Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme
haben deine Zauberkünste mich bethört! antwortete er; aber Wolf Lutz ist nicht zweimal ein Narr. Dießmal entkommst du mir nicht.
O, um der Barmherzigkeit willen! flehete das Mädchen wieder; verschon’ mein junges Leben. Um des Lebens deines Sohnes willen!
Dein Leben, erwiederte Wolf Lutz, will ich nicht; du hast Recht, eben um meines Söhnleins willen soll es dir nicht genommen werden. Denn freue dich, Dirnlein, zu seiner Bettgenossin habe ich dich bestimmt; in einer Stunde wirst du neben ihm auf seinem Lager liegen.
Hohe, dunkle Röthe umzog, trotz der Todesangst, die bleichen Wangen Christinens; aber nur auf einen Augenblick, dann wurde sie wieder bleich wie der Tod, und rief mit ängstlicher, abwehrender Stimme: Nicht zu ihm! Nimmer! Nimmer! Morde mich lieber, Heide, aber ehre meine Unschuld! O gieb mir lieber den Tod!
Nachher, sagte Lutz ruhig. Erst wirst du seine Genossin, daß er wieder genese, denn die Liebe, in der deine Zauberkünste ihn verstrickt haben, zehrt den armen Knaben auf; aber wenn er genesen, und der tückische Zauber entwichen ist, dann soll dir Strafe werden für deine Arglist, dann sollst du sterben, und er, er selbst soll dich schlachten und den Göttern opfern.
Nimmer! rief das Mächen mit Abscheu. Der Herr wird mich beschützen.
Wolf Lutz lachte höhnisch, und befahl seinen Knechten, die Dirne aufzuheben und auf ein Pferd zu setzen. Sie sträubte und wehrte sich vergebens, man lachte ihrer ohnmächtigen Anstrengungen.
Geist meiner Mutter! rief sie in furchtbarer Angst, o, schütze mich! errette mich! O, hat denn der Himmel keinen Donner, um die Unschuld zu retten, die Heiden zu vernichten?
Da trat der Mönch Johannes Baptista hervor. In stillem aber inbrünstigem Gebete hatte er bisher, von den Räubern nicht bemerkt, auf seinen Knien neben der Leiche gelegen, und zu Gott um die Errettung aus den Händen der Furchtbaren geflehet. Aber kein Wunder wollte sich zeigen. Da, als der entscheidende Augenblick da war, und die unglückliche Jungfrau fortgeschleppt werden sollte, erhob er sich, nahm das Cruzifix, das neben ihm auf dem einfachen Altare stand, und trat mit demselben ohne Furcht zwischen die Heiden. Im Namen des Gekreuzigten, rief er mit feyerlicher, gebietender Stimme, lasset ab von der reinen Jungfrau, ihr Unreinen! Ich befehle es euch im Namen des ewigen Gottes, vor dem eure Götzen nur Staub, ein Nichts sind!
Aber auch seinen Worten fehlte die Kraft eines Wunders, die Räuber blickten ihn wüthend an, am wüthendsten Wolf Lutz. Greift ihn, rief er, den Christenhund, und schlachtet ihn den Göttern!
Schnell sprangen drei der wildesten Gesellen aus dem Haufen vor, mit gezückten Schwertern, um den Befehl ihres Herrn zu vollziehen. Aber ruhig, wie im sichern Gefühle der Unverletzlichkeit, erwartete sie der Geistliche, und hielt ihnen schweigend das Cruzifix entgegen. Und wunderbar war es anzuschauen, wie den wilden Heiden plötzlich der Arm gelähmt war, und sie zitternd, mit angstvollen Gesichtern vor dem schwachen Greise standen.
Im Namen des Herrn, rief er noch einmal furchtlos, lasset ab von der Jungfrau? Aber Wolf Lutz, war schon mit ihr aus der Höhle hinaus, die Drei, die den Mönch hatten morden wollen, folgten ihm schnell; vergebens rief der Geistliche ihnen Bitten und Drohungen nach; in wenigen Augenblicken war der ganze Haufe mit dem Mädchen aus der Schlucht verschwunden.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als der Zug Lutzens auf die rothe Burg zurückkam, Wolf Lutz selbst hob die Jungfrau hier von dem Pferde, nahm sie auf seinen starken Arm, und trug sie zu dem Gemache seines kranken Sohnes. Dirne! sprach er unterwegs mit fürchterlicher Strenge zu ihr. Mein Knabe zehrt sich in unbändigem Verlangen nach dir auf. Widerstehe ihm nicht ferner! Ergieb dich ihm ohne Widerstreben, oder, bei den furchtbaren Göttern, ich werfe dich meinen gemeinsten Knechten vor, daß sie öffentlich zu ihrem Willen dich zwingen, und dann wie einen Hund, dich abschlachten. Ich schwöre es, Dirne, rief er lauter, und Wolf Lutz schwört nicht falsch.
