Leni Behrendt Box 1 – Liebesroman. Leni Behrendt
ausschütten wollte. »Das wäre ja die dümmste aller Dummheiten.«
»Ich muß aber dichten – um mich zu revanchieren.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Ganz einfach«, lachte sie ihn lieblich an. »Ich bin nämlich angedichtet worden.«
»Von wem?«
»Von Herrn Quede, unserem früheren Volontär.«
Schon erschien die steile Falte zwischen den Brauen, was dem rassigen Männerantlitz etwas Finsteres gab, etwas von unbeugsamer Härte. Der ohnehin schon hartgeschnittene Mund preßte sich zusammen zu einem schmalen Strich, in den Augen wetterleuchtete es. Einige Male atmete der Mann tief und schwer, dann sagte er drohend:
»Und das wagst du mir in aller Lieblichkeit zu eröffnen?«
»Ja, warum denn nicht?« fragte sie erstaunt zurück. »Wäre es dir lieber, wenn ich dir verschweigen wollte, daß ich heute einen Brief von Herrn Quede erhielt, in dem er mich andichtet?
Oder nimmst du etwa an, daß ich mit dem jungen Mann im heimlichen Briefwechsel stehe? Ich mag wohl Fehler haben noch und noch – aber ich verabscheue alles Zwielichtige. Ich liebe den hellen Tag und den Sonnenschein.«
Da stieg dem Mann dunkle Röte ins Gesicht – bis zu den Haaren hinauf.
»Verzeih, Doro.«
»Na also.«
»Wie gelangte der Brief in deine Hände?«
»Ein Bote gab ihn an Tina ab.«
»Stand ein Absender auf dem Schreiben?«
»Natürlich nicht, dann hätte ich es gar nicht geöffnet. Willst du den poetischen Erguß lesen? Ich habe ihn bei mir.«
»Dann vernichte ihn, Doro. Die Antwort darauf werde ich dem waghalsigen jungen Mann zukommen lassen. Und ich wette, daß ihm dann die Lust vergehen wird, bei so einem guten Kerkermeister das arme Vöglein aus seinem goldenen Käfig befreien zu wollen. Das steht doch wohl in dem Geschmiersel, nicht wahr?«
Ihr Gesicht überzog sich mit heißer Glut. Schweigend zog sie den Brief aus der Tasche der Reithose, riß ihn in kleine Fetzen und verstreute sie. Der Wind nahm sie auf, wirbelte sie davon – und dann griff eine nervige Männerhand hinüber, fing eine feine, zarte ein und drückte sie mit unendlicher Zartheit an Augen und Lippen. Die sonore Stimme vibrierte:
»Ich danke dir für dein Vertrauen, kleine Dörth.«
Sie wagte nicht den Blick zu heben. Gehorchte wieder einmal der tyrannischen Stimme, die hart mahnend in ihr aufklang:
»Hüte dein Herz. Tust du es nicht, wirst du es dem Mann aufdrängen. Dann wird er es entweder zurückstoßen, wie er es ja schon einmal tat – oder es mit mitleidiger Hand aufnehmen. Und du wirst da Almosen empfangen, wo du auf pures Gold hoffst.«
Da fuhr der Kopf in den Nacken, daß die Locken wie goldene Schlänglein tanzten. Der Blick wurde gebändigt und der Mund zum Lachen gezwungen.
»Hach, so eine Beichte ist gar nicht so einfach«, blitzte sie ihn mutwillig an. Ein leichter Schenkeldruck, der Trakehner flitzte davon – und der Reiter sah ihr mit zusammengekniffenen Augen nach. Sein Gesicht wurde hart.
Na warte, mein stolzes Kind, lange entfliehst du mir nicht mehr – da kannst du dein Herz auch noch so ängstlich hüten. Ich nehme es mir schon – wenn meine Zeit gekommen ist.
*
Pfingsten, das liebliche Fest, nahte. Im Park von Rautenau gab es eine Blütenpracht, die sich schier verschwenden wollte. Der Flieder blühte an allen Ecken und Enden, Rhododendron, Schneeballen, Pfingstrosen und Jasmin. Auf der Terrasse steckten zartgrüne Birkenäste in Kübeln, und eben erschien Doro, den Arm voll Blumen.
»Wie der junge Frühling in Person«, betrachtete Bertram jetzt schmunzelnd sein holdes Schwiegertöchterlein, das langsam die Stufen zur Terrasse emporstieg. Dann ein Stutzen, ein jubelnder Aufschrei, die letzten Stufen wurden im Sturmschritt genommen – und dann hing Doro der Dame am Hals, die aus dem Zimmer auf die Terrasse getreten war. Unbemerkt von den drei Menschen, die ihr den Rücken zukehrten, doch für die aus dem Park kommende Doro im Blickfeld stehend.
