Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
Dewey lehnte sich in den Sessel zurück und sah seinen Gast prüfend an.
»… In der Bilanz fehlen einige Imponderabilien, deren Bedeutung nicht zu unterschätzen ist!«
Der Chinese schien solchen Einwand erwartet zu haben.
»Sie meinen die überlegene Intelligenz der weißen Rasse, Mr. Dewey?«
»Zweifellos!«
»Der Gedanke, daß die weiße Rasse der gelben und schwarzen an Intelligenz weit überlegen sei, muß als erledigt angesehen werden. Die weiße Rasse teilt das Schicksal vieler anderer Rassen, die vor ihr waren und ihr Ende fanden. Sie ist an der gefährlichen Stelle der Zivilisation angekommen, die ein Volk nicht erreicht, ohne von unwiderstehlichem Drang erfaßt zu werden, sich in den Abgrund zu stürzen.
Die ausgesuchteste Klugheit ist nicht imstande, den unwandelbaren Gesetzen des Geschehens entgegenzuwirken … Ist der Fall der weißen Rasse zu bedauern? Kaum … An ihren Leistungen gemessen. Wo waren die großen Kulturen der Vergangenheit? … Bei den Völkern des Orients!
Im Bereich der praktischen Wissenschaften und der Technik mögen die kommenden Jahrhunderte noch von den Weißen zu lernen haben. Sonst hat … diese Rasse … kaum etwas geleistet … was den Leistungen des Orients auch nur verglichen werden könnte … Ein paar Menschenalter, und die Weltherrschaft der Weißen ist nur noch eine Episode der Weltgeschichte. Noch vor hundert Jahren betrachteten sie China als eine Riesenfarm, die zum Nutzen der weißen Welt ausgebeutet wurde. Und heute? China steht fest auf eigenen Füßen, gestützt durch chinesische Intelligenz und chinesische Tüchtigkeit! …
Noch vor zwei Jahrhunderten definierte Franklin den Neger als ein Tier, das soviel wie möglich frißt und so wenig wie möglich arbeitet.
Und heute. Als vollkommen gleichberechtigte Vertreter menschlicher Kultur und Wissenschaft stehen die Schwarzen hier in der Union den Weißen gegenüber. Denken Sie nur an die schwarzen Universitäten und Schulen, an die großen Bank- und Geschäftshäuser, die ausschließlich von Schwarzen geleitet werden …«
John Dewey hatte während dieser langen Auseinandersetzung seines Gegenübers gedankenvoll auf den bunten Teppich geblickt.
»Und Sie halten jetzt schon den Zeitpunkt für gekommen, der Herrschaft der weißen Rasse für immer ein Ende zu machen? Der Gedanke ist kühn!«
»Der Kampf beginnt jetzt! Mehr will ich nicht sagen. Wir würden schneller zur Entscheidung kommen, wenn der große Schitsu am Leben geblieben wäre. Man raunt in seinem Reich, daß weiße Hand die Kugel des Attentäters lenkte. Aber unser Land ist nicht arm an großen Männern. Ein anderer wird erstehen … das Werk vollenden.«
»Wer wird für den unmündigen Thronerben die Regentschaft übernehmen? Wird … er es sein?«
Der Chinese nickte.
»Bestimmt?«
Nochmals ein Nicken.
»Er übernimmt eine schwere Bürde. So schwer, daß sie vielleicht auch der lebende Kaiser nicht hätte tragen können. Die Arbeiten der Europäischen Siedlungsgesellschaft drängen zu einer Entscheidung. Ist Neuland im Herzen Asiens mit hundert Millionen europäischer Siedler besetzt, dürfte es schwer sein, den Vorstoß nach Westen zu wagen. Die Gebirgszüge, die China vom Westland trennen, werden dann, gehörig befestigt, eine chinesische Mauer sein … gegen China.«
»Er ist ein Mann der Tat. Er wird keinen Tag verlieren. Der diplomatische oder militärische Sieg in der Besitzfrage des Kuldschagebietes wird die große Umwälzung einleiten …«
»Sie rechnen mit dem Sieg, Melan Fang?«
»Unbedingt! Die größeren Machtmittel sind auf unserer Seite … nicht zu reden von unserem unerschöpflichen Menschenreservoir.«
»Und doch …«
Ein nervöses Zucken lief über das Gesicht des Chinesen, als diese Frage des kühlen Rechners Dewey sein Ohr traf.
