Butler Parker 125 – Kriminalroman. Günter Dönges
in einer Mischung aus Überraschung und Empörung an. Ihr war aufgegangen, daß Parker wohl doch die Zeitungen gelesen hatte.
»Ich habe mir erlaubt, die von Mylady gewünschten Zusammenhänge zu begreifen«, erwiderte der Butler würdevoll und gemessen. »Myladys Wünsche werden mir stets Befehl sein.«
*
»Ich komme zufällig vorbei«, behauptete Super-Intendent McWarden, ein kleiner, stets ein wenig gereizt wirkender Yard-Mann.
»Erstaunlich, daß Sie das Haus im Nebel gefunden haben«, spottete Agatha Simpson. »Sie wollen mich doch vor dieser Rennsport-Mafia warnen, nicht wahr?«
»Mylady?« McWarden war sehr irritiert. Diese Offenheit hatte er nicht erwartet.
»Nun spielen Sie mir nichts vor«, grollte die resolute Dame. »Wahrscheinlich haben Sie sogar einen Kompaß benutzt, nur um uns zu finden. Diese Mafia existiert also?«
»Mylady, Sie arbeiten bereits an diesem Fall?«
»Natürlich«, schwindelte die Detektivin. »Es wird höchste Eisenbahn, daß dieser Augiasstall ausgemistet wird.«
»Was wissen Sie von dieser Rennsport-Mafia, Mylady? Sie wissen, daß Sie verpflichtet sind, alles, was zur Aufdeckung eines Verbrechens dienen könnte, den Behörden...«
»Schnickschnack, junger Mann«, fuhr die Sechzigjährige dem immerhin nur etwa zehn Jahre jüngeren über den Mund. »Wozu ich verpflichtet bin, brauchen Sie mir nicht vorzubeten. War der Lastwagen, der das Fahrzeug dieses Crails rammte, etwa nicht gestohlen?«
»Allerdings. Eben erfuhren wir das.«
»Und vom Fahrer keine Spur, nicht wahr?«
»Leider keine Spur, Mylady.«
»Und wie kamen Fisher und Roberts um? Na, zieren Sie sich nicht, McWarden! Sie wissen es doch genau, und wahrscheinlich wissen Sie noch viel mehr.«
»Ich bin nicht befugt, über dienstliche Ermittlungen Auskünfte zu erteilen, Mylady.« McWarden ärgerte sich. Agatha Simpson hatte ihm den Wind aus den Segeln genommen.
»Mister Bob Fisher, Mylady, erlitt einen tödlichen Unfall während eines Morgentrainings«, ließ Josuah Parker sich prompt vernehmen. »Mister Cliff Roberts hingegen, Mylady, verunglückte unter der Dusche in seiner Wohnung. In beiden Fällen konnten die Ärzte nur noch den Tod durch komplizierte Schädelfrakturen feststellen.«
»Wir unterhalten uns gleich, Mister Parker.« Agatha Simpson merkte erneut, wie gut ihr Butler informiert war. Sie sandte ihm einen fast schon giftig zu nennenden Blick zu. Dann wandte sie sich wieder McWarden zu und lächelte überlegen.
»Was Mister Parker sagt, stimmt«, räumte der Super-Intendent ein. »Also gut, ich werde Ihnen unter dem Siegel der Vertraulichkeit mitteilen, daß in den vergangenen Wochen auch zwei Rennpferde vergiftet wurden, Rennpferde, die zum Kreis der Favoriten gehörten.«
»Und wer steckt dahinter?« Agatha Simpson sah ihren Butler an, doch Josuah Parker äußerte sich nicht zu diesem Thema.
»Ich habe einen vagen Verdacht«, erwiderte McWarden vorsichtig. »Ich kann ihn nur rein privat äußern.«
»Dann tun Sie’s gefälligst«, raunzte Lady Agatha den Super-Intendenten an. »Lassen Sie sich nicht jedesmal bitten! Sie sind doch keine Jungfrau, oder?«
»Denken Sie möglicherweise an Herrn Balcott, Sir?« fragte Butler Parker unschuldig und höflich.
»Wie ... wie kommen Sie denn darauf?« McWarden erlitt einen leichten, aber quälenden Hustenanfall und bekam einen roten Kopf.
»Also ja!« Agatha Simpson nickte. »Reden Sie sich nicht heraus, McWarden! Sie haben sich bereits verraten.«
»Wie sind Sie an diesen Namen gekommen?« verlangte der Superintendent jetzt aufgeregt von Parker zu hören.