»Jo –!« jubelte es hell und klingend auf. »Jo, wo kommst du denn so plötzlich her?«
Jetzt sprangen auch die beiden Herren aus den Liegestühlen hoch, während Gräfin Linda langsamer folgte.
»Mutti, das ist die Jo«, stellte Doro freudestrahlend vor. »Ach, was habe ich bloß für eine Mordsfreude!«
»Das sieht und hört man«, lachte die Hausherrin, dem unverhofften Gast liebenswürdig die Hand reichend. »Seien Sie uns herzlich willkommen, Frau Baronin.«
»Nicht böse, Frau Gräfin, daß ich so formlos hier hereinplatze?«
»Dann würde meine Frau bestimmt ein anderes Gesicht machen«, pirschte sich der Hausherr an den Gast heran, der ihn jetzt zutraulich anlachte.
»Sie brauchen sich erst gar nicht vorzustellen, Herr Graf. Denn daß Sie der Vater des Grafen Edzard sind, fühlt selbst ein Blinder mit dem Stock.«
In dem Moment rasten die drei Hunde aus dem Park heran, umbelferten den Gast, bis Herrchen Ruhe gebot. Da nahmen sie das fremde Wesen mißtrauisch unter die Nase – und steckten sich dann zufrieden zu seinen Füßen.
»Na also«, schmunzelte Bertram. »Jetzt erst sind Sie richtig willkommen geheißen, Frau Baronin. Denn die Kerlchen hier sind unser Menschenbarometer.«
»Und wie zeigt es?«
»Auf schön Wetter.«
Vergnügt nahm man Platz, und nun gab es endlich die wohltuende Ruhe nach dem Sturm.
»Nun laß schon endlich die Blumen los«, zeigte Jo lachend auf den Strauß, den Doro noch immer im Arm hielt. »Die sind ja ganz zerquetscht von der stürmischen Begrüßung.«
»Ach, Jo, ich muß mich erst ausfreuen. Warst du schon bei den Eltern?«
»Nein, dann wäre ich wohl so bald nicht losgekommen. Ich, ich wollte doch sehen, in welch ein Nest sich mein Goldfasan verflogen hat.«
»Und gefällt dir das Nest?«
»Kann man wohl sagen. Im Paradies kann es wohl nicht schöner sein. Bist schmal geworden, mein geliebter Vielfraß. Gibt man dir hier etwa nicht genug zu essen?«
Man lachte herzlich über die quicklebendige Frau, die überall, wohin sie auch kam, gleich Leben in die Bude brachte. Es war ja kein Wunder, daß Doro so an ihr hing.
»Du, Jo, ich rufe die Eltern an und bitte sie, mal herzukommen«, erklärte sie jetzt eifrig. »Ich verrate aber nichts, du sollst eine Überraschung für sie werden.«
Sie wirbelte davon, und es war ein sehr zärtlicher Blick, mit dem die Baronin ihr nachsah.
»Ich habe mich schon richtig nach dem lieben Balg gebangt«, erklärte sie in der ihr eigenen Offenheit. »Man hängt sein Herz bald an so etwas Goldiges, zumal dann, wenn man keine Kinder hat.«
»Nun entführen Sie uns die Dörth bloß nicht wieder«, wehrte der Hausherr. »Unser Herz hängt nämlich auch an ihr. Ohne sie würden wir viel Sonne entbehren müssen. Wenn man daran denkt, wie sie früher war, bevor Sie sie in Ihre charmante Schule nahmen, Frau Baronin, dann muß man tatsächlich an Wunder glauben.«
»Und ich habe doch so gar kein Wunder vollbracht«, entgegnete sie einfach. »Ich habe nur das ans Tageslicht befördert, was in der Kleinen steckte, aber bisher nicht gehoben worden war. Denn trotz aller Liebe und Verwöhnung fehlte den Erziehern das rechte Verständnis für die Psyche des sehr sensiblen Kindes. Ihr damals so unleidliches Wesen war nichts anderes als eine Tarnung ihres frierenden Seelchens – das sie zuweilen auch heute noch empfindet. Aber jetzt versteckt sie das nicht hinter Unleidlichkeit, sondern hinter Trotz und unbändigem Stolz…«
In dem Moment trat Doro hinzu.