»… und doch will er den entscheidenden Schritt nicht wagen, ohne der Hilfe der schwarzen Rasse sicher zu sein … wollten Sie sagen.«
Dewey nickte schweigend.
»Ich kann Ihre Bedenken nicht teilen. Haben Sie bei ihren großen geschäftlichen Unternehmungen nicht auch zuweilen mit der Hilfe anderer gerechnet?«
Wieder schüttelte Dewey den Kopf.
»Nie!«
Melan Fang rückte unruhig auf seinem Stuhl.
»Es ist wichtig, den kommenden Krieg schnell und sicher zu beenden. Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, dazu alle Mittel, die sich bieten, zu benutzen.«
Ein ironischer Zug legte sich um Deweys Mund.
»Schlagwörter wie Menschlichkeit haben schlechten Kurs in solchen Fällen. Sprechen wir offen, Melan Fang. China allein fühlt sich nicht stark genug. Es will die Kräfte Amerikas binden, damit Europa in dieser blutigen Auseinandersetzung auf keine amerikanische Hilfe zählen kann. Der Bürgerkrieg zwischen Weißen und Schwarzen in der Union scheint das beste Mittel.
Der Plan ist gut. Aber …«
»Aber?«
»Ich bezweifle seinen Erfolg!«
John Dewey war aufgestanden und ging mit großen Schritten durch den Raum. Melan Fang hatte sich tief in seinen Sessel zurückgelehnt. Seine zusammengekniffenen Augen ruhten argwöhnisch auf dem unbewegten Gesicht Deweys.
War das Spiel verloren?
»Sie sprechen in Rätseln, Mr. Dewey!«
»Es mag Ihnen rätselhaft vorkommen, daß ich meine Hände in ein Geschäft stecke, zu dessen Verlauf ich kein Vertrauen habe. Ihre Interessen und die der amerikanischen Negerbevölkerung sind grundverschieden.
Wir …«, ein ingrimmiger Humor sprach aus seinen Worten … Ich sage wir … mich einbegriffen … obgleich kein Satan mich jemals im Leben als black man taxiert hat … bis auf jenen englischen Lord … Wir kämpfen um die Gleichberechtigung mit anderen Rassen. Sie kämpfen um Macht und Land.
Unser Kampf hat ein ideales Ziel, ist eine interne Angelegenheit der Vereinigten Staaten. Ihr Streit wird die Weißen der ganzen Welt unter einer Fahne vereinigen, denn es geht um die weiße Existenz. Der Untergang des europäischen Abendlandes würde das Ende der weißen Kultur überhaupt bedeuten. Sehen Sie sich vor. Schrauben Sie Ihre Hoffnungen nicht allzu hoch, daß nicht … ein unerwartet starker Frost den Blütentraum auf viele Menschenalter vernichtet …«
Melan Fang wollte sprechen, aber John Dewey ließ sich nicht unterbrechen.
»Die weiße Intelligenz wird in diesem Kampf neue, unerhörte, ungeahnte Leistungen vollbringen und … vielleicht die Oberhand behalten.
Ihre Prophezeiung wird einmal eintreten, aber wann …?«
Der Chinese war aufgestanden. Geschmeidig lächelnd trat er an Dewey heran.
»Sie müssen gestehen, daß ein Kampf zwischen China und den Westländern eine gute Unterstützung Ihres Streites um die Gleichberechtigung der schwarzen amerikanischen Bürger ist. Unser Zusammengehen bringt beiden Vorteil …«
Er streckte Dewey die Hand hin, die dieser ergriff.
»Abgemacht!«
»Wann?«
»Nach der Wahl um den Gouverneurposten von Louisiana. Wird Josua Borden, der schwarze Kandidat, gewählt und nicht bestätigt, beginnt der Kampf!«
»Ich bekam heute ein Telegramm aus Peking. Er will den genauen Termin wissen. Bei Ihnen und bei uns muß der Schlag gleichzeitig fallen.«
»Den Tag anzugeben, ist unmöglich.«
»Der Tag der Wahl ist bestimmt und wird nicht verschoben?«
»Ich wüßte keinen Grund …«
»Sind