat deinen neuen Namen erwähnt.«
»Das überrascht mich jetzt, weil sie sich nie gemeldet hat.« Er hielt inne, als Allie mit zwei Tassen Kaffee hereinkam und sie auf den Tisch stellte.
»Ich hoffe, schwarzer Kaffee ist okay. Wir haben leider keine Milch. Möchtest du Zucker?«, fragte sie.
»Nein danke, schwarz ist super«, antwortete Drake.
Sie starrte ihn für einen Moment an, dann überließ sie die Männer ihrem