Salambo: Ein Roman aus Alt-Karthago. Гюстав Флобер

Salambo: Ein Roman aus Alt-Karthago - Гюстав Флобер


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Ferne schrien die Barbaren ihm nach: »Pack dich! Feigling! Schwein! Abschaum Molochs! Schwitze in deinem Gold und deiner Pest! Fort! Fort!« Die Leibwache galoppierte neben ihm her.

      Die Wut der Barbaren besänftigte sich nicht. Man entsann sich, daß mehrere von ihnen, die sich wieder nach Karthago gewandt hatten, nicht zurückgekehrt waren. Ohne Zweifel hatte man auch sie ermordet. So viele Untaten erbitterten die Söldner. Sie begannen die Zeltpfähle auszureißen, ihre Mäntel zu rollen und die Pferde aufzuzäumen. Ein jeder griff nach Helm und Schwert, und im Nu war alles marschbereit. Wer keine Waffe hatte, eilte in die Gehölze, um sich Knüppel zu schneiden.

      Der Tag brach an. Die Einwohner von Sikka erwachten und füllten die Straßen. »Sie marschieren gegen Karthago!« sagte man, und bald verbreitete sich dies Gerücht durch die ganze Gegend.

      Auf jedem Fußsteige, aus jedem Hohlwege strömten Menschen herbei. Man sah die Hirten von den Bergen herabeilen.

      Als die Barbaren bereits aufgebrochen waren, kam Spendius auf einem punischen Hengste von einem Ritt durch die Ebene zurück. Sein Sklave folgte ihm mit einem dritten Pferde zur Hand.

      Ein einziges Zelt war stehen geblieben. Spendius trat hinein.

      »Auf, Herr! Mach dich bereit! Wir marschieren!«

      »Wohin?« fragte Matho.

      »Nach Karthago!« rief Spendius.

      Matho sprang auf das Pferd, das der Sklave vor der Tür am Zügel hielt.

       Inhaltsverzeichnis

       Inhaltsverzeichnis

      Der Mond kam über dem Saum der See heraus. Noch war die Stadt im Dunkel. Nur hier und da blinkten leuchtende Punkte und lichte Flecke: die Deichsel eines Wagens in irgendeinem Hofe, ein aufgehängtes Stück Leinwand, eine Mauerecke, der goldne Schmuck auf der Brust eines Götterbildes. Da und dort funkelten die Glaskugeln auf den Tempeldächern wie riesige Diamanten, während linienlose Gebäudeteile, schwarze Flächen Landes und Baumgruppen in der Dunkelheit noch massiger und düsterer aussahn. Wo der Stadtteil Malka aufhörte, spannten sich Fischernetze von einem Hause zum andern, wie ungeheure Fledermäuse mit entfalteten Flügeln. Das Knarren der Räder, die das Wasser bis in die obersten Stockwerke der Paläste trieben, war verstummt. Auf den Terrassen schlummerten friedlich die Kamele, wie Strauße auf dem Bauche liegend. Die Türhüter schliefen auf den Straßen vor den Haustüren. Über die menschenleeren Plätze krochen die Schatten gigantischer Monumente. An verschiedenen Stellen in der Ferne drang durch die Lücken eherner Dächer die Lohe von Opferfeuern. Der schwüle Seewind trug Blütenduft vermischt mit Meeresgeruch und dem Dunst sonnendurchglühter Mauern her. Rings um Karthago glitzerte die starre Meeresflut. Der Mond goß sein Licht über den bergumfriedeten Golf und über das Haff von Tunis, auf dessen Sanddünen Flamingos in langen rosigen Reihen hockten, während weiter weg, hinter der Totenstadt, die große Salzlagune wie eine Silberplatte glänzte. Das dunkelblaue Himmelsgewölbe versank auf der einen Seite im Staubnebel der Ebenen, auf der andern in den Dämpfen des Meeres. Oben auf der Akropolis wiegten die hohen spitzigen Zypressen, die den Eschmuntempel umhüteten, ihre Wipfel und rauschten genau so monoton wie die Wogen, die zu Füßen der Befestigungen in schwerfälliger Regelmäßigkeit an den Quadern des langen Hafendammes zerstoben.

      Salambo stieg auf das flache Dach ihres Palastes, gestützt von einer Sklavin, die in einem eisernen Becken glühende Kohlen trug. Mitten auf der Terrasse stand ein niedriges Ruhebett aus Elfenbein. Luchsfelle und mit Papageienfedern gefüllte Kissen lagen darauf. Diese weissagenden Vögel waren den Göttern geweiht. Über den vier Ecken waren die Pfannen angebracht, gefüllt mit Spezereien, Narde, Zimt und Myrrhen. Die Sklavin entzündete das Räucherwerk.

