Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik

Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band - Hans  Dominik


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Aber Lord Maitland empfing auch von Viertelstunde zu Viertelstunde die Telegramme aus Amerika, und er fand, daß die aufreizende Sprache der Yankeepresse in den Morgenstunden an Schärfe verloren hatte. Wollte man England einwiegen, um es dann um so sicherer überfallen zu können? Oder hatte sich Cyrus Stonard besonnen und die Auseinandersetzung aufgeschoben? Er fand keine sichere Antwort auf diese Fragen.

      Seine Betrachtungen wurden unterbrochen. Ein Punkt, der in den letzten Sekunden am Horizont sichtbar geworden war, hatte sich schnell vergrößert. Aus unendlicher Höhe stieß er herab und wuchs in jeder Sekunde, bis er sich breit und massig auf die blauen Fluten des Solent legte. Dort wogte das Luftschiff im Spiele der Wellen leicht auf und ab, rasselnd gingen die Anker in die Tiefe und legten den mächtigen Rumpf fest. Flatternd stieg das Sternenbanner am Heck hoch, und wie durch Zauberei spannte sich in wenigen Sekunden der bunte Schmuck der Flaggenparade längs über das Schiff. Cheerrufe aus der Menge begrüßten den ersten Transatlantik, dem in wenigen Minuten zwei weitere folgten.

      Mr. Pykett schrieb ruhig einen Scheck über 150 Pfund aus und legte ihn in die Hände des Viscount Robarts. Während er das tat, stellte er sich im stillen die gleichen Fragen wie Lord Maitland. Warum ließ Cyrus Stonard noch Passagierboote hinüber? Hatte er sich im letzten Augenblick besonnen und die Auseinandersetzung aufgeschoben?

      Die Atmosphäre war mit Politik geladen. Auch das Gespräch der Damen beeinflußte sie. In einer Pause der Gespräche hörte man deutlich die wohlklingende Stimme der Lady Diana:

      »Wie sollten England und Amerika miteinander fechten? Die gemeinsame Sprache verhindert es ja. Sie ist das stärkste Band, das Menschen aneinanderbindet.«

      Die Viscounteß Robarts nickte zustimmend. »Ich könnte es nicht begreifen, wie Englishspeakers sich gegenseitig morden sollten.«

      Die Damen glaubten nicht an die Möglichkeit eines Krieges. Aber sie wußten auch wenig von der Politik und Staatsräson eines Cyrus Stonard.

      Draußen begann der Wettbewerb der Tauchflieger. Von großen Höhen schossen die Flugschiffe herunter, durchschnitten klatschend die Wasserfläche, zogen noch eine kurze Spur quirlenden Propellerwassers hinter sich her und waren dann verschwunden. Als Unterseeboote setzten sie ihre Fahrt fort. Nach den Bedingungen des Wettbewerbes mußten sie unter Wasser eine lange Strecke zurücklegen, eine in fünfzig Meter Tiefe verankerte Boje aufnehmen und innerhalb vorgeschriebener Zeit an einer bestimmten Stelle wieder auftauchen.

      Um die Amerikaboote tummelten sich die Zollbarkassen. Die Zollabfertigung dauerte nur kurze Zeit. Schon setzten die Transatlantiks selbst Motorboote aus. Einzelne der soeben Angekommenen gingen an Land, um hier Freunde und Bekannte zu treffen.

      Der Weg für die Tauchflieger war lang. Deshalb schob das Programm ein Wettfliegen mit motorlosen Flugzeugen ein. Nach dem pomphaften Schauspiel der Luftflotte und dem dämonischen der Tauchflieger kam die Idylle. Von der höchsten Spitze der Uferklippen segelten die einzelnen Flieger ab. Wie die Schmetterlinge gaukelten sie mit geblähten Tragflächen in der Luft. Hingen oft fast bewegungslos an derselben Stelle, um dann plötzlich die Flügel zu recken und sich wie die Albatrosse in weiten Kreisen in die Höhe zu schrauben.

      Viscount Robarts suchte, mit wem er eine neue Wette auf den Segelflug eingehen könne. Die übrigen Gäste Lord Maitlands verfolgten durch scharfe Gläser die immer höher steigenden Segler. Auf der Bordtreppe der Maitlandjacht wurden Schritte vernehmbar. Neue Gäste kamen. Sir Arthur Vernon, der Vorgänger Lord Maitlands in der Admiralität. Er führte einen Fremden in diesen Kreis ein.

      »Herr Dr. Glossin aus Trenton in den Staaten …«

      Während der Eingeführte sein Kompliment machte, fuhr Sir Arthur zu Lord Maitland gewendet kaum hörbar fort: »… Ein alter Freund von mir … Kann vielleicht helfen, die Krise zu lösen.«

      Die wenigen Worte genügten, um dem Amerikaner einen Empfang zu sichern, dessen Herzlichkeit noch um eine Note über die übliche englische Gastfreundschaft hinausging.