»Das möchte ich allerdings auch wissen.« Agatha Simpson schaute ihren Butler grimmig an. »Ich habe den Eindruck, Mister Parker, daß Sie mich wieder mal hintergehen.«
»Der zufällige Besuch Mister McWardens machte es mir zu meinem ehrlichen Leidwesen unmöglich, Mylady, über den Inhalt eines Telefongespräches zu unterrichten, das ich kurz vorher mit einem Informanten führte«, entschuldigte sich der Butler würdevoll. »Solch ein Fehler und Versäumnis wird sich wahrscheinlich kaum wiederholen, wie ich versichern darf.«
*
»Dieses Subjekt scheint ja wie die Made im Speck zu leben«, sagte Agatha Simpson mißbilligend.
Sie stand zusammen mit Butler Parker vor dem geschlossenen Parktor und sah auf das alte Landhaus, dessen Umrisse im dichten Nebel nur zu erahnen waren.
Gleich nach McWardens Weggang war die ältere Dame aktiv geworden und hatte darauf bestanden, Herrn Balcott einen Besuch abzustatten. Obwohl Josuah Parker äußerst dringend von dieser Fahrt abgeraten hatte, stand man nun vor dem Tor und schien einen recht günstigen Zeitpunkt gewählt zu haben.
Im Erdgeschoß des Hauses brannte wahrscheinlich jede Lampe, die man zur Verfügung hatte. Herrn Balcott schien eine Party zu geben, die dazu noch recht gut besucht sein mußte. Auf dem Parkplatz vor dem Haus standen über ein Dutzend Wagen der teuersten Fabrikate. Sie wurden von Parklichtern angestrahlt und waren recht gut auszumachen.
»Worauf warten Sie noch?« fragte Lady Simpson, als Parker sich nicht rührte. »Ich will mir diesen Balcott aus der Nähe ansehen.«
»Man bemüht sich bereits um Mylady«, erwiderte Parker und deutete mit der Spitze seines Universal-Regenschirmes auf eine Gestalt, die hinter einem mannshohen Strauch hervortrat und sich dem geschlossenen Parktor näherte.
Dieser Mann war nicht allein. In seiner Begleitung befand sich ein Dobermann, der leise winselte, und es wohl gar nicht erwarten konnte, sich mit den beiden Besuchern vor dem Tor befassen zu können.
»Na, altes Mädchen, woher kommen wir denn?« fragte der Mann lässig und baute sich vor dem Gittertor auf. Er war jetzt deutlicher zu erkennen. Es handelte sich um einen breitschultrigen Burschen von etwa fünfundvierzig Jahren, der wohl den größten Teil seines Lebens in einem Boxring verbracht hatte. Er hatte eine schiefe und eingedrückte Nase, das, was man in Fachkreisen ›Blumenkohlohren‹ nennt, und machte einen leicht tumben Eindruck. Möglicherweise hatte er während seiner aktiven Zeit zuviel Kopftreffer einstecken müssen. Er lispelte ein wenig.
»Na, altes Mädchen, wo kommen wir denn her?« fragte er noch mal und grinste. Er hielt Mylady eindeutig für einen speziellen Gast. »Wir haben’s mit den Ohren, wie?«
Agatha Simpson hatte sich inzwischen von ihrer Überraschung erholt, während Butler Parker zu einer Art Salzsäule erstarrt war und an dieser Pose festhielt. Es war schon ungeheuerlich, was dieser Mensch sich da erlaubte.
»Mach’ schon auf, trübe Tasse«, erwiderte die Lady und paßte sich haargenau seinem Ton an. »Und stell’ dein Schoßhündchen in die Ecke.«
Diese vertraute Tonart veranlaßte den Gorilla, das Tor tatsächlich aufzusperren.
»Hast dich aber mächtig ’rausgeputzt«, sagte er anerkennend. »Und was is’ das für ’ne Type?«
Er zeigte auf Josuah Parker, der stocksteif hinter seiner Herrin stand.
»Das is’ mein Butler«, erklärte Agatha Simpson und zwinkerte dem Gorilla ein wenig zweideutig zu.
»Aha, so nennt man das jetzt?« Der Gorilla reagierte entsprechend. »Ihr Typen kommt von wo?«
»Peil mal hier auf den Beutel!?« sagte die ältere Dame und wies mit der linken Hand auf ihren Pompadour, der am rechten Gelenk hing. Der Gorilla folgte ihrer Aufforderung und beugte sich leichtsinnigerweise vor. Im gleichen Moment ließ Agatha Simpson ihren Pompadour hochsteigen. Der »Glücksbringer« in dem Handbeutel schwang gegen das Kinn des Gorillas, der glaubte, von einem auskeilenden Pferd getroffen zu werden. Er röchelte knapp und ging in die Knie. Das echte Hufeisen, das nur oberflächlich mit Schaumstoff umwickelt