Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
auf den Armen … Jane … bewußtlos. Ihr Antlitz war weiß. Ihr Kopf lag schlaff und kraftlos auf der Schulter ihres Trägers. Dann zwei andere. Sie schleppten Silvester. Hatten ihn gefesselt und trugen ihn wie ein Stück Holz über den Platz.
Zuletzt Dr. Glossin. Ein Lächeln der Befriedigung auf den Zügen.
Lodernder Zorn packte Erik Truwor. Er faßte den Strahler und gab Energie.
Zwanzig Meter hinter dem Doktor glühte der Sand des Hofes hell auf. Schmolz in Weißglut und strahlte Hitze.
Der Arzt warf einen Blick rückwärts und begann um sein Leben zu laufen. Mit schleifendem Fuß jagte er über den Hof und zog einen feurigen Strudel hinter sich her, denn mit der Mikrometerschraube brachte ihm Erik Truwor die Glut des Strahlers nach … und zerriß dabei in der Aufregung einen Draht des Fernsehers.
Das Bild erlosch. Tausend Meilen trennten Erik Truwor von Reynolds-Farm. Erst jetzt kam es ihm zum Bewußtsein.
Mit fiebernden Händen suchte er nach dem zerrissenen Draht. Er mußte sich zur Ruhe zwingen. Mußte mit unendlicher Geduld eine Schraube lösen, den Draht fassen, vorziehen und wieder festschrauben. Kostbare Minuten verstrichen darüber. Nun endlich war die Verbindung wieder hergestellt. Das Bild erschien von neuem auf der Mattscheibe. – Der Hof war leer.
Rätsel und Geheimnisse, die er nicht zu lösen vermochte. Hatte Atma eingegriffen, die Gegner vernichtet? Brachte er jetzt Silvester und Jane im Flugschiff heim?
Erik Truwor wußte es nicht. Er war verurteilt, hier zu sitzen und zu warten. Einen Schwur leistete er sich. Das Feuer des Strahlers auf Glossin niederfallen zu lassen, sobald er ihn wieder vor die Augen bekäme.
Im Walde von Elkington lag R. F. c. 1 zwischen Haselsträuchern und Brombeerranken. Wenige Schritte davon entfernt saß Atma im Gras und wartete. Seine Züge verrieten Unruhe. Er war blaß, soweit die dunkle Haut eines Inders zu erblassen vermag, und abgespannt. Die ungeheuere Anstrengung seines Kampfes mit Glossin wirkte noch in ihm nach. Er versuchte es, sich zu sammeln, neue Kraft aus den Meditationen und Selbstversenkungen seiner Religion zu schöpfen.
Die Sonne warf ihre Strahlen von Westen her schräg durch die Zweige und malte streifige Schatten auf den grünen Grund. Der Inder faßte seinen Schatten ins Auge und beobachtete, wie der dunkle Streifen ganz langsam weiterkroch. Halme, die eben noch lichtgrün schimmerten, wurden ganz allmählich dunkel und farblos. Auf der anderen Seite tauchten Spitzen und Blätter ebenso sacht und allmählich wieder in leuchtendes Sonnengold. Die Betrachtung dieser langsamen Veränderung, des steten und ruhigen Wechsels der Dinge tat Atma wohl. Sein Nervensystem fand allmählich die Ruhe wieder. Alle seine Sinne konzentrierten sich auf den wandernden Schatten und einen Steinblock, der noch etwa einen Fuß von dem Schatten entfernt war.
»Ich will warten, bis der Schatten den Stein berührt. Ist Logg Sar dann mit dem Mädchen noch nicht zurück, dann will ich gehen und sie holen.«
Er sprach es zu sich selbst, und nachdem er sich so die Zeitspanne gesetzt hatte, verharrte er regungslos, von der Sonne beschienen, in die Betrachtung des wandernden Schattens versunken und spürte, wie ihm Minute um Minute die alte Kraft und Ruhe zurückkehrte. Die Eidechsen kamen neugierig hinzu und liefen furchtlos über seine Füße. Eine Haselmaus führte dicht vor ihm ihren possierlichen Tanz auf, ohne sich um den regungslosen Körper zu kümmern. Jetzt streifte der Schatten den Stein. Soma Atma erhob sich. Erschreckt entflohen die Tiere des Waldes. Ein kurzer Blick auf das Chronometer. Zwei Stunden waren verflossen, seitdem Silvester von ihm ging, hinein nach Reynolds-Farm, das Mädchen zu holen … zwei Stunden. Atma erschrak. Zwanzig Minuten hätten genügen müssen. Auch dann noch, wenn die Liebenden ein langes Wiedersehen feierten.
Mit langen Schritten eilte er der Farm zu. Die Flügel der Hoftür waren nur angelehnt. Er schritt über den Hof in das Wohnhaus und fand es verlassen. Der Vorraum leer. Der große Wohnraum ohne eine lebende Seele. Aber die Unordnung verriet deutlich einen stattgehabten Kampf. Drei Stühle umgeworfen. Die Tischdecke in Falten. Ein Glas zerbrochen am Boden. Und dort Logg Sars Hut. Seine Handschuhe …
Während er den Raum verließ und die Treppe weiter hinaufstieg, malte sein Geist sich plastisch die Szenen aus, die sich hier abgespielt hatten während der Stunden, in denen er dort draußen im Walde ruhte, wartete und frische Kraft sammelte.
