Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
Stube mit je einer Tür im Hintergrund und auf beiden Seiten. Vorn rechts ein Erkerfenster mit kleinen runden, in Blei gefaßten Scheiben, davor ein Tisch mit einer Menge Weiberschmuck. An der Wand links ein großer Tisch mit silbernen Krügen, Bechern und Trinkhörnern. Die Tür im Hintergrund führt auf eine offene Außengalerie, von der man auf eine weite Fjordlandschaft sieht.)
(Bengt Gautesön, Frau Margit, Knut Gaesling und Erik von Haegge sitzen links um den Trinktisch. Im Hintergrunde sitzen und stehen Knuts Mannen umher; ein paar Bierhumpen machen unter ihnen die Runde. In weiter Ferne hört man Kirchenglocken zur Frühmesse läuten.)
Erik (erhebt sich vom Tische.) Und nun, kurz und gut, was für einen Bescheid habt Ihr mir auf meine Brautwerbung im Namen Knut Gaeslings zu geben?
Bengt (schielt unruhig nach seiner Ehefrau.) Ja, ich – ich denke nun – (Da sie schweigt:) Hm, Margit, laß uns erst hören, was Du meinst.
Margit (steht auf.) Herr Knut Gaesling, – es war mir lange bekannt, was Erik von Haegge von Euch erzählte. Ich wußte gar wohl, daß Ihr aus einem berühmten Geschlechte stammt; Ihr seid reich an Geld und Gut, und unser königlicher Herr ist Euch sonderlich gewogen.
Bengt (zu Knut.) Sonderlich gewogen, – das sag' auch ich.
Margit. Und sicherlich könnte sich meine Schwester keinen besseren Ehemann wählen –
Bengt. Keinen besseren; just dasselbe denk auch ich.
Margit. – wenn Ihr sie nur bewegen könnt, Neigung zu Euch zu fassen.
Bengt (ängstlich, halblaut.) Aber, – aber, meine Liebe –
Knut (springt auf.) Ja so, Frau Margit! Ihr meint, daß Eure Schwester –?
Bengt (sucht ihn zu beruhigen.) Nicht doch, Knut Gaesling! Nicht doch! Versteht uns nur recht!
Margit. Meine Worte können Euch nicht kränken. Meine Schwester kennt Euch ja nur aus den Weisen, die über Euch im Schwange sind, – und sittsamen Ohren klingen diese Weisen übel.
Euer Väterhof ist ein unsicher Haus
Mit all seinen wilden Gästen.
Christ helfe der Braut, wenn tagein tagaus
Die Fremden am Tische sich mästen!
Christ helfe der Braut, die Eure Geschmeid'
Und Güter und Wälder verblenden; –
Bald wird sie sich sehnen, ein Leben voll Leid
Im Schlummer des Grabes zu enden.
Erik. Freilich – nur zu wahr – Knut Gaesling lebt etwas wüst und zügellos. Doch dergleichen ändert sich leicht, sobald man sich eine Frau ins Haus schafft.
Knut. Und nun sollt Ihr noch folgendes vernehmen, Frau Margit. Es mag eine Woche her sein, da war ich zu einem Trinkgelag auf Haegge bei Erik, der hier steht. Das Bier war stark; und da es auf den Abend ging, tat ich das Gelübde, daß Eure schöne Schwester Signe mein Weib werden müsse, eh' noch das Jahr um sei. Nun soll man Knut Gaesling nimmer nachsagen, daß er irgend ein Gelübde gebrochen hat. Daher seht Ihr selbst, daß Ihr mich zum Mann Eurer Schwester wählen müßt, – im Guten oder im Bösen.
Margit. Bevor dies geschieht, nun, ich will's Euch nicht hehlen,
Da müßt Ihr erst andre Gesellschaft wählen;
Da dürft Ihr nicht länger, ein greulicher Troß,
Das Land durchjagen zu Wagen und Roß!
Sorgt lieber, daß nicht gleich jeder erschrickt,
Sobald sich Knut Gaesling zur Freite anschickt,
Gesittet und ruhig reitet zum Schmause,
Und laßt mir die Axt an der Wand zuhause; –
Denn Ihr wißt, wie sie los' Euch im Handgelenk sitzt,
Wenn der Met und das Bier Euch die Schläfen erhitzt.
