Die Vampirschwestern 2 - Das Buch zum Film. Franziska Gehm
Bei Vampiren war das durchaus wörtlich zu nehmen. Das hieß, sie hing kopfüber an dem Seil, das quer durch das Zimmer der Vampirschwestern gespannt war. Sie hatte schon wieder die Arme vor der Brust verschränkt und grummelte noch immer wütend vor sich hin.
„Jetzt komm, ist doch nicht so schlimm. Dafür dürfen wir mit den anderen zelten“, startete Silvania erneut einen Versuch, Daka zu trösten. Sie konnte ihre Schwester ja verstehen. Krypton Krax und Murdo waren für Daka das, was für sie ein schöner Liebesschmöker und ein romantischer Abend mit Jacob waren.
„Ich kann Papa schon verstehen. Wir sind noch zu jung für so ein Konzert“, redete Silvania weiter.
Mit einem gekonnten Salto wirbelte Daka von dem Seil und landete mit einem Knall neben ihrer Schwester.
„Zu jung, zu jung! Das ist mir so was von egal! Ich lasse mir das nicht verbieten. Ich fliege dahin, egal was Papa sagt!“, rief Daka.
„WAS?“ Silvania fiel vor Schreck ihre Zeitschrift aus der Hand. „Das kannst du doch nicht machen! Papa will das nicht.“
Daka stemmte die Hände in die Hüften. „Ich mache, was ich will, und nicht, was irgendwer anders will!“
Mihai Tepes wollte sich gerade noch eine kleine Blutschorle genehmigen, bevor er sich zur Arbeit aufmachte, als seine geliebte Ehefrau hereinflatterte. Auch wenn sie nicht fliegen konnte, weil sie ja ein Mensch war, schien sie wirklich ein paar Zentimeter über dem Boden zu schweben, wie Mihai irritiert feststellte.
„Huhu, Kinder, Mihai! Ich bin wieder daha!“, flötete sie.
Seine Frau schwebte und flötete – Mihai musterte sie prüfend. Elviras Augen glänzten, ihre Wangen waren gerötet und ihre Haare verwuschelt. Das war im Grunde immer der Fall, aber heute glänzten ihre Augen noch funkelnder, ihre Wangen waren einen Hauch röter und ihr Wuschelkopf noch etwas wuscheliger als sonst. Normalerweise war niemand anders als er selbst für diesen Zustand seiner Frau zuständig. Aber seine Frau war den ganzen Nachmittag unterwegs gewesen und er hatte nach einem kleinen Schläfchen mit seinen Rennzecken Fidel und Castro trainiert. Wer also hatte Elvira zum Flöten und Schweben gebracht?
„Ach, Mihai, heute ist mein Glückstag“, trällerte Elvira. „Das Atelier ist einfach perfekt! Genau richtig. Ich habe sofort den Vertrag unterschrieben.“
Jetzt trällerte Elvira auch noch. Nachdenklich nahm Mihai einen großen Schluck von seiner Blutschorle. „Das ist ja schön“, meinte er.
„Wir haben auch gleich auf unser neues Verhältnis, äh, Miet-Verhältnis angestoßen. Jacobs Vater hat mich spontan auf ein Gläschen eingeladen. Er hatte einen ausgezeichneten Champagner da“, säuselte Elvira und warf ihre Handtasche schwungvoll auf die Küchenanrichte. „Wir haben uns über Kunst unterhalten. Richtig gut. Ich habe gar nicht gemerkt, wie mir das gefehlt hat …“
SCHWAPP! Mihai stieß fast sein Glas um. Seine Frau schwebte, flötete, trällerte, säuselte und ihr fehlte etwas???
„Er ist auch wirklich sehr nett. So erfrischend undeutsch – Australier eben.“ Elvira plapperte immer weiter und bemerkte gar nicht, dass ihr Vampirmann sie mit gerunzelter Stirn beobachtete.
„Und?“ Silvania kam neugierig in die Küche und Elvira umarmte sie stürmisch.
„Alles super, Süße. Jacobs Vater ist ja wirklich total nett. Und witzig. Und attraktiv – wie dein Jacob.“ Elvira strich ihrer Tochter über die Wange.
Silvania sah ihre Mutter überrascht an. „Mama, du bist ja beschwipst!“
Elvira kicherte. Mihai schlürfte geräuschvoll.
„Na ja – ein bisschen vielleicht“, gab Elvira zu.
„Ehrlich gesagt, finde ich es nicht so nett und witzig von diesem Menschen, dich gleich so abzufüllen.“ Mihai spuckte jedes Wort aus wie eine faule Ratte. „Was will der Typ von dir? Ich meine, wo doch erwiesen ist, dass Alkohol Menschen ähnlich enthemmt wie das Blut uns Vampire.“
„Ach komm, Papa. Meinst du vielleicht, Jacobs Vater will Mama anmachen? Das ist doch Gumox.“ Silvania schüttelte ungläubig den Kopf.
