Die Herrin des Clans. Barbara Cartland
Ohne die Unterbrechung zu beachten, fuhr der Marquis fort: „Es trat etwas ein, womit niemand gerechnet hatte. Kaum einen Monat nach dem Tode ihres Vaters und ihrer Rückkehr aus Italien wurde bekannt, daß sie von ihrer Patentante, die einen reichen Amerikaner geheiratet hatte und kinderlos geblieben war, ein riesiges Vermögen geerbt hatte. Meinen Informationen zufolge hat er sein Geld mit Öl verdient. Als er starb, hinterließ er alles seiner Frau, die wiederum ein Testament zu Gunsten ihrer Nichte machte. Lady Jane ist jetzt dadurch mehrfache Millionärin. Nun sind die Ältesten des Clans der Macbeth wie auch Ihres Clans zu dem Schluß gekommen, daß eine Heirat für beide Teile überaus günstig wäre.“
Sekundenlang verharrte der Herzog in Schweigen. Natürlich war ihm klar, was eine solche Verbindung nicht nur für die McCarons, sondern auch für die Macbeths bedeutete.
Die neue Gräfin war jung, zweifellos unerfahren und zudem Multimillionärin. Ohne Hilfe und Führung eines Ehemannes mit genügend Autorität konnten sich diese Umstände verheerend auswirken.
Bei einem solchen Vermögen würden sich bestimmt zahlreiche Bewerber um diese Stelle reißen. Da er die Ältesten seines Clans und deren Gegenspieler kannte, konnte er sich unschwer vorstellen, wie sie über die Gefahren und Fallstricke, die ihrem jungen weiblichen Chieftain drohten, die grauen Häupter schüttelten.
Was ihn betraf, so konnte er durch eine solche Heirat nur gewinnen. Lady Jane dagegen bekam einen vertrauenswürdigen Ehemann, in dessen Adern ähnliches Blut floß wie in den ihren.
Der Marquis schien seine Gedanken wie in einem offenen Buch zu lesen.
„Sir Iain McCaron war bereits bei mir, außerdem Duncan Macbeth mit zwei Verwandten der Gräfin. Sie waren fast außer sich vor Sorge um die Zukunft.“
„Ich dachte eher, daß sie sehr zufrieden waren“, bemerkte der Herzog spöttisch.
„In einer Hinsicht wohl“, stimmte der Marquis zu, „in anderer weniger. Lady Jane ist noch sehr jung und wurde, wenn ich richtig verstanden habe, in einem Kloster erzogen. Nun befürchten die Herren natürlich, daß sie bei dem ersten jungen Mann, der ihr gefällt, den Kopf verlieren könnte.“
„Wer weiß, vielleicht würde er einen ausgezeichneten Ehemann abgeben. Falls es sich nicht um einen Schotten handelt, könnte man ihn sicher überreden, sich in unserem Heimatland niederzulassen“, sagte der Herzog.
Natürlich waren das lediglich Ausflüchte. Der Marquis hatte recht, daß ein so junges und reiches Mädchen der Führung bedurfte, wenn es sich um eine so wichtige Sache wie die Ehe handelte.
Dem Gesetz zufolge ging das Vermögen einer Frau in den Besitz ihres Mannes über, sobald sie seinen Ring am Finger trug. In diesem Fall war es also durchaus möglich, daß Millionen von guten Texas-Dollars in die Hände des falschen Mannes fallen würden.
„Dieser Plan sollte Ihnen von Ihren Leuten zusammen mit den Macbeths schmackhaft gemacht werden“, fuhr der Marquis fort. „Man hat sich anscheinend anhand der hervorragenden Berichte sehr sorgfältig über Ihre militärische Karriere informiert. Dabei kam auch die Tatsache ans Tageslicht, daß man Ihnen im vergangenen Jahr eine Tapferkeitsmedaille verliehen hat.“
Der Herzog äußerte sich nicht dazu. Er erhob sich aus dem Sessel, der vor dem höchst eindrucksvollen Schreibtisch stand, durchquerte mit großen Schritten den Raum und starrte aus dem Fenster.
Draußen herrschte trübes Wetter. Die Gebäude gegenüber waren vom Londoner Schmutz grau gefärbt.
Er hatte das Gefühl, daß so seine Zukunft aussehen würde: dunkel, sonnenlos und langweilig. Welch ein krasser Gegensatz zu den aufregenden Abenteuern, die in Indien sein Leben bestimmt hatten.
Ich werde es nicht tun, sagte er zu sich selbst. Niemand kann mich zwingen.
Doch als er die Worte laut aussprechen sollte, kamen sie ihm nicht über die Lippen. Er wußte, daß er sich, ob es ihm nun gefiel oder nicht, als Führer seines Clans seiner Pflicht nicht entziehen durfte.
