Der Kollektivismus und die soziale Monarchie. Josef von Neupauer
auch vor Erreichung der Altersgrenze mit Befreiung von aller staatlich geregelten Arbeit belohnt werden. Das gilt insbesondere von sehr erfolgreichen Dichtern, Künstlern, Forschern und Erfindern. Die Einräumung dieser Befreiung erfolgt in der Regel durch die Staatsverwaltung, aber die Gesetze können auch anders darüber verfügen und nach einem gewissen Turnus den Gemeinden, oder Bezirken oder Kreisen die Befugnis einräumen, solche Begünstigungen von Zeit zu Zeit je einer Person zu erteilen.
Wer von Geburt aus von jeder geregelten Arbeit befreit ist, wird gleichfalls durch die Gesetze bestimmt. Diese Begünstigung kann durch die Gesetze eingeräumt werden den Mitgliedern einer Dynastie, den Mitgliedern einer Anzahl von adeligen Familien, den Personen, welche zur Beschleunigung des Umwandlungsprozesses ihr Vermögen von einer gewissen Ausdehnung vor der Zeit abgetreten haben und ihren Nachkommen. Die Gesetze können bestimmen, daß die durch Geburt erworbene Arbeitsbefreiung an gewisse Beschränkungen gebunden ist und daß sie nur einer beschränkten Anzahl von Nachkommen zustatten kommt, sodaß z. B., wenn die Familienmitglieder der Dynastie über eine gewisse Anzahl anwachsen, den überzähligen Mitgliedern diese Begünstigung entzogen wird, sowie, daß nur jene Nachkommen der dynastischen Familie diese Begünstigung genießen können, die einer monogamen Ehe zwischen besonders geeigenschafteten Personen entspringen und dergl.
Die Monarchie ist mit dem Kollektivismus durchaus vereinbar, vorausgesetzt, daß auch die Dynastie dem allgemeinen Gesetze der Eigentumslosigkeit und der Naturalwirtschaft unterworfen ist und daß ihre verfassungsmäßige Stellung der Volkssouveränität keinen Abbruch tut.
Die Aufrechterhaltung der Monarchie wird sich insbesondere dort empfehlen, wo sie zur Aufrechterhaltung der staatlichen Einheit notwendig erscheint. Damit im Zusammenhange kann auch der Fortbestand einer Anzahl hochadeliger Familien entsprechend erscheinen, besonders dann, wenn die Dynastie und jene Familien, welchen die Adelsqualität zuerkannt wird, den Übergang in die neue Ordnung begünstigen, Staat und Volk zu repräsentieren geeignet und sie den sozialen Frieden zu schirmen bereit sind. Die ihnen zukommenden sozialen Funktionen werden verfassungsgemäß zu ordnen sein. Die Gesetze können auch da verhindern, daß die dem hohen Adel angehörigen Personen eine gewisse Anzahl entweder in den einzelnen Familien oder im Ganzen übersteigen, wenn sie bestimmen, daß die über diese Zahl geborenen Nachkommen der Adelsvorzüge nicht teilhaftig werden. Daß der Dynastie und dem Hochadel in einem Kollektivstaate ästhetische Aufgaben und eine soziale Stellung eingeräumt werden können, welche im Interesse des gesamten Volkes liegen und weder seiner Wohlfahrt noch seiner Freiheit abträglich werden können, glaube ich in meinem Roman »Österreich im Jahre 2020« klar gezeigt zu haben.
Was die Personen und die Nachkommen jener Personen anbelangt, die nach obigen Grundsätzen sich die Arbeitsbefreiung und demnach auch einen prozentualen Anteil an Gütern und Genüssen für sich und ihre Nachkommen gewissermaßen erkaufen, so wird diese wohl nur für eine gewisse Zahl von Generationen bewilligt werden und dann erlöschen. Ihre Stellung und die der monarchischen Familie und der Familien des Hochadels zum Volke wäre eine verschiedene. Die letztgedachten Familien hätten eine soziale Funktion zu erfüllen, die Nachkommen der Geldaristokraten aber nicht, ihre Freiheit wäre absoluter. Darum würde diese Freiheit immer unerträglicher werden, während die Ausnahmsstellung jener Familien, wenn sie ihren Aufgaben gewachsen sind, immer mehr gerechtfertigt scheinen wird.
Der Rechtsgrundsatz der Festsetzung eines sehr hoch gegriffenen (etwa 90%igen) Versorgungsminimums für alle, auch die Arbeitsunfähigen, rechtfertigt sich aus einem Versicherungsbedürfnisse der Arbeitsfähigen, welche den Verlust ihrer Arbeitsfähigkeit jederzeit zu fürchten haben. Die Opfer, die sie aus dem Ertrage ihrer Arbeit für Arbeitsunfähige zu bringen haben, dienen also als Versicherungsprämie. Aus demselben Grundsatze ist die Versorgung der Kinder und Alten gerechtfertigt, denn die Arbeitsfähigen haben Ersatz zu leisten für den eigenen Unterhalt und Erziehung in der Jugend durch die Tragung des Versorgungs- und Erziehungsaufwandes für die nachwachsende Generation und in der Versorgung der Alten leisten sie die Prämie für die eigene Altersversorgung. Zur Versorgung der heranwachsenden Jugend haben nicht nur die Eltern, sondern gleichermaßen die Kinderlosen beizutragen, weil auch diese von der heranwachsenden Generation Altersversorgung beanspruchen werden. Noch mehr Grund haben die Massen zur Entlohnung der Hochverdienten, da sie die Früchte ihrer Leistungen genießen. Darum ist aber auch von einer Ausbeutung der Starken durch die Schwachen keine Rede.
