Seewölfe - Piraten der Weltmeere 23. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 23 - Roy  Palmer


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      Impressum

      © 1976/2013 Pabel-Moewig Verlag GmbH,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-249-0

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      1.

      Eine steife Brise wehte an diesem Oktoberabend des Jahres 1578 von Südwesten her und strich durch die düsteren Gassen von Callao, griff nach dem eigentümlich geformten Schild über dem Eingang einer alten Kneipe und bewegte es. Quietschend schwang es hin und her. Das Licht, das von innen durch trübe Fensterscheiben auf die Katzenköpfe der Gasse fiel und nur noch ganz schwach die gegenüberliegenden, windschiefen Gebäude erreichte, genügt kaum, um seine Aufschrift entziffern zu können. Das Grölen und Fluchen von Männern und das Kreischen von Frauen drang, von den Klängen einer Gitarre untermalt, verschwommen ins Freie.

      Eine kleine Gruppe von Männer blieb vor der Kneipe stehen. Esteban Pereda, ein hochaufgeschossener, schlaksiger Seemann – der größte der vier – stellte sich auf Zehenspitzen, um das Eisenschild lesen zu können.

      „El Gabian Feroce – zur wilden Möwe. Und das Schild hat auch die Form eines Vogels. Originell, was? Was haltet ihr von einem Abstecher in diese üble Spelunke, Caballeros?“ fragte er.

      Marcos Chocano, ein Mann mit glattrasiertem, kantigen Gesicht und tiefliegenden Augen, erwiderte: „Nichts, wenn der Wirt sich einfallen läßt, uns gepanschten Wein vorzusetzen.“

      „Wenn er das tut, kriegt er eine Abreibung, die er nie wieder vergißt“, sagte Eloy Campoamor. Er besaß Schultern, breit wie ein Vorratsschapp, hatte eine Glatze, buschige Brauen, Wulstige Lippen, mächtige Muskeln, die sich unter seiner Jacke spannten.

      Antonio Savedra, Steuermann und Lotse der spanischen Transportgaleone „San Pedrico,“ die im Hafenbecken von Callao festgemacht hatte, lächelte unter seinem dichten schwarzen Vollbart. „Esteban, ich schlage vor, du drehst dich um und schaust nach, ob unser gottverdammtes Schiff von hier aus noch zu erkennen ist.“

      „Nein.“

      „Dann sind wir goldrichtig. Weit genug weg, um nicht ewig den Anblick des verfluchten Kahns ertragen zu müssen, und doch immer noch nahe genug dran, um rechtzeitig zum Wachwechsel wieder an Bord zu gelangen.“

      Er schritt an ihnen vorbei und stieg die ausgetretenen Stufen, die zum Eingang der Kneipe führten, hinunter. Seine Begleiter drängten nach. Savedra stieß die Tür auf, und die laute, riechende, schwüle Atmosphäre schlug ihnen wie eine Woge entgegen. Sie steuerten durch Lärm, Rauch, Schweißgeruch, Wein- und Schnapsdunst geradewegs auf den breiten Holztresen in der rechten hinteren Hälfte des Schankraumes zu.

      Das Licht der Talglampen lag in einem aussichtslosen Kampf mit der nebligen Schicht, die sich von der durchhängenden Balkendecke bis auf die blankgewetzten Tischplatten hinabzog und wie zum Schneiden im Raume stand. Nur undeutlich war die massige Gestalt des Wirtes hinter dem Tresen zu erkennen. Er war ein grinsender Typ, der die stämmigen Arme aufgestützt hielt und sich mit ein paar Zechern unterhielt, während ein etwa zwölf Jahre alter Junge die Humpen der Gäste auffüllte.

      Die vier Männer von der „San Pedrico“ traten an den Tresen, placierten sich zwischen den Zechern und schauten sich prüfend um. Mindestens zwei Dutzend Männer belagerten die Tische, und etwa zehn Frauenzimmer waren redlich darum bemüht, sie in Stimmung zu halten. In einer Nische hockte der Gitarrenspieler in Begleitung von gleich zwei Weiberröcken, die kicherten und immer wieder erfolglos danach trachteten, irgendein Lied anzustimmen.

      An der Theke hielten sich weitere zehn Männer auf – vierzehn jetzt mit ihnen. Die Spelunke war brechend voll und drohte aus den Fugen zu platzen. Ein Volltrunkener taumelte gegen das Holzregal hinter dem Tresen, und die darauf befindlichen ausgestopften Möwen und anderen Seevögel begannen bedrohlich zu wakkeln. Der Wirt rief etwas. Zwei Männer halfen ihm, den Betrunkenen ins Freie zu befördern.