Diese Verbindung war von unschätzbarem Wert für die McCarons. Sie ermöglichte ihm, seine Ideen und Pläne zu verwirklichen, durch die er den jüngeren Männern Arbeit verschaffen konnte, die entweder ziemlich verloren im Lande herumzogen, um wenigstens eine zeitweilige Anstellung zu suchen, oder die Heimat in der Hoffnung verlassen hatten, jenseits des Meeres ihr Glück zu finden.
Manchmal hatten sie Erfolg, häufiger jedoch kehrten sie nach Hause zurück, um ärmer zu sterben, als sie es je im Leben gewesen waren.
Natürlich hatten die Macbeths die gleichen Probleme.
Eines stand allerdings fest. Es würde großes Geschick und viel Einfühlungsvermögen erfordern, diese Menschen zu überzeugen, etwas Neues zu versuchen. Das konnte schwierig werden, auch wenn genügend Geldmittel zur Verfügung standen.
Alles in allem war es ein vernünftiger Plan, wie er sich ehrlich eingestand, und genau das Richtige für beide Clans.
Was es für ihn persönlich bedeutete, stand auf einem anderen Blatt. Er war gezwungen, eine junge Frau zu heiraten, die er nicht kannte und mit der er vermutlich wenig gemein hatte. Auch für sein Eheleben sah er nichts als Langeweile voraus.
Die schottischen Mädchen, die er in der Vergangenheit gekannt hatte, waren nicht gerade ein Ausbund an Schönheit gewesen. Sie hatten kaum eine Ahnung von der Welt außerhalb der Grenzen ihres Heimatlandes gehabt.
Welch ein Gegensatz zu den erfahrenen und stets zu einem Flirt bereiten Frauen, mit denen er seine Tage und Nächte in Simla und gelegentlich eine Woche in den Hügeln am Fuße des Himalaya verbracht hatte.
Sie hatten exotischen Blüten in einer öden Wüste geglichen. Er hatte das leidenschaftliche Feuer, das sie in ihm erweckt hatten, in vollen Zügen genossen. Ihr Charme, ihr Lachen und ihre Verführungskünste hatten ihn bezaubert, obwohl er sie durchschaut hatte.
Wie er es nach diesen Erfahrungen ertragen sollte, einer einzigen Frau treu zu sein, war ihm unerfindlich. Vielleicht handelte es sich ja um ein liebes, nettes Geschöpf, aber sicherlich besaß sie kein Gehirn und hatte auch nicht die leiseste Ahnung, wie man einen Mann dazu bringen konnte, einen Blick in den Himmel zu werfen.
Ich kann es nicht, sagte der Herzog zu sich selbst.
Er wandte sich vom Fenster ab. Als er zum Schreibtisch zurückkehrte, hinter dem der Marquis schweigend auf ihn wartete, war ihm klar, daß ihm keine andere Wahl blieb.
Während der nächsten zwei Tage kam der Herzog kaum zur Besinnung. Unaufhörlich redete ihm jemand zu, richtete die dringende Bitte an ihn oder versuchte sogar, ihn unter Druck zu setzen. Schließlich kam es soweit, daß er das Gefühl hatte, zuschlagen zu müssen, wenn noch einmal in seiner Gegenwart das Wort Heirat fiel.
Die Beweggründe kannte er natürlich. Die älteren Clan-Mitglieder, die seinetwegen mit einer lebenslangen Gewohnheit gebrochen hatten, um nach London zu kommen, fürchteten voller Verzweiflung, daß sie ihn nicht dazu bringen konnten, ihre Ratschläge zu befolgen.
Sir Iain McCaron war es schließlich, der ihn auf seine fast unerträglich langsame und bedächtige Art überzeugte. Er hielt ihm die astronomisch hohe Schuldensumme vor Augen, die sein Onkel verursacht hatte.
„Wie konnte er nur so viel Geld ausgeben?“ fragte er entsetzt, als er den Gesamtbetrag erfuhr.
„Keith pflegte seine Schulden nie zu bezahlen, mein Lieber. Die meisten Rechnungen lagen ungeöffnet in seiner Schreibtischschublade. Es war eine teuflische Arbeit, sie zu sortieren. Dutzende von Gerichtsvorladungen konnten wir nur parieren, indem wir den Gläubigem versprachen, daß du ihre Forderungen erfüllst.“
Der Herzog lachte.
„Lieber Cousin, meine persönliche Habe würde kaum für die Briefmarken genügen.“
Die Antwort darauf kannte er. Jeder außer ihm selbst hielt die Ehe mit Lady Jane für die einzige Lösung des Problems.
Schließlich kapitulierte er, weil er keine andere Möglichkeit sah,