      Dr. Glossin widmete sich besonders der Herrin der Jacht. Zu ihrem Staunen lenkte er das Gespräch sehr bald auf solche Orte und Personen, die sie als Sängerin kennengelernt hatte, ohne doch ihren früheren Beruf mit einem Worte zu erwähnen.

      Lady Diana wurde durch das Gespräch gefesselt und doch wieder innerlich abgestoßen. Sie spürte bei jedem Satz einen geheimnisvollen Doppelsinn und konnte sich dem Einfluß dieses Gastes doch nicht entziehen. Eine innere Stimme warnte sie, sich den Mann zu nah kommen zu lassen, und unter einem unwiderstehlichen Zwange brachten ihre Lippen gleichzeitig eine freundliche Einladung nach Maitland Castle zutage. Eine Einladung, die Lord Maitland dringend unterstützte. Es lag ihm daran, mit diesem einflußreichen Amerikaner in Fühlung zu bleiben.

      Dr. Glossin dankte für die Aufforderung. Er nahm sie mit Vorbehalt an. Vorerst habe er noch in London zu tun. Danach würde er gern nach Maitland Castle kommen. Krieg und Kriegsgefahr … er lachte darüber. Das amerikanische Volk denkt nicht daran, sich mit den stammverwandten Briten in einen Krieg einzulassen. Preßzänkereien bedeuteten noch lange keinen Krieg.

      Lord Maitland ging gerade auf das Ziel los. Die Aufregung der amerikanischen Presse sei durch die Entführung eines Flugzeuges hervorgerufen worden. Die amerikanische Presse habe behauptet, daß die Engländer es entführt hätten. Ob der Zwischenfall klargestellt sei.

      Dr. Glossin wurde wortkarg. Die Entführung des Flugschiffes sei noch nicht völlig aufgeklärt. Bestimmte Beobachtungen deuteten aber auf eine bestimmte Spur. Er vermied es, hier in der Gegenwart so vieler Gäste mehr zu sagen. Aber Lord Maitland verstand, daß der Amerikaner ihm unter vier Augen mancherlei mitzuteilen habe, Dinge, die jedenfalls die größte Diskretion verlangten.

      Draußen nahmen die Konkurrenzen ihren Fortgang. Das Zwischenspiel der Segelflieger war beendet. Der Viscount Robarts hatte es zu seinem Leidwesen vorübergehen lassen müssen, ohne eine Wette unterbringen zu können. Unbelebt dehnte sich die Fläche des Solent. Aber mit den Stoppuhren in der Hand warteten die Preisrichter. Und jetzt … Wirbelnd schoß es wie ein Fisch aus dem Wasser, reckte im Augenblick des Auftauchens zwei kräftige Schwingen und flog in die Höhe. Der erste Flugtaucher war angekommen. Den Bedingungen der Konkurrenz entsprechend, stieg er bis auf zehntausend Meter Höhe, ging dann im Gleitflug nieder und legte sich ruhig auf das Wasser. Noch während er niederging, stieg bereits das zweite Boot aus dem Wasser in die Höhe. In kurzen Intervallen folgten die anderen Wettbewerber. Die Konstruktionen gaben sich gegenseitig kaum etwas nach. Die wenigen Sekunden, die das eine Boot etwa länger als das andere nach seiner Boje auf dem Grunde hatte suchen müssen, gaben den Ausschlag.

      Jeder von den Zuschauern hier in der Jacht begriff, daß England in diesen Flugtauchern eine neue wirksame Waffe besaß. Diese Maschinen konnten in gleicher Weise U-Boote und Flugzeuge angreifen. Sie konnten den Ort des Kampfes nach eigenem Belieben über oder unter dem Wasser suchen.

      Lord Maitland stand mit dem Doktor Glossin an einem der Fenster.

      »Eine glänzende Erfindung! Ich denke, Sie werden Ihrem Präsidenten davon zu erzählen haben.«

      Dr. Glossin lächelte höflich. Die Pläne der Flugtaucher waren längst in Washington.

      »Es gibt etwas anderes, was uns gegenwärtig größere Sorge macht.«

      Lord Maitland blickte fragend auf.

      »Mein Lord, hörten Sie jemals etwas von telenergetischen Konzentrationen?«

      Lord Maitland blickte so naturgetreu verdutzt auf, daß Dr. Glossin einsah, der Lord wisse wirklich nichts davon. Wenn aber der Vierte Lord der britischen Admiralität von dieser Sache nichts wußte, dann war beinahe sicher anzunehmen, daß auch die Admiralität und die englische Regierung keine Kenntnis davon hatten. Das mußte aber zweifelsfrei festgestellt werden, bevor Cyrus Stonard losschlug. Darum war Dr. Glossin hier in England, und darum hatte Cyrus Stonard das schon gezückte Schwert nach einmal in die Scheide zurückgestoßen.

      Besaß England das Geheimnis Gerhard Bursfelds, so durfte Amerika den Angriff nicht wagen. Im anderen Falle konnte der Schlag mit guter Aussicht auf ein Gelingen geführt werden.

      Die Konkurrenzen gingen ihrem Ende


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