Ehrbaren Weibern tut nichts zuleid;
Dem Handelsmann laßt seine Ware;
Und schickt nicht jedem den frechen Bescheid,
Er halte nur gleich sein Sterbhemd bereit,
Wenn er Eure Straßen befahre.
Betragt Ihr Euch so, bis das Jahr verrinnt,
So glückt's Euch vielleicht, daß Ihr Signe gewinnt.
Knut (mit verbissenem Grimm.) Ihr wißt Eure Worte klug zu belegen, Frau Margit. Fürwahr – Ihr hättet ein Pfaff werden sollen und nicht Eures Mannes Frau.
Bengt. O, was das betrifft, so könnte auch ich wohl –
Knut (ohne auf ihn zu achten.) Aber das mögt Ihr Euch merken – hätt' ein gewaffneter Mann auf solche Weise zu mir gesprochen wie Ihr, so –
Bengt. Nein aber, so hört doch, Knut Gaesling, – Ihr müßt uns recht verstehen!
Knut (wie vorher.) Nun, kurz und gut, so sollt' er spüren, daß mir die Axt los' in der Hand sitzt, wie Ihr vorhin sagtet.
Bengt (leise.) Da haben wir's! Margit, Margit, das geht nicht gut aus.
Margit (zu Knut.) Ihr habt um ehrlichen Bescheid gebeten, und den hab' ich Euch gegeben.
Knut. Ja, ja; ich will es auch nicht so genau mit Euch nehmen, Frau Margit. Ihr habt mehr Klugheit, als wir andern alle zusammen. Da ist meine Hand; – kann sein, Ihr habt triftigen Grund zu all den scharfen Worten, die Ihr mir gesagt habt.
Margit. Das gefällt mir; da seid Ihr ja schon auf gutem Wege, Euch zu bessern. Und nun noch etwas. Wir feiern heut ein Fest auf Solhaug.
Knut. Ein Fest?
Bengt. Ja, Herr Gaesling. Ihr müßt wissen, es ist unser Hochzeitstag; heute vor drei Jahren ward ich Frau Margits Gemahl.
Margit (ihn ungeduldig unterbrechend.) Wie ich sagte, wir feiern heut ein Fest. Wenn Ihr nun von der Kirche kommt und Eure übrigen Geschäfte erledigt habt, so reitet wieder hierher zurück und nehmt am Gelage teil. Da könnt Ihr meine Schwester kennen lernen.
Knut. Schön, Frau Margit; ich dank' Euch. Doch bin ich heut nicht ausgeritten, um die Kirche zu besuchen. Meine Reise gilt Gudmund Alfsön, Eurem Vetter.
Margit (stutzt.) Ihm! Meinem Vetter? Wo wollt Ihr den treffen?
Knut. Sein Hof liegt ja hinter der Landspitze, auf der andern Seite des Fjords.
Margit. Aber er selbst ist sehr fern.
Erik. Sagt das nicht; er dürfte näher sein, als Ihr denkt.
Knut (raunt ihm zu.) Schweigt still!
Margit. Näher? Was meint Ihr damit?
Knut. So habt Ihr nicht gehört, daß Gudmund Alfsön wieder im Land ist? Er kam mit dem Kanzler Audun von Haegranaes, der nach Frankreich entsandt worden war, unsere neue Königin einzuholen.
Margit. Das ist ganz richtig; aber dieser Tage wird in Bergen des Königs Hochzeit mit großer Pracht gefeiert, und da ist Gudmund dabei.
Bengt. Ja, und da hätten wir auch mit dabei sein können, wenn meine Frau gewollt hätte.
Erik (leise zu Knut.) Frau Margit weiß also nicht, daß –?
Knut (leise.) Es scheint so; aber laß Dir auf keine Weise etwas merken. (Laut.) Nun ja, Frau Margit, ich muß gleichwohl auf gut Glück aufbrechen; zur Abendzeit komm' ich wieder.
Margit. Und da mögt Ihr zeigen, ob Ihr Euren wilden Sinn beherrschen könnt.
Bengt. Ja, merkt Euch das!
Margit. Ihr rührt nicht an Eure Axt! Hört Ihr, Knut Gaesling!
Bengt. Weder an Eure Axt, noch an Euer Messer, noch an irgendwelche andere Wehr, die Ihr bei Euch tragt.