G.F. Barner Staffel 2 – Western. G.F. Waco

G.F. Barner Staffel 2 – Western - G.F. Waco


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konnte dem Geruch des Fusels nie widerstehen. Und so war ihm eine Frau samt Baby gestorben – und mit diesem Fall sein Schicksal besiegelt gewesen. Es hatte vorher schon genug Ärger gegeben.

      Shapers glich einem langhaarigen, zottelbärtigen Eremiten, der sich weder den Bart scheren noch die Haare schneiden ließ und den ganzen Tag über dem Alkohol zusprach.

      »Goddam, welcher Hundesohn…«

      »Ich«, sagte Lattimer gelassen, als Shapers losfluchte und sich aufsetzten wollte. »Ganz munter werden, Doc! Eins – zwei – drei!«

      Shapers flog wieder, obwohl er aus Leibeskräften schrie und strampelte, in den Trog. Der Doc war im betrunkenen Zustand gar kein übler Bursche. Nüchtern konnte er die Welt nicht ertragen.

      Shapers hatte sehr an seinem Vater, einem kleinen Händler aus Phoenix, gehangen. Der Alte hatte alles geopfert, um aus seinem einzigen Sohn einen Medizinmann zu machen. Und nachdem er das erreicht hatte, war er pleite gegangen und still, wie er immer gewesen war, gestorben. Er hatte sich aufgehängt. Von diesem Tag an – Lattimer hatte ihn und die Folgen erlebt – war Lucius Shapers zum Trinker geworden.

      Der Chief-Scout zog Shapers aus dem Trog, ließ ihn fallen und beobachtete, wie Shapers zähneklappernd auf die Knie kam.

      »Mein Gott, ist mir schlecht!« wimmerte Shapers. »Wo ist meine Flasche? Wo ist mein Tröster in der Not?«

      »Hier ist dein Tröster in der Not!« antwortete Lattimer spöttisch. Er hielt Shapers den gespannten Revolver unter die Nase. Und plötzlich wurde der ehemalige Arzt hellwach. Er wich instinktiv zurück. »Maria, du sollst ihm schwarzen Tee aufbrühen! Wird’s bald?«

      »Tee – Tee?« stöhnte Shapers und begann zu würgen. »Wer ist der Satansbraten, der mich vergiften will?«

      »Ich, Doc!«

      Shapers blickte an Lattimer hoch. Nun erkannte er ihn und verdrehte vor Schreck die Augen.

      »O Gott, ich wußte es doch, ich habe das schon mal erlebt. Es war kein Alptraum«, keuchte er. »Du bist das, du widerlicher Schurke. So hast du mich schon mal behandelt, als ich Sergeant Bullock eine Kugel aus dem Bauch holen mußte. Sieh dir meine Hände an, sieh sie dir doch an, Mensch! Sie zittern!«

      »Keinen Tropfen Fusel!« bestimmte Lattimer. »Erst die Arbeit, danach das Vergnügen.«

      »Joe, du dreigeschwänztes Borstenvieh!« wimmerte Shapers. »Ich kann nicht arbeiten, nicht mit diesen Händen. Sie können kein Messer halten.«

      »Etwas ist noch größer als deine Schwäche für Tequila oder anderen Fusel«, entgegnete der Chief-Scout, »deine Angst, Mister! Wenn du mir nicht hilfst, werde ich dich erschießen. Verdammt, du belügst dich ja selbst, Doc, und redest dir ein, daß es außer dem Fusel nichts mehr gibt. Dabei geht es dir gegen den Strich, und du schlotterst davor, an einer Kugel zu sterben. Du bist zum Sterben und zum Leben zu feige, aber wenn du wählen mußt, gibt es nur eine Entscheidung für dich: das Leben! Aufstehen!«

      »Das schafft er niemals«, sagte Claiborn gepreßt. »Lattimer, sehen Sie seine Hände?«

      »Warten Sie, Sir!«

      Der Chief-Scout packte Shapers am Kragen und schob ihn ins Haus. Maria, die Frau, bei der er lebte und ihn tröstete, wenn ihn Weltschmerz überkam, warf Lattimer einen feindseligen Blick zu. Sie konnte weder lesen noch schreiben, wog über zweihundert Pfund und war nicht allzu groß, aber – sie liebte diesen heruntergekommenen Mann. Wahrscheinlich wäre sie sogar bereit gewesen, sich für ihn umbringen zu lassen.

      Shapers fühlte sich bei ihr aufgehoben wie bei einer Mutter. War er stinkbesoffen, schleppte sie ihn ins Bett, legte sich zu ihm und ließ ihn an ihrem gewaltigen wogenden Busen ruhen. Er schlief dort wie ein Kind an der Mutterbrust – beschützt und aufgehoben, manchmal erwachend und ihre glänzende Haut streichelnd, die Prallheit ihrer Schenkel umfassend und befriedigt das tun, was ihm bei einer mageren Frau nie in den Sinn gekommen wäre.