Mihai schnaufte und nahm noch einen großen Schluck von seiner Schorle.
„Ach, Schatz, Inima. Wirklich, wir haben uns bloß gut verstanden.“ Elvira drückte Mihai einen dicken Kuss auf die blasse Wange. „Mehr nicht.“
„Na dann. Schnappobyx und Azdio. Prost und tschüss.“ Mihai trank sein Glas leer und nahm seine Aktentasche. Er hatte noch die ganze Nacht, um sich Gedanken zu machen.
Auch Daka hatte sich viele Gedanken gemacht. Aber nicht etwa darüber, was ihr Vater davon halten würde, wenn er herausfand, dass sie heimlich zu dem Krypton Krax-Konzert geflogen war. Nein, Daka dachte an Murdo. Und an Krypton Krax. Und an Murdo. Er war einfach der obermegamuffencoolste Sänger der Welt.
Daka horchte. Mamas Schnarchen konnte sie bis über den Flur hören. Auch Silvania schien schon fest zu schlafen. Entschlossen schlug Daka ihre Decke zurück und stieg in ihren coolsten Klamotten aus dem Bett. Schnell knüllte sie ein paar herumliegende Pullis und drapierte sie so unter ihrer Decke, dass es so aussah, als läge sie darin. Dann nahm sie Karlheinz aus seinem Glas, steckte ihn in ihre Jackentasche und schlich zur Zimmertür.
„Warte!“, hörte sie plötzlich Silvania rufen.
Fumpfs! Wieso war die noch wach? Daka drehte sich ertappt um und staunte nicht schlecht: Silvania kletterte ebenfalls vollständig angezogen aus ihrem Bett, präparierte ihre Decke mit ein paar Klamotten und setzte sich entschlossen ihre Fliegermütze auf.
„Nur, dass du es weißt. Das würde ich für niemand anderen tun!“, flüsterte sie.
Daka sah Silvania mit offenem Mund an. „Äh …“, machte sie.
„Okay. Wir können!“, sagte Silvania lässig.
Daka verzog ihren Mund zu einem breiten Grinsen. „Echt?“
„Ja. Ich kann dich doch nicht allein hinlassen …“, murmelte Silvania.
Daka fiel Silvania um den Hals. „Du bist die beste, coolste und tollste Schwester der Welt!“
„Psst! Sonst wacht Mama auf“, mahnte Silvania und die beiden Vampirschwestern schlichen aus ihrem Zimmer.
Schmerzlich verbunden
Vampirjäger arbeiteten hauptsächlich nachts. Das lag in der Natur ihrer Zielobjekte. Die waren schließlich nachtaktiv. Dirk van Kombast lag mit seiner neuen Waffe im Garten auf der Lauer. Er zielte mit dem Trichter auf das Haus mit der Nummer 23 und griff sich eine Ladung Knoblauchknollen, ohne die Eingangstür der Familie Tepes aus den Augen zu lassen.
„Schön Kacka machen, Poldilein. Dass wir schnell wieder in die Heia können“, hörte van Kombast diese unmögliche Frau Hase sagen. Die lief wohl wieder mit Nachthemd und Schaufel Gassi mit ihrem dicken Dackel. Aber der Vampirjäger ließ sich von ein bisschen Hundekacke nicht aus dem Konzept bringen.
„Onu, zoi, trosch, Azfugli!“, hörte er da auf einmal. Dirk van Kombast sah angestrengt nach oben, konnte aber nichts erkennen. Verdammt, er hatte sein Nachtsichtgerät vergessen. Sonst hätte er Daka und Silvania gesehen, die fast lautlos über die Siedlung einem ihm unbekannten Ziel entgegenflogen. So richtete er seinen Knoblauch-Zerstäuber wieder entschlossen auf das Tepesche Heim und drückte auf Blasen. PFFF! SCHHH! dampfte eine dicke Knoblauchwolke in die Nachtluft.
„Kommt raus! Verstecken nutzt euch jetzt nichts mehr. Mein Knobinator zieht unter jeden Busch!“, rief der Vampirjäger siegesgewiss.
KRRP! KRMPF! rappelte und stotterte da plötzlich sein Präzisions-Staubsauger und schaltete sich dann zu seiner Enttäuschung ganz aus. Van Kombast rüttelte und schüttelte den Schlauch des Saugers und sah prüfend in den Trichter. Dabei trat er aus Versehen auf einen der Schalter. WUMM! sprang seine Wunderwaffe wieder an, allerdings hatte Dirk van Kombast nicht auf Blasen, sondern auf Saugen gedrückt. SCHLÜRF, SCHLURP! machte der Sauger. GRMPF! GRUMPF! machte der Vampirjäger. Er hing kopfüber im Trichter