Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme
»Du weißt, dass ich gar nicht eifersüchtig werden kann.«
Die junge Dame lachte höhnisch.
»Armer Schilden!«
Fräulein Hedwig von Taubenheim war als junge Frau noch schöner geworden. Ihre Formen hatten sich mehr gerundet; so standen sie in einem fast wundervollen Ebenmaße zu ihrer hohen, imponierenden Gestalt.
Der Geheimrat von Schilden war mager geworden und blass und hohlwangig dabei. Es konnte vom vielen Arbeiten herrühren, vielleicht auch nicht. Ein Ehemann, der seiner Frau versichern muss. er könne gar nicht eifersüchtig werden, und dem darauf mit einem höhnischen »Armer Mann!« geantwortet wird, kann auch ohne vieles Arbeiten mager und bleich werden. Und wenn er gar bedenkt: Deine Frau hat dich genommen, weil du eine bessere Karriere machst und weil ein Offizier ihr keinen Liebhaber erlauben würde!
Der Hohn der Frau hatte ihn geärgert; er vergaß das Anzünden der Pfeife und ging mit großen Schritten im Zimmer umher.
Die Frau sah ihm eine Weile stillvergnügt zu.
»Du bist also wirklich nicht eifersüchtig?« fragte sie ihn dann.
»Nein!« erwiderte er mürrisch.
»So darf ich mir ja eine Bitte an Dich erlauben.«
»Sie wäre?«
»Wie lange hättest Du noch Lust hier zu bleiben?«
»Bis ich von meinen Leuten, die ich aussandte. Nachricht erhalte.«
»Und wenn das noch einmal drei Tage, gar noch länger dauerte? Drei Tage langweilen wir uns schon hier, ich wenigstens.«
»Heute muss jedenfalls von irgendeiner Seite Nachricht kommen.«
»Und wenn keine kommt?«
»So würden wir noch warten müssen.«
»Wir? Daran lass’ mich anknüpfen. Ich gehöre nicht zur Polizei. Ich bin keine Demagogenfängerin. Ich sende keine Spione aus, ich gebe mich nicht selbst zur Spionage her.«
Die schöne Frau sprach mit ruhiger Bosheit.
Auch der Herr von Schilden war wieder ruhig geworden; er hatte seinen Ärger verwunden.
»Ich denke«, sagte er, »Du hast Dein Schicksal an das meinige gefesselt.«
»Gefesselt?«
»Auch an meine Karriere.«
»An Deine Ehre, hatte ich gemeint. Freilich Du weißt Ehre und Karriere wohl nicht voneinander zu trennen?«
Der Herr von Schilden antwortete nicht.
Die Erwähnung der Ehre hatte ihn wohl wieder an etwas anderes erinnert.
»Du hattest eine Bitte an mich.«
»Sogleich. Beantworte mir vorher noch eine Frage. Wenn Du heute Nachricht erhältst, was wird dann?«
Er ging auf die Frage ein. Gutmütigkeit war das schwerlich bei dem Geheimrat von Schilden; er musste es also schon weit im ehelichen Gehorsam gebracht haben.
»Es wird von dem Inhalt der Nachricht abhängen, Hedwig.«
»Und der Inhalt kann sein?«
»Die Flüchtlinge sind gefunden oder sie sind nicht gefunden.«
»Wenn sie nicht gefunden sind?«
»So fahren wir zusammen weiter nach Hofgeismar. Ich erwarte dort fernere Nachrichten.«
»Und wenn sie gefunden sind?«
»So würde ich wahrscheinlich sofort an Ort und Stelle müssen, und Du müsstest allein zu dem Bade reisen.«
»Hm, mein Freund, Du wünschtest meine Bitte zu erfahren?«
»Ja, Hedwig.«
»Der Graf Westernitz geht gleichfalls nach Hofgeismar. Möchtest Du ihn nicht bitten, dass er mich mitnehme?«
Der Herr von Schilden ärgerte sich nicht wieder, er wurde zornig.