      »Sie bringen ihn um!« stieß Maria kriegerisch hervor und sah Lattimer drohend an. »Sie sind ein Teufel, Señor, ein Teufel, ja!«

      Lattimer stieß Shapers auf die Bank nieder, dann ging er zum Schrank, nahm einen Tonkrug und roch daran.

      »Zuckerrohrschnaps«, zischelte Shapers angewidert. »Ich will keinen Tee mit Zuckerrohrschnaps, ich will den Tonkrug haben. Maria, er soll mir meinen Krug geben!«

      »Er ist zu stark«, jammerte Maria. »Er verprügelt mich, wenn ich nicht gehorche. Muy amor, du mußt ihm helfen. Die arme Señorita Cabral hat einen Pfeil in der Hüfte.«

      Shapers legte sich lang auf die Bank und starrte die Decke an.

      »Wer?« fragte er matt. »Señorita Cabral? Wo ist sie?«

      »Im Wagen. Sie kommt erst herein, wenn du Schurke bereit bist«, antwortete Lattimer. »Du wirst ihr die Pfeilspitze herausholen, Doc, oder ich töte dich, das verspreche ich dir. Reiß dich zusammen!«

      »Ich bin schon tot«, stöhnte Shapers. »He, was bekomme ich, wenn ich es schaffe?«

      »Hundert Dollar.«

      Nichts hätte Shapers mehr ermuntern können. Er fuhr mit einem Keuchen auf und sah Lattimer ungläubig an.

      »Hundert…«

      »Hundert!« sagte Lattimer kühl. »Du schaffst es, Doc. Eine halbe Stunde Arbeit, und dann ist die Sache erledigt.«

      »Den Tee!« befahl Shapers. Die Aussicht, hundert Dollar und damit auch genauso viele Flaschen Tequila zu erhalten, ließ ihn die Gier nach Fusel wie im Fieberrausch vergessen. »Bringt die Señorita herein, ich bin gleich soweit! He, Maria, genug heißes Wasser machen! Verbrauche nicht alles für den Tee. Du mußt mir die Instrumente abkochen.«

      Er hastete zum Schrank und nahm seine Tasche heraus, in der die lange nicht mehr gesäuberten Instrumente im wirrsten Durcheinander lagen.

      »Das ist meine Medizin, Sir«, erklärte Lattimer grinsend. »Sie sehen, sie wirkt bei ihm.«

      Er war sicher, daß Shapers es schaffen würde.

      *

      Joe Lattimer blickte stumm auf Luisa Claiborn hinab. Ihr Gesicht war noch blaß, das blauschwarze Haar glänzte im Sonnenschein, der durch das Fenster ins Zimmer fiel und ihre blauen Augen leuchten ließ. Einen Moment lächelte Joe, und er wußte plötzlich, als ihre Augen sich weiteten und ein nachdenklicher und beinahe erschrockener Ausdruck in ihnen erschien, daß sie dasselbe fühlte und dachte.

      Es war wie ein zündender Funke, wie ein Band, das sie umschlang.

      »Lattimer«, sagte Luisa verwirrt. Sie schloß die Augen und atmete heftig. »Lattimer, Sie kommen bestimmt wieder nach Santa Rosa?«

      »In diese Stadt und in dieses Hotel«, sagte er leise. Er ließ ihre Hand los, selbst erstaunt über jene Sympathie, die er für sie empfand. »Ich werde die Apachen nach Gila Bend bringen. Der Armeeposten dort schafft sie dann nach Tucson. In fünf Tagen bin ich wieder hier und reite nach Süden zur Grenze. Das war unser Auftrag: Patrouille zur Grenze und versuchen, Yellow Hands Horde zu stellen. Der Auftrag muß beendet werden.«

      Die Grenze, dachte Joe Lattimer.

      Damals ritt ich mit meinem Vater über die Grenze. Wir verfolgten Guerilleros, eine Bande von Aufständischen gegen Porfirio Diaz. Wir stellten sie bei Los Bonitos, sechzehn Meilen jenseits der Grenze, in Mexiko. Sie wollten das Nest und die Hazienda überfallen – eine Cabral-Hazienda.

      Ich bin damals zehn Jahre jünger gewesen. Und sie, Luisa? Höchstens zwölf Jahre alt, dachte Joe. Ich mag sie, aber sie wird immer eine Cabral bleiben – reich, stolz und unnahbar. Ich bin nur der Scout, nichts als ein armer

      Scout.

      »Lattimer«, sagte sie sehr leise und schlug die Augen auf. Blaue Sterne. Lange seidige Wimpern. Blaue Augen, wie sie nur Spanierinnen haben. »Lattimer, ich werde nie vergessen, was Sie für uns getan haben.«

      »Ach, Unsinn!«


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