      Salambo blickte zum Polarstern auf, grüßte feierlich die vier Windrichtungen und kniete dann auf dem blauen Sande nieder, der – ein zweiter Himmel – mit goldenen Sternen besät war. Sie drückte die Ellbogen an die Hüften, streckte die Unterarme wagerecht vor, öffnete die Hände, bog das Haupt zurück, so daß ihr das Mondlicht voll ins Angesicht schien, und sprach:

      »O Rabbetna ... Baalet ... Tanit!« Das klang wie Klagelaute, gedehnt, wie ein Ruf in die Ferne. »Anaïtis ... Astarte ... Derketo ... Astoreth ... Mylitta ... Athara ... Elissa ... Tiratha ... In deinen Symbolen ... in der heiligen Musik ... in den Furchen der Äcker ... im ewigen Schweigen ... und in der ewigen Fruchtbarkeit ... Herrin des düsteren Meeres ... und der blauen Gestade ... o Königin des Feuchten ... sei mir gegrüßt!«

      Zwei- oder dreimal beugte sie den Oberkörper vor und zurück, dann warf sie sich mit ausgestreckten Armen mit der Stirn in den Sand. Die Sklavin richtete sie sofort wieder auf, denn gläubigem Brauch gemäß mußte man den Betenden emporheben. Es bedeutete, daß die Götter ihn erhörten. Salambos Amme versäumte diese fromme Pflicht niemals.

      Kaufleute aus dem darischen Gätulien hatten Taanach als kleines Kind nach Karthago gebracht. Selbst nach ihrer Freilassung hatte sie ihre Herrschaft nicht verlassen, was das weite Loch in ihrem rechten Ohrläppchen vermeldete. Ihr buntgestreifter Rock, um die Hüften von einem Gürtel gehalten, reichte bis zu den Knöcheln hinab, an denen je zwei Zinnringe aneinander klirrten. Ihr etwas plattes Gesicht war gelb wie ihre Tunika. Auf ihrem Hinterkopfe bildeten überlange silberne Nadeln eine Sonne. Unter der Nase trug sie einen Korallenknopf. So stand sie, starr wie eine Bildsäule, mit fast geschlossenen Lidern, neben dem Ruhebett.

      Salambo trat an das Geländer der Terrasse. Einen Augenblick lang liefen ihre Blicke den Horizont ab, dann senkten sie sich zur schlummernden Stadt. Sie stieß einen Seufzer aus, der ihren Busen schwellte und das lange weiße spangen- und gürtellose Schleppgewand von oben bis unten durchzitterte. Ihre Sandalen mit vorn aufwärts gebogenen Spitzen verschwanden unter einer Fülle von Smaragden, und ihr loses Haar ward von einem Netz aus Purpurfäden zusammengehalten.

      Nun hob sie den Kopf wieder und betrachtete den Mond. Indem sie Brocken aus Hymnen unter ihre Worte mengte, murmelte sie.

      »Wie leicht und leise wandelst du, aus den Fittichen des ungreifbaren Äthers. Um dich herum schläft er. Erst deine Bewegung und dein Gang wecken die Winde und streuen fruchtbaren Tau aus. Je nachdem du zunimmst oder ab, werden die Augen der Katzen und die Flecken der Panther groß oder klein. In Kindesnöten schreien die Mütter deinen Namen. Du läßt die Muscheln schwellen, den Wein gären, die Toten zu Staub zerfallen. Du formst die Perlen im Meeresgrunde.

      »O Göttin, alle Keime quellen in den dunklen Tiefen deiner Nebel. Wenn du erscheinst, fließt Frieden in die Welt hinab. Die Blumen schließen sich, die Fluten schlummern ein, die müden Menschen strecken sich nieder, die Brust dir zugewandt, und die Erde mit ihren Meeren und Gebirgen schaut sich in deinem Antlitz wieder wie in einem Spiegel. Weiß bist du, mild, licht, makellos, hilfreich, beseligend und heiter!«

      In diesem Augenblicke stand die Mondsichel über dem Berge der heißen Wasser, im Sattel zwischen seinen beiden Gipfeln, jenseits des Golfes. Unter ihr blinzelte ein kleiner Stern, und um sie herum schimmerte fahler Schein. Salambo fuhr fort:

      »Doch bist du auch eine grausige Herrin! Durch dich entstehen die Ungeheuer, die schrecklichen Gespenster, die trügerischen Träume. Dein Blick nagt an den Steinen der Häuser, und die Affen werden krank, sooft du dich verjüngst.

      »Wohin läufst du? Warum wandelt sich immerfort deine Gestalt? Als schmale Sichel schwimmst du wie ein Schiff ohne Mast durch den weiten Weltraum. Hütest die Schar der Sterne, wie ein hagerer Schäfer seine Herde. Rund aber und im vollen Glanze gleitest du wie das Rad eines Wagens über den Kamm der Berge.

      »O Tanit, liebst auch du mich? Ich schaue so viel zu dir empor. Nein, nein! Du gehst deinen Gang im Himmelsblau, und ich bleibe auf der starren Erde.

      »Taanach, nimm die Harfe und rühre lind und leise die silberne Saite,


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