Seine starke Stimme tönte furchtbar, in seinen Augen brannte ein drohendes Feuer. Christina lag sprachlos in seinem Arme. So trug er sie in das Gemach des Kranken. Der Jüngling lag blaß auf seinem weichen Lager und sog die wohlthätige Wärme der Sonnenstrahlen ein. Sein Auge glänzte, als wenn wehe und süße Erinnerungen, gleich zauberischen Bildern, vor sein inneres Auge träten; da hört er die Thüre seines Gemaches sich öffnen, er blickt auf und starrt die Erscheinung an, die sich ihm entgegenstellt, und dunkle Gluth überzieht sein fahles Gesicht, und hohes Feuer tritt in seine erstorbenen Augen.
Ist sie es, mein Söhnchen? rief Wolf Lutz zärtlich, mit seiner schönen Beute vor ihn tretend. Sie ist dein jetzt! Verfahre mit ihr nach deinem Gefallen, damit du genesen mögest. Hier übergebe ich sie dir. Sie wird dir nicht ferner widerstreben, denn mein Zorn würde sie furchtbar treffen.
Er legte sanft das zitternde Mädchen auf das Lager von weichen Fellen an die Seite des Jünglings und verließ schnell das Gemach.
Grabesstille herrschte nach seiner Entfernung in dem Zimmer. Verwirrt saß Hermann auf seinem Lager, dann hoch erröthend, mit frohem Feuer in den dunkeln Augen, dann wieder bleich werdend und trübe und mit erloschenem Blick; sein Athem ging schnell und heftig, sein Herz klopfte hörbar, seine Brust flog auf und nieder, Ungewiß sah er das Mädchen an seiner Seite an und wußte nicht, ob er die Arme nach ihr ausstrecken und sie an sein Herz ziehen, oder ob er mit süßen Worten ihr zureden sollte.
Aengstlich lag das Mädchen neben ihm; auch ihr Busen wogte heftig auf und nieder, und ihre Wangen wurden bald bleich, bald roth; auch sie wagte nicht sich zu bewegen, und wußte nicht ob sie sprechen solle oder nicht. Doch auf einmal trat hoher Muth in ihre Züge, sie stand auf und stellte sich vor den Jüngling, und sah ihn fest an mit ihren schönen, in diesem Augenblicke von einer unendlichen Klarheit strahlenden Augen. Hermann, sprach sie dann, du hast so oft mir unbegränzte Liebe geschworen; wenn du sie noch jetzt in deinem Herzen für mich fühlst –
Der Jüngling hatte ihrem festen klaren Blicke nicht begegnen können, unwillkührlich hatte er die Augen niederschlagen müssen. Aber jetzt erhoben sie sich schnell wieder, und hefteten sich mit unbeschreiblicher Gluth auf das Mädchen. Bei den ewigen Göttern! rief er, ich liebe dich noch Christine. Ich habe dich nie mit dieser verzehrenden Gluth geliebt wie jetzt; das ist ja auch mein Tod! Denn ich muß mich still aufzehren in meiner Liebe, da du keine Erhörung schenken willst.
Christine seufzte tief auf. Kann ich Hermann? fragte sie; kann ich meinen ewigen Gott verlassen?
Das sollst du nicht, fiel schnell der Jüngling ein. Mein Vater liebt mich. Sey mein, und er wird dir deinen Gott nicht nehmen. Aber laß mir auch meine Götter! O Christina, erhöre mich; liebe mich wieder! So oft hab’ ich auf meinen Knieen darum geflehet. Wie oft, wenn ich des Abends in dem einsamen Thale an der Quelle dich überraschte, und dir erzählte, wie dein erster Anblick auf mich gewirkt, wie ich gemeint hätte, eine der hohen Göttinnen zu sehen; wie es mich dann unwiderstehlich zu dir zurückgezogen, und wie ich nun jeden Tag kommen müsse, und nicht schlafen könne auf meinem Lager, wenn ich nicht dich, oder nur wenigstens den Zipfel deines Gewandes gesehen; wie oft habe ich dann unter den heißesten Thränen um deine Liebe geflehet, gebettelt. Aber du bliebest kalt, du –
Nein, nein! rief das Mädchen, ohne es zu wissen, mit schmerzlicher Stimme: O hättest du in mein Herz sehen können!
Doch, fuhr Hermann fort; du erhörtest mich nicht; nur Liebe zu deinem Gott war in deiner Brust, nur ihm gehörtest du an; und mein wolltest du nur werden, wenn ich meine Götter abschwören und an> deinen Gott glauben wolle.
Christinens Augen belebten sich. Hermann! rief sie; ich war nicht kalt gegen dich. Höre es, ich liebe dich; aber mein Gott gehet mir über alles, über mein eigenes Leben. Nimmer kann ich dem Heiden angehören und seinen falschen Göttern. O glaube mir, ich liebe dich eben so kräftig, als du nur je für mich gefühlt hast. Drum Hermann, verlaß deine falschen Götzen, und laß uns glücklich seyn. O folge den Bitten der reinsten, aufrichtigsten Liebe!
Die Götter sind furchtbar! erwiederte der Jüngling. Sie verderben den, der sie verläßt. Ihr Zorn würde dich treffen und mich, und uns schrecklich verzehren.
Deine Götter sind ohnmächtig! rief das Mädchen; es giebt nur Einen wahren Gott, und der beschützt seine Getreuen.
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