Die schönsten Erzählungen von Guy de Maupassant. Ги де Мопассан

Die schönsten Erzählungen von Guy de Maupassant - Ги де Мопассан


Скачать книгу
er dahinging, sagte er sich:

      – Ich muß energisch sein, sehr energisch! Ich muß den Leuten beweisen, daß ich keine Angst habe:

      Seine Zeugen, der Marquis und der Oberst stellten sich ihm zur Verfügung. Nachdem sie ihm kräftig die Hand gedrückt, sprachen sie über die Bedingungen.

      Der Oberst fragte:

      – Wollen Sie scharfe Bedingungen?

      Der Vicomte antwortete:

      – Sehr scharfe!

      Der Marquis fragte:

      – Ihnen sind Pistolen lieber?

      – Jawohl?

      – Das Übrige überlassen Sie wohl uns?

      Der Vicomte stammelte mit trockner Stimme und abgehackten Worten:

      – Zwanzig Schritt – Schuß auf Kommando – Kugelwechfel bis – zur Kampfunfähigkeit!

      Der Oberst erklärte zufriedengestellt:

      - Das sind ausgezeichnete Bedingungen. Sie sind ein guter Schütze, alle Vorteile stehen auf Ihrer Seite.

      Und sie gingen davon. Der Vicomte kehrte heim, um sie zu erwarten.

      Seine eben noch geminderte Aufregung stieg jetzt wieder von Minute zu Minute. Er fühlte ein Zittern die Arme hinablaufen, die Beine, in der Brust ein unausgesetztes Beben. Er konnte nicht an einem Platz, verweilen, weder sitzen noch stehen. Er hatte keinen Speichel mehr im Mund, und alle Augenblicke schnalzte er mit der Zunge, als müßte er sie vom Gaumen losreißen. Gr wollte frühstücken, doch er konnte keinen Bissen herunterbekommen.

      Da kam ihm der Gedanke, etwas zu trinken, um sich Mut zu machen, und er ließ sich eine Flasche Rum bringen und schüttete nacheinander drei Glas hinunter.

      Eine Wärme, als wäre er verbrannt, überrann ihn, und bald fühlte er sich wie umnebelt. Er dachte:

      – So, nun habe ich das Mittel gefunden, jetzt wird’s schon gehen.

      Und nach einer Stunde hatte er die ganze Karaffe ausgetrunken, und der Zustand seiner Aufregung wurde unerträglich. Er fühlte ein tolles Bedürfnis, sich zu Boden zu werfen, sich zu wälzen, zu schreien, zu beißen. Es wurde Abend.

      Als es klingelte, war er so erschrocken, daß er kaum die Kraft hatte, aufzustehen, um seine Zeugen zu empfangen. Er wagte gar nicht mehr, mit ihnen zu sprechen, ihnen guten Tag zu sagen, nur ein Wort zu äußern, in der Befürchtung, sie möchten im Ton seiner Stimme seine Erregung bemerken.

      Der Oberst erklärte:

      – Alles ist nach den Bedingungen, die Sie gestellt haben, abgemacht. Ihr Gegner wollte zuerst der Beleidigte sein, aber er hat nachgegeben und alles angenommen. Seine Zeugen sind zwei Offiziere.

      Der Vicomte sagte:

      – Danke!

      Der Marquis antwortete:

      – Entschuldigen Sie uns, wenn wir gleich wieder fortgehen, aber es müssen noch hundert Dinge geordnet werden. Wir müssen einen guten Arzt suchen, da der Kampf bis zur Kampfunfähigkeit dauern soll. Und Sie wissen, mit Schußwaffen ist nicht zu spaßen. Dann müssen wir den Platz bestimmen, nicht zu weit von einem Gehöft, um den Verwundeten wenn es nötig wäre, hinbringen zu können, kurz wir haben zwei oder drei Stunden gewiß noch zu thun.

      Der Vicomte stammelte ein zweites Mal:

      – Danke!

      Der Oberst fragte:

      – Geht es Ihnen gut? Sind Sie ruhig?

      – O ganz ruhig, danke!

      Die beiden Herren gingen.

      Als er sich wieder allein fühlte, war es ihm, als würde er verrückt. Der Diener kam, die Lampe wurde angesteckt, er setzte sich an den Schreibtisch, um Briefe zu schreiben.