Es wäre niemals passiert, wenn er bei voller Kraft gewesen wäre. Dann hätte er mit wachem Nervensystem das kommende Unheil rechtzeitig gespürt.
Nun hatte er das Ende der Treppe erreicht. Ein turmartiger Erker bot Aussicht nach allen Seiten. Atma trat an die Scheiben, durchspähte den klaren Abendhimmel und sah in der Richtung auf Westen einen hellen Fleck seine Bahn ziehen. Ein Flugschiff … Zu dieser Zeit … in dieser Höhe. Es konnte nur von Elkington her kommen. Noch war es Zeit. In langen Sätzen sprang der Inder die Treppe hinunter und eilte dem Walde entgegen, wo R. F. c. 1 unter Ranken und Kräutern neuen Flügen entgegenharrte.
R. F. c. 2 hatte Kurs West zu Nordwest. Der Kommandant Charles Boolton stand am Ausguck. In der Kabine saß Dr. Glossin in einem der leichten bequemen Korbsessel. Seine Züge trugen die Spuren von Leiden und Kämpfen, seine Augen waren gerötet. Er machte einen übermüdeten und übernächtigten Eindruck. Ihm gegenüber in einem zweiten Sessel lag die zierliche Gestalt Janes, von tiefer Ohnmacht umfangen. In einer Ecke des Raumes, auf dem Boden, mit starken Stricken schwer gefesselt, Silvester Bursfeld. Dr. Glossin erhob sich von seinem Stuhl. Langsam, als ob jeder Schritt ihm Schmerzen bereitete, ging er durch den Raum auf die Ohnmächtige zu.
Er beugte sich über Jane und fühlte ihren Puls. Mit sanfter Gewalt brachte er ihre Lippen auseinander und flößte ihr aus einer kleinen Kristallflasche einige Tropfen einer rot schimmernden Flüssigkeit ein. Er fühlte, wie der Puls danach stärker ging, wie das Blut die Wangen der Bewußtlosen leicht rötete. Beruhigt kehrte er zu seinem Platze zurück und nahm selbst ein wenig von der Flüssigkeit. Dann ruhte sein Blick lange auf dem gefesselten Silvester.
Bedingungslose Vernichtung hatte Cyrus Stonard befohlen. Den einen der drei hatte er. Diesmal sollte er der Vernichtung nicht entgehen.
Dr. Glossin überschlug die Zeit. Noch Dreiviertelstunden. Dann war das Flugsschiff über Montana. Dort am Ostabhange der Rocky Mountains hatte er einen Schlupfwinkel. Und dann … dann ging es mit R. F. c. 2 in sausender Fahrt nach Sing-Sing zurück. Der drahtlose Befehl, die neue Maschine dort betriebsbereit zu halten, war längst gegeben. Diesmal sollte die Vollziehung des Urteils schnell und glatt vonstatten gehen. Ohne Zeugen. Nur er wollte dabei sein und sich überzeugen, daß der Strom diesmal auch wirklich seine Schuldigkeit tat. Dann war die alte Scharte ausgewetzt. Dann konnte ihm auch Cyrus Stonard keinen Vorwurf mehr machen.
Dr. Glossin lächelte befriedigt. Die Arznei hatte ihn körperlich erfrischt. Die Hoffnung, daß seine Pläne schnell zu glücklichem Ende kommen würden, stärkte ihn.
Sein Gedankengang wurde unterbrochen. Er hörte, wie der Kommandant in das Telephon nach dem Motorraum sprach. R. F. c. 2 flog mit voller Besatzung. Es hatte außer dem Kommandanten noch einen Ingenieur und zwei Motorwärter an Bord.
Der Kommandant sprach dringlich:
»Die Umdrehung beider Turbinen ist von 8000 auf 5000 gefallen und fällt dauernd weiter. Was ist bei Ihnen los?«
Dr. Glossin wurde aufmerksam. Jetzt irgendein Motordefekt. Ein Versagen der Turbinen. Das konnte seine Pläne stören.
Eine leichte Erschütterung ging durch das Schiff. Die Spitze neigte sich etwas nach unten, und im Gleitfluge stieg es aus der gewaltigen Fahrthöhe hinab. Die Tür des Motorraumes öffnete sich. Der Ingenieur trat herein. Den Lederanzug bespritzt, Spuren von Ruß und Öl an den Händen.
»Mr. Boolton, beide Maschinen stehen. Sie drehen sich nur noch, weil der Luftzug die Schrauben rotieren läßt. Die Maschinenkraft ist weg.«
Der Kommandant fuhr auf, wie eine gereizte Bulldogge.
»In drei Teufels Namen, Wimblington, wollen Sie uns bis auf die Knochen blamieren? R. F. c. 2 ist das beste Schiff unserer Flotte. Bringen Sie die Maschinen in Gang, oder ich bringe Sie vor das Kriegsgericht.«
Der