Trotz des sehr hoch gegriffenen Versorgungsminimums ist die Verteilung so einzurichten, daß ein prozentuell zu bestimmender Teil des Jahresproduktes und der persönlichen Dienstleistungen zur Entlohnung höherer Verdienste, auch gemeiner Art, verwendet wird. Das wird am besten in der Form der Schaffung von Dienstkategorien geschehen, in welche man im Beförderungswege einrücken kann. Da keine anderen Verdienste anerkannt werden, als solche, die dem gesamten Volke zum Vorteil gereichen, so hat jeder Einzelne ein egoistisches Interesse, zu dieser Entlohnung beizutragen. Es ist demnach auch keine Rede von einer mechanischen Gleichheit zwischen allen Gliedern der Gesellschaft und diese gehört auch nicht zum Wesen des Kollektivismus und zwar gerade aus dem Grunde, weil die geplante Vermögensverwaltung das Wohl Aller zu verwirklichen hat.
Der Kollektivismus beschränkt sich nicht auf die Produktion und Verteilung von Sachgütern, sondern er hat auch die Aufgabe, alle Arten persönlicher Dienstleistungen sicher zu stellen und die Sachgüterproduzenten und jene, die persönliche Dienste zu leisten haben, in ein richtiges gegenseitiges Verhältnis zu bringen.
Da jeder Einzelne von allen Berufsklassen Vorteile empfängt, wenn ihm das auch oft nicht zum Bewußtsein kommt, so ist er auch allen verpflichtet und den Austausch von Gütern und Dienstleistungen in einem richtigen Verhältnisse zu ordnen, ist eine Hauptaufgabe der staatlichen Verteilung. Das richtige Maß der Verteilung festzustellen dient als Hauptgrundlage die ununterbrochene Ermittelung der Sterblichkeit in den verschiedenen Berufsklassen.
Da der Staat alle Kinder versorgt, steht ihm auch das Recht zu, auf Ehe und Kindererzeugung gesetzgeberischen Einfluß zu üben und die Fortpflanzung degenerierter und krankhafter Individuen zu unterdrücken. Das wird in jenem Ausmaße zu geschehen haben, welches einer mäßigen Vermehrung der Bevölkerung nicht im Wege steht.
Es ist hier kein Grundsatz aufgestellt, der richtig angewendet nicht im Interesse eines jeden einzelnen Mitgliedes der Gesellschaft läge. Da alle Güter an den Staat abgeliefert und alle Güter von ihm verteilt werden und nirgends die vermeintliche Äquivalenz im Austausche zwischen den Einzelnen, sondern allgemeine Verteilungsgrundsätze für den Gütertausch maßgebend sind, entsteht eine enorme Vereinfachung der Umsatzarbeit, wie insbesondere bei der Betrachtung der Funktionen der Verteilungsbeamten und bei der Erörterung der statistischen Verrechnung zur Evidenz gebracht werden wird. (Siehe V. 1, Alinea »Dieser Beamte« und VI. 8.)
Das Schlagwort Utopie hat hier keine Berechtigung. Insofern es sich um Zustände handelt, die nirgends und niemals waren, ist zwar, was ich fordere, ein Nirgendwo, allein das gilt von allem, was die Entwicklung bringt. Seit noch nicht hundert Jahren haben wir Eisenbahnen, Telegraphen, elektrische Wunderwerke, die niemals vorher waren. Darum wurde das Alles doch verwirklicht. Wer aber dergleichen hundert Jahre vorher versprochen hätte, wäre ein Utopist gewesen, weil er nicht wissen konnte, welche damals noch geheimen Kräfte die Erde birgt und wie sie den Menschen dienstbar gemacht werden können. Allein was ich verspreche, ist lediglich vom Willen der Menschen abhängig. Es setzt keine neuen Wunder der Erfindung voraus, und rechnet auf nichts, was nicht durchführbar wäre und es handelt sich nur um die Frage, ob wir Grund haben, die Ausführung alles dessen, was ich empfehle, zu wollen und ob es möglich sein wird, die widerstrebenden Elemente, welche heute allerdings die Macht in der Hand haben, zu überwinden. Diese Frage wird dort beleuchtet werden, wo die Wege besprochen werden, die in das neue Land führen.
Die großen Verbrechen unserer Zeit, die politische Zersetzung, die sich überall, am stärksten in Österreich, bemerkbar macht, die furchtbaren Hilfsmittel, welche staatsfeindliche Elemente zur Verfügung haben, ich erinnere nur an die Zerstörungen in Salonichi im April 1903, beweisen, daß neue Organisationen notwendig sind, will man die heutige Kultur beschützen. So werden die Gedanken der Staatsmänner