      „Schlagseite“, sagte Chocano lakonisch.

      „Wenn er jetzt noch eine volle Breitseite verpaßt kriegt, ist er vollends hinüber“, meinte Pereda.

      „Verdammter Suff“, sagte Chocano und grinste.

      „Mir ist nach Saufen zumute“, versetzte Eloy Campoamor.

      „Mir ist nach Weibern zumute“, sagte Perede mit einem Blick auf die beiden Huren bei dem Gitarristen.

      Antonio Savedra hob die Hand. „Eins nach dem anderen; immer hübsch der Reihe nach.“ Er winkte dem Zwölfjährigen zu und hatte Mühe, sich gegen den Stimmenlärm zu behaupten. „Wein!“ rief er. „Rotwein, und zwar den besten, den du hast, Junge!“

      Der Junge bediente sie aus demselben Krug, aus dem er auch den anderen Zechern servierte. Savedra teilte die gefüllten Gläser aus, hob das seine und betrachtete es mit hochgezogenen Augenbrauen. Campoamors Stirn war bereits ebenfalls umwölkt. Alle vier nahmen einen Probeschluck. Der Glatzkopf prustete, spuckte den Wein auf den Boden und setzte seinen Humpen ab, daß es nur so knallte. Dann griff er mit seinen Pranken über den Tresen und angelte sich das Bürschchen.

      Er schickte sich an, ihm ein paar gepfefferte Ohrfeigen zu verpassen, doch Antonio Savedra hielt ihn im letzten Augenblick zurück.

      „Bist du verrückt, Mann?“

      „Zur Hölle, der Wein ist gepanscht!“

      „Laß mich los“, jammerte der Junge.

      Eloy Campoamor dachte nicht daran, und es entstand Aufruhr um ihn, seine Begleiter und den Zwölfjährigen. Die Zecher murrten. Endlich erschien wieder die füllige Gestalt des Wirtes hinter dem Tresen. Er trat keuchend heran – ein schwitzender Mann mit glattem, rosigen Teint, kleinen Augen und fleischiger Nase. Savedra brachte Campoamor dazu, das Bürschchen loszulassen, dann beugte er sich vor und stoppte den Wirt, bevor dieser sich den Glatzkopf kaufen konnte.

      „Mein Freund ist ein bißchen hitzig, Amigo, aber nicht ungerecht.“

      „Hast du gesehen, was ich mit Störenfrieden tue?“ entgegnete der Wirt aufgebracht.

      „Ja. Aber besser nicht mit meinem Freund Eloy.“

      „Ich schmeiß ihn ’raus und dich gleich mit, Mann ...“

      „Du verhinderst eine Katastrophe, wenn du dich besinnst.“

      „Einen Dreck werde ich tun.“

      „Du fällst aus der Rolle.“

      „Ihr habt angefangen!“

      Antonio Savedra zog den Beleibten über die Tresenplatte an den Aufschlägen bis zu sich heran und sagte so leise, daß sein Gegenüber es gerade noch verstehen konnte: „Der Wein ist gepanscht, mein Freund, und wenn du uns vieren nicht sofort einen besseren Tropfen zu schmecken gibst, veranstalten wir hier einen Höllenzirkus, so wahr ich Savedra heiße und Steuermann und Lotse auf der ‚San Pedrico‘ bin.“

      „Hast du ‚San Predrico‘ gesagt?“

      „Bist du taub?“

      Der Wirt leckte sich mit flinker Zunge die Lippen. „Miguel Casias ist mein Name, Senor. Warum habt ihr euch nicht gleich zu erkennen gegeben? Ich habe einen heiligen Respekt und die größte Hochachtung vor allen Männern, die unter der Flagge seiner Majestät, des Königs von Spanien, über die Weltmeere segeln und sich ...“

      „Du trägst zu dick auf, Miguel. Die ‚San Pedrico‘ ist eine müde Transport-Galeone.“

      „Ich lasse einen Tisch für euch freimachen.“

      „Das hört sich gut an, Miguel.“

      „Ich sorge dafür, daß euch ein vorzüglicher Rotwein aus meiner privaten Reserve vorgesetzt wird.“

      „Dein bester Tropfen, Miguel?“

      „Ich schwöre es.“

      „Das hört sich noch besser an.“

      Wenig später könnten Savedra, Chocano, Pereda und Campoamor an dem Tisch


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