      Nachdem er an den oberen Rand eines Briefblattes geschrieben: »Mein Testament« durchschüttelte es ihn; er sprang auf und lief davon. Er konnte nicht zwei Gedanken fassen, keinen Entschluß, nichts Entscheidendes.

      Also er würde sich schlagen. Es war nicht mehr zu ändern. Aber was ging nur in ihm vor? Er wollte sich schlagen, er hatte die feste Absicht, doch er fühlte trotz aller Anstrengung seines Willens, daß er nicht einmal die nötige Kraft behalten würde, um nur bis zum Rendezvous zu gehen.

      Er suchte sich den Kampf vorzustellen, sein Benehmen und das seines Gegners. Ab und zu schlugen ihm mit leisem, kurzem Ton die Zähne zusammen. Er wollte etwas lesen, und er nahm die Regeln des Duells vor von Chateauvillard. Dann fragte er sich:

      – Ob mein Gegner ein guter Schütze ist? Vielleicht gar als solcher bekannt? Wie soll ich das wissen!

      Er erinnerte sich des Buches von Baron de Vaux über die Pistolenschützen, und er durchlas es von Anfang bis zu Ende. George Lamil war nicht darin genannt. Aber wenn der Mann kein guter Schütze war, würde er doch nicht sofort tötliche Bedingungen und diese gefährliche Waffe angenommen haben.

      Er nahm im Vorübergehen aus einem Kasten zwei Pistolen in die Hand zum Schuß und hob den Arm. Aber er zitterte von Kopf bis zu Fuß, und die Mündung fuhr nach allen Seiten hin und her.

      Da sagte er sich:

      – Unmöglich, so kann ich mich nicht schlagen!

      Er betrachtete an der Mündung das schwarze, kleine, tiefe Loch, aus dem der Tod fährt, er dachte an alle Ehrlosigkeit, an die Klatschereien im Club, an die Verachtung der Damen, die Anspielungen in den Zeitungen, und alle Beleidigungen, die ihm Feiglinge zufügen würden.

      Er betrachtete immer die Waffe, und als er den Hahn hob, sah er plötzlich eine Patrone darin, deren rotes Papier wie eine Flamme leuchtete. Die Pistole war also zufällig geladen geblieben, und mit unerklärlicher, seltsamer Freude dachte er daran.

      Wenn er dem anderen gegenüber sich nicht vornehm und ruhig benahm, wie es sein mußte, würde er ewig verloren sein; er würde einen Makel davontragen, in der Gesellschaft unmöglich werden und jene vornehme, ruhige Art würde er nicht besitzen, das wußte er, das fühlte er.

      Und doch war er mutig, denn er wollte sich doch schlagen. Er war mutig, weil - - - weil - - -

      Der Gedanke, der ihn anflog, wurde nicht mehr ausgedacht in seinem Geist, denn plötzlich öffnete er weit den Mund, steckte sich die Mündung der Pistole bis zum Hals hinein und drückte los ………..

      Als sein Diener erschien, von dem Schuß herbeigelockt, fand er ihn tot auf dem Boden liegen. Ein Blutstrahl hatte das weiße Papier auf dem Schreibtisch benetzt und einen großen, roten Fleck gemacht unter den zwei Worten:

      – Mein Testament!

      Der Säufer

       Inhaltsverzeichnis

      I

      Der Nordwind blies sturmartig und trieb am Himmel riesige Winterwolken hin, schwarz und schwer, die die Erde mit wütenden Regengüssen im Vorüberhuschen tränkten.

      Das empörte Meer brüllte und rüttelte an der Küste, stürzte auf das Ufer riesige langsam schäumende Wellen, die sich mit kononenschußartigem Getöse überschlugen.

      Ganz langsam kamen sie, eine nach der andern, bergehoch daher und spritzten beim Brausen des Sturmes weiße Schaumwolken von ihren Köpfen in die Luft hinauf, als wäre es der Schweiß von Riesenungetümen.

      Der Sturm verfing sich in dem kleinen Thälchen von Uport, pfiff und stöhnte, riß die Schiefer von den Dächern, warf die Fensterläden herunter, stürzte Schornsteine um und tobte derartig in den Straßen, daß man nur längs der Mauern gehen konnte, daß Kinder emporgehoben, wie welke Blätter davongewirbelt und über die Häuser hinaus auf die


Скачать книгу