»Weib!« rief er.
Sie lachte.
»Warum ereiferst Du Dich? In Hofgeismar träfe ich ja doch mit ihm zusammen, und eifersüchtig bist Du nie.«
Er schämte sich seines Zorns.
»Eine Frage«, sagte er kalt. »Woher weißt Du, dass der Graf nach dem Bade will?«
»Woher? Wenn Du ihn bittest, dass er mich mitnehme, wird er hingehen.«
Er hörte die Antwort der Bosheit nicht mehr.
Es war an die Tür geklopft.
Es trat ein Zollbeamter in das Zimmer.
Die Augen des Herrn von Schilden leuchteten.
»Sie bringen mir Nachricht?«
»Zu Befehl, Herr Geheimrat.«
»Haben Sie die Flüchtlinge gefunden?«
»Wahrscheinlich. Aber erlauben der Herr Geheimrat mir, dass ich erzähle.«
»Erzählen Sie.«
»In der vorgestrigen Nacht, gegen Morgen, sind an dem Zollamte in der Nähe von Beverungen drei Extrapostwagen, aus dem Hannöverschen kommend, die Grenze passiert. In dem einen hat eine kranke Dame mit einem älteren Herrn und einem Arzte gesessen, in dem zweiten ein alter Herr und eine junge Dame, in dem dritten zwei Herren. Die sämtlichen drei Wagen haben zusammengehört und sind nach Beverungen gefahren. Den alten Herrn in dem zweiten Wagen hat man am Zollhause erkannt; nur ihn allein. Es ist der General von Steinau gewesen.«
Der Herr von Schilden traute seinen Ohren nicht.
»Der General von Steinau? Es ist nicht möglich!«
»Die Hälfte der Beamten hat ihn erkannt, Herr Geheimrat. Sie haben unter ihm gedient, manche Schlacht mitgemacht. Er hat sie erkannt, mit ihnen gesprochen.«
»Weiter, weiter!« rief der Herr von Schilden.
Der Zollbeamte erzählte weiter.
»Die Herrschaften sind im Gasthofe zu Beverungen eingekehrt, unter dem Namen: General von Steinau mit Familie aus Berlin. Dort hat sich gezeigt, dass die kranke Dame eine schwer Verwundete war. Es kommt zwar niemand zu ihr. Der Arzt und die zweite Dame, die zu dem General Onkel sagt, pflegen sie und weichen nicht von ihr. Aber der Arzt hat sich viele Scharpie geben lassen, und die horchenden Leute des Hauses haben von einer Wunde, wie sie meinen, an der Schulter sprechen gehört. Die Verwundete soll übrigens in einem sehr bedenklichen Zustande sich befinden, und an eine Weiterreise sei noch lange nicht zu denken, will man wissen. Ich habe dennoch zwei Aufseher als Wache zurückgelassen. Das sind unsere Ermittlungen. Ich bin hierher geeilt, um des Herrn Geheimrats weitere Befehle zu empfangen.«
Die Augen des Geheimrats waren leuchtender geworden; es war ein unheimliches Feuer, das in ihnen brannte.
»Die sämtlichen Fremden sind noch in Beverungen?« fragte er den Beamten.
Der Mann besann sich.
»Die angekommen sind, Herr Geheimrat. Ich hatte vergessen, zu bemerken, dass der dritte Wagen mit den beiden jungen Herren in Beverungen gar nicht eingetroffen ist.«
Die Nachricht stimmte die Freude des Herrn von Schilden herab.
»Wo ist der Wagen geblieben?«
»Ich und meine Leute haben es nicht erfahren können. Hoffentlich erhalten der Herr Geheimrat von anderer Seite Nachricht darüber.«
»Erfrischen Sie sich unten«, sagte der Geheimrat zu dem Beamten.
Der Beamte ging.
Der Herr von Schilden musste überlegen, mit seiner